Nachhaltigkeit: Wie die Industrie Reparaturen sabotiert

Seite 3: Wer darf ran – und warum?

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Oft wäre schon viel gewonnen, wenn Hersteller die Reparaturversuche durch Kunden oder freie Werkstätten nicht aktiv sabotieren würden. Das Reparaturportal iFixit hatte beispielsweise 2019 festgestellt, dass iPhones nicht mehr den Ladestand anzeigen, wenn eine nicht autorisierte Werkstatt den Akku ausgetauscht hat. Und immer wieder machen Drucker Schlagzeilen, deren Software die Patronen von Fremdherstellern blockiert oder den Betrieb nach einer bestimmten Anzahl von gedruckten Seiten gleich ganz einstellt.

Grün: Anteil der im jeweiligen Jahr von der Stiftung Warentest untersuchten Mobiltelefone mit auswechselbarer Batterie Grau: Anzahl der insgesamt untersuchten Geräte

(Bild: Test der Stiftung Warentest / https://www.test.de/Ergebnisse-Reparatur-Umfrage-Erfahrungen-von-10000-Teilnehmern-ausgewertet-5587855-5587859/)

Steffen Vangerow berichtet Ähnliches über die Küchenmaschine Thermomix 6 von Vorwerk. „Vereinzelte Komponenten lassen sich nicht mehr tauschen, dann bringt die Software einen Fehler.“ Vorwerk verteidigt sich: „Uns liegt die Sicherheit unserer Kunden sowie die Gelinggarantie unserer Rezepte besonders am Herzen. Wir reparieren den Thermomix gerne zu marktüblichen Preisen – dabei garantieren wir eine mindestens zehn Jahre nach Auslaufen der Produktgeneration andauernde Reparierbarkeit.“

Mit Arduino-Platinen rettet Steffen Vangerow alte Röhrenradios ins digitale Zeitalter. Im TR-Podcast „Tech2go“ berichtet er über seine Erfahrungen.

(Bild: Vangerow GmbH)

Ein reparaturfreundliches Design ist allerdings nicht allein eine Frage des Willens, sondern auch der Ausbildung. Bisher denken Entwickler, so Alexander Klein von der Hochschule Rhein-Waal, vor allem daran, wie sich ein Gerät am besten herstellen lässt („Design for Manufacturing“). „Wir müssen aber auch ein ,Design for Reparability‘ schaffen. Wir können hier eine ganz neue Ingenieursdisziplin aus der Taufe heben.“

(Bild: Flaticon.com)

Die neue Ökodesign-Richtlinie (Kasten links) unterscheidet zwischen Ersatzteilen für Verbraucher und professionellen Reparaturbetrieben. Der Runde Tisch Reparatur kritisiert: „Die Verordnung lässt offen, wodurch fachliche Kompetenz bestimmt wird und überlässt eine entsprechende Prüfung den Herstellern.“ So lieferte Apple lange Zeit nur ausgewählten Werkstätten Ersatzteile, Anleitungen und Spezialwerkzeuge. Seit letztem September will es schrittweise auch freie Werkstätten beliefern, zunächst in den USA, danach auch in Europa. Allerdings müssen die Betriebe einen von Apple zertifizierten Techniker haben, da die Sicherheit der Verbraucher gewährleistet sein müsse.

Das sei allerdings für viele Werkstätten „keine Option, da sie die nötigen Anforderungen nicht erfüllen oder den immens hohen Aufwand für eine Teilnahme nicht leisten können“. Praktiker Steffen Vangerow sieht das kritisch und verweist darauf, dass sich ohnehin „jeder Betrieb in die Handwerksrolle eintragen muss.“ Das sei ein quasi amtliches Register und damit sei die Kompetenz schon hinreichend nachgewiesen.

Die Obsoleszenz-Forscher Erik Poppe und Eduard Wagner sehen in der Richtlinie eine „Pauschalverurteilung von Konsumenten: Die Autoreifen darf ich privat tauschen und dann mit 200 über die Autobahnen rasen, eine defekte Steuerplatine in der Waschmaschine geht aber zu weit?“ Der Runde Tisch Reparatur fordert deshalb eine „Beweislastumkehr“: Nicht eine Werkstatt sollte ihre Kompetenz belegen müssen, sondern der Hersteller müsse ihr mangelnde Kompetenz nachweisen, wenn er sie von der Ersatzteilversorgung ausschließen will.

(Bild: Flaticon.com)

Der größte Kostenfaktor bei einer Reparatur sind oft nicht die Ersatzteile, sondern die Arbeitsstunden. „Werkstätten sind oft manufakturähnlich aufgebaut – im Gegensatz zu perfekt durchorganisierten Fabriken“, sagt Produktionsexperte Alexander Klein von der Hochschule Rhein-Waal. Um Reparaturen zu industrialisieren, müsse man analysieren, welche Fehler am häufigsten auftauchen, und dafür dann spezielle Verfahren entwickeln. Als Beispiel nennt er die Reparaturkette „Carglass“, die sich auf die Instandsetzung von Autoscheiben spezialisiert hat.

Eine weit grundlegendere Lösung hat der 2019 verstorbene Umweltforscher Friedhelm Schmidt-Bleek vorgeschlagen: Die Arbeit müsse niedriger, der Rohstoffverbrauch höher besteuert werden. Dann würden sich aufwendige Reparaturen weit eher rechnen, der Rohstoffverbrauch sinken und neue Arbeitsplätze entstehen. Doch das würde einen kompletten Umbau des Steuersystems erfordern – und geht damit weit über die derzeitigen EU-Pläne hinaus.

(Bild: Flaticon.com)

Nach einer Umfrage der Stiftung Warentest von 2019 lassen sich Trockner mit einer Erfolgsquote von 64 Prozent reparieren. Am schlechtesten schnitten Drucker mit 21 Prozent ab.

Den Kollegen des Magazins „Make“ sind folgende Geräte unangenehm aufgefallen:

  • Kaffeevollautomaten mit defekten Dichtungen, die schwer erhältlich sind.
  • Laugen- und Umwälzpumpen von Waschmaschinen und Geschirrspülern. Sie lassen sich oft leicht und preiswert mit Nicht-Original-Ersatzteilen reparieren.
  • Sprüharme von Geschirrspülern mit verschlissenen Teflonlagern oder verstopften Düsen. Beides sei sehr leicht reparierbar, werde aber vom Service gerne als größerer Schaden dargestellt.
  • Neue Akkupacks von Notebooks sind teuer, lassen sich oft aber reparieren, da meist Standardzellen verbaut sind. Nur das Öffnen der verschweißten Packs sei schwierig.
  • Elektrische Zahnbürsten, Rasierer und Haarschneider lassen sich oft nicht zerstörungsfrei öffnen, um die Akkus zu tauschen.
  • Schalter und Knöpfe an Haushaltsgeräten sind meist nicht als Ersatzteil erhältlich oder nur mit dem kompletten Bauteil, lassen sich oft aber per 3D-Druck nachbauen.

(bsc)