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Nationale Wasserstoffstrategie: Wasserstoff-Tanken ohne Wartezeit

Christoph M. Schwarzer

Im Praxistest hat der neue Toyota Mirai drei bis vier Minuten zum Volltanken gebraucht. Aufnahmen aus Kalifornien hatten aber den Eindruck erweckt, Wasserstoff-Tankstellen könnten nicht mehrere Autos hintereinander befüllen.

(Bild: H2 Mobility)

Könnten Wasserstoff-Tankstellen einen Massenansturm von Pkws bewältigen? Ja, sofern die Zapfanlagen technisch richtig dimensioniert sind.

Wasserstoff soll der Heilsbringer in der Energiewende werden. Was nicht direkt oder ausreichend bequem elektrifiziert werden kann, soll mit Wasserstoff angetrieben werden. Dementsprechend misst die deutsche Bundesregierung Wasserstoff eine bedeutende Rolle in der Dekarbonisierung der deutschen Wirtschaft zu. Unsere Artikelserie will die Pläne der Bundesregierung genauer unter die Lupe nehmen und konkrete Anwendungsbereiche – insbesondere im KFZ-Bereich – beleuchten. Was technisch möglich ist, soll auch auf Effizienz und Skalierbarkeit abgeklopft werden.

Mythbusting ist das Infragestellen oder Widerlegen von modernen Falscherzählungen. Befürworter der Elektromobilität sind permanent mit Aussagen konfrontiert, die stimmen können, aber allzu häufig der Fantasie entspringen: Das Spektrum reicht von feuergefährlichen Batterien bis zum schnellen Verschleiß derselben. Diese Vorhaltungen korrekt einzuordnen, ist eine mühselige Arbeit.

Ähnlich geht es jenen, die sich mit brennstoffzellen-elektrischen Fahrzeugen befassen. Auch hier kursieren Legenden von der Selbstentleerung der Wasserstofftanks bis zum extremen Platinbedarf. Doch die heutigen Drucktanks sind dichter als die von Benzin. In den 1990er-Jahren aber hat man mit tiefen Temperaturen experimentiert, und es kam zum Boil-off, also dem ungewollten Verdampfen. Das ist vorbei. Und der Edelmetalleinsatz bei einem Brennstoffzellen-Stack liegt ungefähr auf dem Niveau der Abgasnachbehandlung eines aktuellen Dieselmotors.

Eine der jüngeren Halbwahrheiten ist, dass brennstoffzellen-elektrische Autos das Versprechen auf schnelle Betankung nicht einhalten könnten. Der Vorgang an sich ist zwar in wenigen Minuten abgeschlossen. Aber die Zapfsäule könne nicht mehrere Pkw hintereinander bedienen, heißt es. Back-to-back-Fähigkeit ist der Fachbegriff in der Branche dafür. Aufnahmen aus Kalifornien, die eine Warteschlange von Toyota Mirai vor einer Wasserstoff-Tankstelle zeigen, sollen beweisen, dass es den Vorteil der Brennstoffzelle gar nicht gibt.

Die Wasserstoff-Zukunft

Einen Engpass gibt es nur, wenn Tankstellen falsch dimensioniert sind. Das ist bei halbwegs modernen Anlagen nicht mehr der Fall. In Deutschland gibt es angesichts der geringen Stückzahlen ohnehin kein Problem. Im Bild der Hyundai Nexo, der erste Toyota Mirai, der Mercedes GLC F-Cell sowie der Hyundai Clarity.

(Bild: H2 Mobility)

Die kurze Antwort lautet: Das stimmt so nicht unbedingt. Es kommt einzig auf die Auslegung der Tankstelle an. Die Situation an einzelnen Standorten in den USA für allgemeingültig zu erklären, wäre etwa so, als würde man eine Flotte ultraschnell-ladefähiger Hyundai Ioniq 5 auf die Autobahn schicken und hätte auf der Strecke nur einen 50 kW-Lader errichtet.

Die ausführliche Antwort ist etwas komplizierter. Welche Energiemenge in Form von Wasserstoff in welcher Zeiteinheit ins Elektroauto geliefert werden kann, ist die Folge der technischen Dimensionierung. Bei der Komprimierung des Gases auf 700 bar entsteht Wärme. Um die zulässige Temperatur von 85 Grad in den gebräuchlichen Typ 4-Drucktanks nicht zu überschreiten, muss der Wasserstoff vorab gekühlt werden. Alte Anlagen mit einem Aluminiumkälteblock können an Grenzen geraten, die allerdings in Deutschland mangels Nachfrage faktisch nie erreicht werden. Neue Anlagen mit Plattenwärmetauscher dagegen führen permanent ausreichend Wärme ab und haben diese Systemgrenze nicht. Von den gut 90 Standorten im Bestand haben über 50 einen Plattenwärmetauscher.

Für die Freischaltung einer H2-Zapfsäule gibt es nur eine einheitliche RFID-Karte. Immer mehr Standorte können zusätzlich durch die App H2.live freigeschaltet werden.

(Bild: H2 Mobility)

Außerdem muss der gasförmige Wasserstoff verdichtet werden. Ist die Leistung des Verdichters zu niedrig gewählt, kann eine Wartezeit entstehen. Auch das ist bei zeitgemäßen H2-Tankstellen nicht der Fall. Was besser werden muss und auch angestrebt wird, ist die Zusammensetzung des Wasserstoffs. 2020 kamen 42 Prozent des Gases aus Dampfreformierung, 28 Prozent sind grüner Wasserstoff zum Beispiel aus Elektrolyse, und 30 Prozent stammen aus Industrieanlagen, wo der Wasserstoff sonst ungenutzt abgefackelt werden würde.

Nutzfahrzeuge wie dieser Linienbus von Caetano Toyota sind so flexibel wie jene mit Dieselmotor. Mehrere Projekte koppeln Windkraftanlagen direkt mit einem Elektrolyseur und einer H2-Tankstelle.

(Bild: H2 Mobility)

Derzeit fahren nur ein paar Hundert brennstoffzellen-elektrische Pkw auf deutschen Straßen. Darunter die Mercedes B-Klasse und GLC F-Cell, der Huyndai Nexo und der Toyota Mirai, dessen zweite Generation bei Aussehen, Fahrwerk und Effizienz erheblich verbessert worden ist.

Nach der Interpretation von Volkswagen wird es im Pkw, anders als im Nutzfahrzeug, niemals brennstoffzellen-elektrische Antriebe geben. In Asien, also vorrangig in Südkorea, Japan und China, ist man davon nicht ganz so überzeugt und folgt mit Batterien und Brennstoffzellen konsequent einer doppelten Elektrifizierungsstrategie. Je größer das Fahrzeug und je weiter die Distanz, desto eher plädiert man für die Brennstoffzelle. Aus europäischer Sicht hat der brennstoffzellen-elektrische Antrieb nur unter der Voraussetzung eine Chance, dass Verbrennungsmotoren praktisch verboten werden, wenn es also entweder den politischen Zwang zu Nullemissionen am Auspuff gibt oder klimaneutrale e-Fuels niemals in signifikanten Mengen produziert werden.

Auch dieser Faun Mercedes hat einen Brennstoffzellen-Antrieb. Das Dogma, Wasserstoff dürfte nur in Lkw und Bussen genutzt werden, existiert nur in Deutschland und wird vom VW-Chef genährt.

(Bild: H2 Mobility)

Der Nutzungskomfort ist auf der Reise mit H2 schlicht höher als mit einem batterie-elektrischen Auto. Inzwischen bietet die von Beginn an hervorragende App H2.live an einigen Standorten eine Bezahlfunktion an. An anderen muss noch die einheitliche RFID-Karte vorgehalten werden. Die Warteschlangen vor kalifornischen H2-Tankstellen war nicht gestellt. Die Schlussfolgerung, eine mehrfache Back-to-Back-Betankung wäre deswegen unmöglich, ist trotzdem falsch. Es kommt wie so oft auf die technische Dimensionierung an, und die ist beim Wasserstoff leicht skalierbar.

(mfz [13])


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