Learning by Coding: Wie die Zukunft der IT-Ausbildung aussieht

Seite 3: "Der Trick ist einfach, dass die wahnsinnig aussortieren"

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Könnte so die Zukunft der IT-Ausbildung in Deutschland aussehen? Selbst organisiert, an Projekten orientiert, mit möglichst niedrigen Einstiegshürden? Jörn Loviscach, Professor an der Fachhochschule Bielefeld, hat Zweifel. Der ehemalige stellvertretende Chefredakteur von c’t unterrichtet mittlerweile Mathematik und Informatik für Ingenieurstudenten, hat mehrere tausend Youtube-Videos erstellt und fünf MOOCs (Massive Open Online Courses) konzipiert.

"Der Trick ist einfach, dass die wahnsinnig aussortieren", sagt Loviscach mit Blick auf 42. Das gelte auch für ähnliche Projekte wie die private "CODE University of Applied Sciences" in Berlin. "Wenn ich nur die Besten der Besten habe, kann ich das auch. Aber mit den durchschnittlichen Studierenden? Keine Chance. Die muss man eng betreuen – das ist vor allem eine Frage des Wollens und Durchhaltens."

Von der Idee, die Studierenden alles selbst organisiert lernen zu lassen, ist Loviscach wenig überzeugt. "Ohne Curriculum hat man riesengroße Löcher. Dann kopieren sich die Leute was aus Stackoverflow zusammen, haben aber keine Ahnung, wie der Code eigentlich funktioniert". Auch die These, dass Studierende in praktischen Projekten besser und schneller lernen würden, zieht er als "nicht hinreichend empirisch belegt" zumindest in Zweifel. "Sofort mit praktischen Projekten zu starten, heißt, die Studierenden in einen Dschungel zu werfen, in dem sie nicht wissen, was der Tiger ist und was die Vogelspinne. Das führt – wenn man nicht sehr gut damit umgehen kann – zu massivem ‚Cognitive Overload‘."

Antonio Krüger, Geschäftsführer des DFKI, ist dafür, auch Kinder schon für den Umgang mit KI vorzubereiten.

(Bild: Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz)

Kristian Kersting dagegen ist vom Nutzen der Projektarbeit schon eher überzeugt. "Die Leute denken immer, das was in der KI erforscht wird, ist zehn bis 20 Jahre weg von den Anwendungen. Das ist nicht der Fall", sagt Kersting. "Da gibt es ganz viel Empirie. Deswegen ist Projektarbeit ganz wichtig. So was wie Overfitting – da muss man einfach mal selbst reinlaufen, um zu verstehen, wo das Problem liegt", sagt Kersting. Übersetzt heißt das: Wer nur das Lehrbuch liest, kann leicht auf die Idee kommen, dass immer mehr Daten ein KI-Modell immer genauer machen. Doch in der Praxis verhält sich die Software oft anders – die Resultate werden ab einem bestimmten Punkt schlechter, nicht besser – je nachdem, wie die Daten aussehen.

Die KI-Ausbildung in Deutschland könne aber ohnehin nicht ausschließlich über die Universitäten laufen, sagt Kersting. "Wir haben ein Kooperationsprojekt mit Hochtief gemacht. Die haben 10.000 Mitarbeiter und gefragt, ob wir die nicht in Sachen KI ausbilden könnten", sagt Kersting. "Aber im Hörsaal geht das nicht. Das skaliert nicht. Ich habe im Moment kein Konzept dafür, aber es wird wohl eine Kombination aus Online- und Offline-Kursen zusammen mit Projekten."

Den Wissenstransfer zu Unternehmen hat auch Antonio Krüger, Geschäftsführer des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI) als zentrales Problem identifiziert. "Wir haben diese tollen mittelständischen Unternehmen mit hoher technischer Kompetenz, sagt Krüger. "Aber häufig sind die völlig entkoppelt von akademischer Entwicklung. Neues Wissen holen die sich normalerweise über neue Leute. Aber das geht nur mit permanenten Wachstum". Ein Ausweg bestünde darin, gemeinsame Projekte aufzusetzen, von denen sowohl die Forschung als auch die Unternehmen profitieren könnten.

"Wir haben so etwas zum Beispiel beim ‚federated learning‘ gemacht", sagt Krüger. Bei dieser Methode tauschen Roboter über spezielle Protokolle gewissermaßen Erfahrungen aus – wie zum Beispiel die Handhabung bestimmter Objekte am besten funktioniert. Die an diesem Projekt beteiligten Unternehmen erweitern dabei die Fähigkeiten ihrer Roboter – und die Forscher können an praktischen Beispielen ihre Methoden testen und verbessern.

Das allein werde aber nicht genügen, um Deutschland fit für die Zukunft zu machen, glaubt Krüger. Um junge Menschen darauf vorzubereiten, wie die Gesellschaft sich in Zukunft verändere, müsse man bereits an den Schulen ansetzen. "Der Fächer-Kanon in unseren Schulen ist noch immer wie vor 25 Jahren", kritisiert Krüger. Man müsse bereits in der Schule anfangen, die Kinder auf den Umgang mit KI vorzubereiten. "Tablets zu verteilen, wird nicht den großen Umschwung an technologischer Kompetenz bringen."

(lca)