Nachwachsende Hochhäuser

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Wenn sie erst einmal an der Baustelle angekommen sind, entsteht aus den Komponenten in Windeseile ein Gebäude: Ein Team von fünf Arbeitern errichtete die Holzkonstruktion des LCT One in nur acht Tagen. "Sie schafften im Schnitt ein Stockwerk pro Tag", erzählt Dünser. Dennoch müssen die heutigen Bewohner auf nichts verzichten: Holz ist im Gegensatz zu Beton und Ziegeln ein guter Isolator – es reflektiert die Wärme im Raum und sorgt für angenehme Temperaturen. Nur bei den Deckenelementen ging es nicht ganz ohne Beton: Während ihre Unterseite aus Holz besteht, ist oben eine Betonschicht aufgebracht. Theoretisch hätte sich diese Hybridkonstruktion vermeiden lassen, aber das wäre unwirtschaftlich gewesen – Holz hält Druckbelastungen nicht so gut stand wie Beton, sodass die Planer sehr große Querschnitte gebraucht hätten. Zudem fordern die Bauvorschriften, dass sich zwischen den Geschossen immer eine Lage aus unbrennbarem Material befindet.

Brände seien aber ohnehin keine Gefahr, beruhigen die Konstrukteure des LCT One. Vor dem Bau hat Cree die Komponenten des Gebäudes ausgiebig getestet. "Dabei wurden beispielsweise komplette Deckenelemente mit Brennern von unten auf 1000 Grad erhitzt", berichtet Dünser. "Die Vorschriften verlangen, dass die Oberseite auch nach 90 Minuten höchstens 120 Grad warm wird – was wir problemlos nachweisen konnten."

Aus seiner Sicht widersteht Holz einem Feuer mindestens genauso gut wie Stahl oder Beton: "Holz brennt mit einer bekannten Rate von etwa 0,6 Millimetern pro Minute ab, was wir bei der Dimensionierung der Komponenten berücksichtigen können", so der Architekt. "Bei Stahl und Beton kommt es bei einem Brand hingegen zu einem plötzlichen Versagen der Struktur." So erhitzt das Feuer zum Beispiel Wasser, das im Beton gebunden ist – wird seine Temperatur zu hoch, sprengt der entstehende Wasserdampf Löcher in das Material und verringert so seine Tragfähigkeit. "Für die Menschen in den Büros ist der LCT One genauso sicher wie ein herkömmliches Gebäude", versichert Kurt Giselbrecht von der Brandverhütungsstelle Vorarlberg, der als Sachverständiger bei der Konzeption des Neubaus beteiligt war. "Bei einem Brand können sie es sicher und in kurzer Zeit verlassen. Ein Krankenhaus würde ich aber nicht aus Holz bauen, weil es deutlich länger dauern würde, die Patienten zu evakuieren."

Eine Klinik aber steht momentan bei Cree ohnehin nicht an. Zurzeit baut das Unternehmen eine gute Autostunde von Dornbirn entfernt in Vandans das neue Wasserkraft-Kompetenzzentrum der Vorarlberger Illwerke AG. Der Rohbau ist malerisch zwischen einem Berg und dem unteren Becken eines Pumpspeicherkraftwerks gelegen, und an ihm lässt sich der modulare Aufbau aus Fertigbauteilen noch gut erkennen: Die Außenwände der Bürofluchten bestehen wie in Dornbirn aus vorfabrizierten Elementen mit Fenstern und Holzstützen, auf die die Deckenelemente aus Holz und Beton aufgesteckt werden. Das "Illwerke Zentrum Montafon" (IZM) ist zwar nur 21 Meter hoch – dafür aber 120 Meter lang. Nach seinem Bezug im September 2013 soll es Büros für rund 270 Menschen bieten. "Das IZM wird eines der größten Bürogebäude Europas in Holzbauweise sein", so Zangerl. Ihm zufolge eignet sich der Holzbau aus Fertigteilen für 80 bis 90 Prozent aller Bürogebäude.

Aus Dünsers Sicht hätte die nachhaltige Bauweise sogar einen positiven Effekt auf die lokale Wirtschaft: Da die Wertschöpfung weitgehend in der Region bleibt, könnten die Bauern wieder von der Bewirtschaftung ihrer Wälder leben und sich mehr um den Baumbestand kümmern. "In der Vergangenheit haben sie die Fichten wegen des niedrigen Holzpreises einfach stehen lassen, bis sie alt waren", berichtet der begeisterte Skiwanderer.

Als Flaschenhals für die Errichtung der Holzhochhäuser dürfte sich daher nicht die Menge an Holz erweisen – eher schon der Mangel an gut ausgebildeten Architekten. "Es gibt nicht viele, die den Holzbau beherrschen", sagt Dünser. Das Problem sieht auch Tom Kaden vom Berliner Architekturbüro Kaden + Klingbeil, der den Holz-Siebengeschosser "e_3" geplant hat: "Nur wenige Universitäten wie die TU München haben eine gute Holzbau-Ausbildung." Aber wenn der Holz-Boom so weitergeht, wachsen die jungen Architekten vielleicht bald genauso schnell nach wie die Fichten in Vorarlberg. (bsc)