"Niemand stürmt offen voran": Wie geht es mit dem digitalen Dollar weiter?

Seite 2: Eine Frage der Transaktionen pro Sekunde

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Die Weglassung von BFT und dezentraler Verwaltung hat ihre Vorteile. In Bitcoin macht die Nutzung beider Komponenten das System teuer und langsam – zum Teil, weil die Daten auf jedem Computer im Netzwerk repliziert werden müssen. Das Ergebnis ist, dass Bitcoin nur etwa sieben Transaktionen pro Sekunde verarbeiten kann. Anfang 2022 demonstrierte das Hamilton-Team eine Software, die 1,7 Millionen Transaktionen pro Sekunde verarbeiten kann – viel schneller als selbst das Visa-Netzwerk, das nach Angaben von Visa 65.000 Transaktionen pro Sekunde verarbeiten könnte. Wie Bitcoin verwendet auch Hamiltons Transaktionsprozessor kryptografische Signaturen zur Autorisierung von Zahlungen. Er verwendete auch die Bitcoin-Methode zur Aufzeichnung von Transaktionen, das so genannte UTXO-Modell (Unspent Transaction Outputs), das verhindert, dass jemand dieselbe Währungseinheit zweimal ausgibt. Die Details des UTXO-Modells sind kompliziert, aber es funktioniert, weil jede Transaktion auf die spezifischen Einheiten verweist, die ausgegeben werden.

Narula betont, dass das Projekt Hamilton ein "erster Schritt" war, um zu verstehen, wie ein CBDC gestaltet werden könnte. Das Team hat die Software als Open Source-Code zur Verfügung gestellt, damit andere Teams darauf aufbauen können. Man sprach sich jedoch nicht für bestimmte Designentscheidungen aus. Es gibt ein Spektrum möglicher CBDC-Designs, das von traditionellen Bankkonten, die die Fed direkt den Verbrauchern anbietet (derzeit bietet sie nur Konten für Banken an), bis hin zu etwas reicht, das wie ein "digitales Inhaberinstrument" aussieht, erklärte Narula. Hamilton demonstrierte nicht nur die Fähigkeit, viele Transaktionen zu verarbeiten, sondern zeigte auch, dass es möglich ist, ein System zu entwickeln, das nur sehr wenige Daten über Transaktionen, Benutzer und sogar ausstehende Salden speichern muss, wenn die Designer es wollen", sagte Narula. "Ein großes Missverständnis bei einer CBDC ist derzeit die Annahme, dass sie so aufgebaut sein müssen, dass derjenige, der sie betreibt, alles sehen kann."

Doch selbst ein Grundlagenforschungsprojekt wie Hamilton konnte sich dem Zorn von Politikern, die gegen CBDCs sind, nicht entziehen. Im Dezember letzten Jahres schickten Emmer und acht weitere Kongressabgeordnete einen Brief an den Präsidenten der Boston Fed, in dem sie argumentierten, dass die Interaktion zwischen dem Projekt Hamilton und dem Privatsektor nicht ausreichend transparent sei. Die Abgeordneten zitierten eine häufig gestellte Frage aus dem Projekt-Hamilton-Report, die besagt, dass die Fed mit "Regierungen, Hochschulen und dem Privatsektor" zusammenarbeitet, um "potenzielle Anwendungsfälle, eine Reihe von Gestaltungsoptionen und andere Überlegungen" im Zusammenhang mit einer CBDC "kennenzulernen".

In dem Schreiben wurden weitere Fragen aufgeworfen, u. a. ob die Bostoner Fed beabsichtige, Start-ups zu finanzieren, die an der Entwicklung von einer CBDC interessiert seien, und ob an dem Projekt beteiligte Unternehmen in der Lage sein könnten, "einen regulatorischen Vorteil gegenüber Wettbewerbern" aufzubauen. Emmers Büro hat nicht auf Fragen von MIT Technology Review geantwortet, ob man bereits eine Stellungnahme zu dem Brief erhalten hat. Klar ist: Die Federal Reserve investiert nicht in Start-ups. Und es ist auch nicht überraschend, dass Projekt Hamilton offen für Anregungen aus dem privaten Sektor war, da viele der innovativsten Ideen für digitale Währungstechnologien aus diesem kommen.

Zum Ende des Briefes wird gefragt, wie das Forschungsprojekt Bedenken bezüglich "finanzieller Privatsphäre und finanzieller Freiheit" in einem CBDC-System berücksichtigt. Tatsächlich sollte die im Hamilton-Forschungsbericht versprochene "Phase 2", die im Februar 2022 bekannt gemacht wurde, ausdrücklich die Erforschung des Einsatzes fortschrittlicher Kryptografiesysteme beinhalten, um "die Privatsphäre der Nutzer gegenüber der Zentralbank erheblich zu verbessern". Als das Projekt dann im Dezember eingestellt wurde, war in dem Statement keine Rede mehr von Phase 2.

Laut Darrell Duffie, Professor für Finanzwesen an der Stanford Graduate School of Business, hat die Fed, die sich nach Möglichkeit aus der Politik heraushalten möchte, ihre Arbeit an einer CBDC aber nicht eingestellt. Doch die Forschung hat sich erheblich verlangsamt. Und "niemand stürmt offen voran", wie es das Hamilton-Projekt tat, sagt er. Duffie spekuliert, dass der Brief Emmers damit zu tun hat.

Ein Sprecher der Boston Fed lehnte es ab, Fragen zu Phase 2 zu beantworten. "Das Projekt Hamilton wurde Ende 2022 abgeschlossen", heißt es in einer per E-Mail versendeten Erklärung. Er fügte hinzu, dass die Boston Fed "weiterhin zu den laufenden Forschungsarbeiten des Federal Reserve Systems beiträgt, die darauf abzielen, das Verständnis der Federal Reserve für die Technologie zu vertiefen, die die Ausgabe einer CBDC unterstützen könnte". Eine Entscheidung sei aber nicht gefallen und könne nur nach einem entsprechenden Gesetz erfolgen.

Laut Narula vom MIT hat die Zusammenarbeit mit der Bostoner Fed "ein natürliches Ende gefunden". Die Digital Currency Initiative setzt jedoch die Arbeit an dem Forschungsprojekt, das früher unter dem Namen Hamilton bekannt war, fort und hofft immer noch, einige dieser Ergebnisse zu veröffentlichen. "Der einzige Weg, diese Art von Systemen wirklich zu verstehen, besteht darin, sie zu bauen und zu testen", sagt sie.

Blickt man bezüglich einer Digitalwährung nach Europa, so sieht die Lage konkreter aus. Ende Juni veröffentlichte die EU-Kommission erstmals einen rechtlichen Rahmen für den digitalen Euro. Ihr geht es darum, eine Alternative zu bestehenden Angeboten privater Unternehmen. Man wolle die Möglichkeit bieten, mit einer "weithin akzeptierten, kostengünstigen, sicheren und widerstandsfähigen Form öffentlichen Geldes im Euro-Währungsgebiet digital bezahlen" zu können. Nach der Idee der Kommission soll frühestens ab 2028 ein digitaler Euro als gesetzliches Zahlungsmittel zur Verfügung stehen. Unterdessen sieht – laut einer Umfrage des Bundesverbands deutscher Banken (BdB) – die Mehrheit der Menschen in Deutschland eine solche Digitalwährung kritisch.

(jle)