Oldtimer 2023: Die Neuen mit H-Kennzeichen

Der Jahrgang 1993 wird zum Oldtimer und kann das H-Kennzeichen beantragen. Erstaunlich, welche Modelle reif dafür sind. Eine Auswahl der frischen Oldtimer.

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Porsche 911 Baureihe 993

(Bild: Porsche)

Lesezeit: 19 Min.
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Inhaltsverzeichnis

Vor 30 Jahren waren sich politisch und gesellschaftlich nachlassende Euphorie und Optimismus global durchaus nah. In Deutschland wurde Stück für Stück offensichtlich, wie schwierig das Zusammenwachsen war und vorerst auch bleiben würde. Enttäuschungen in dieser Tragweite kamen nicht überraschend, gingen ihnen doch riesige Erwartungen voraus.

Optimisten hofften, dass nach dem Ende des Kalten Krieges Staaten weniger Geld für Rüstung einplanen müssten. "Friedensdividende" war ein häufig genutztes Schlagwort dieser Tage. Unterfüttert wurde die Hoffnung unter anderem mit der Unterzeichnung des "START-II-Vertrags" in in Moskau und dem historischen Handschlag zwischen Jitzchak Rabin und Jassir Arafat in Washington.

In automobiler Hinsicht gab es einige interessante Neuerscheinungen. Das zweite BMW-3er-Cabrio zählt sicher dazu, auch die Wandlung vom Baby-Benz zur Mercedes C-Klasse zählt zu den Newcomern des Jahres 1993. Ganz neu war der TDI-Motor im VW Golf, der Rasanz und sensationelle Verbrauchswerte versprach. Dass ausgerechnet VW viele Jahre später in unersättlicher Gier dem Diesel das Grab schaufelt, hätte sich 1993 wohl keiner vorstellen können.

Pfiffig war die Neuinterpretation des Themas "Kleinwagen" aus Frankreich. Der Renault Twingo war bewusst günstig gehalten, mit seinem One-Box-Design und dem flexibel nutzbaren Innenraum aber konkurrenzlos. 30 Jahre später sind derart schlau konstruierte Kleinwagen Mangelware. Dass heute Autos das Straßenbild dominieren, die optisch eine Tauglichkeit für Fahrten abseits befestigter Straßen vorgaukeln, hätte damals vermutlich auch niemand gedacht. Unser Rückblick ist selektiv, nicht alle denkbaren Modelle haben wir aufgenommen. Der zweite Seat Ibiza fiel durch das Raster, der nur drei Jahre gebaute, rundliche Mitsubishi Galant (E50) ebenso.

Mit einem ungekannten Verhältnis zwischen Wumms und Sparsamkeit überzeugte der Golf III TD unzählige Käufer vom Diesel.

(Bild: Volkswagen)

Für heutige Verhältnisse unglaublich laut und rappelig trat der Diesel-Direkteinspritzer 1993 seinen Dienst im Golf an. Was folgte, was ein Siegeszug, der die Konkurrenz trotz des rauen Laufs zügig hinter sich ließ. Dabei war der Diesel, der seinen Kraftstoff unter hohem Druck direkt in die Brennkammer einspritzte, keine Erfindung des Jahres 1993. Fiat und Audi boten diese Technik schon Jahre vorher in einigen Modellen an. 202 Nm bei 1900/min und 66 kW in der Spitze klingen im aktuellen Kontext nicht üppig, vor 30 Jahren aber war das aber ausreichend für vergleichsweise feurige Fahrleistungen.

Für einen Kompakten bot der Golf ein gut aufgeräumtes Armaturenbrett mit einem schön hoch angebrachten Radio.

(Bild: Volkswagen)

Die meisten Autos dieser Klasse waren mit rund 55 kW unterwegs, selbst ein 66-kW-Golf-Benziner bot nur 145 Nm, die auch noch etwas später anlagen. Der Golf TDI fühlte sich im Vergleich wuchtig an, dass die Party oberhalb von 3500/min fast schon wieder vorbei war, störte nicht. Der Diesel bot dort Leistung, wo die meisten Fahrer sich ohnehin meistens aufhalten: Im unteren und mittleren Drehzahlbereich.

Dazu kamen für damalige Verhältnisse sensationelle Verbrauchswerte. Mit etwas Bedacht gefahren, waren im Golf TDI weniger als fünf Liter auf 100 km kein Problem. Drastisch weniger ist es heute in dieser Klasse auch nicht. Die Glanzzeiten des TDI sind allerdings vorbei, und Volkswagen hat mit seinem Betrug bei Abgaswerten dazu heftig beigetragen. Von einst fast 50 Prozent Marktanteil blieben in diesem Jahr knapp 19 übrig. Tendenz weiter fallend.

Die Qualitäten des Twingo brachte Renault erst mit der Zeit zum Leuchten. Die ersten Exemplare bekommen zwar schon ein H-Kennzeichen, doch empfehlenswerter sind etwas spätere Baujahre.

(Bild: Renault)

Ein Faible für schlaue Kleinwagen hatten die Franzosen schon vor dem Renault Twingo, doch hier brachten sie einige ungewöhnliche Ideen zusammen. Das One-Box-Design maximierte das Platzangebot, mit der verschiebbaren Rückbank ließ es sich ungewöhnlich variabel nutzen. Im Lastenheft stand ein niedriger Preis recht weit oben, was auch zu spüren ist: Alles war gerade zu Beginn einfach ausgekleidet, die kleinen weichen Sitze eher unbequem, der Motor veraltet. Die Fahrfreude schränkt das hier jedoch weniger ein als anderswo, denn das Konzept des pfiffigen Kleinwagens ist trotzdem in sich schlüssig.

Der zentrale Tacho war damals neu.

(Bild: Renault)

Renault besserte über die Jahre nach: rasch wurde die anfangs bescheidene passive Sicherheit verbessert, etwas später dann Rostvorsorge und die Motoren. Es ist daher empfehlenswert, sich bei Interesse auf die Modelle nach Baujahr 2000 zu konzentrieren, die qualitativ besser sind. Reizvollstes Extra ist das riesige Faltschiebedach, vom automatisierten Schaltgetriebe "Quickshift" sollte man dagegen eher die Finger lassen. Gute Exemplare werden ab etwa 2500 Euro gehandelt, doch sie sind rar. Denn meistens wurde dem Zwerg bei der Wartung nicht viel Liebe entgegengebracht.

Die zweite Generation des Corsa brachte einen Modernisierungsschub. Gute Exemplare sind heute rar, der Kleinwagen wurde von Anfängern gnadenlos aufgebraucht, übrige Exemplare haben meist Rost angesetzt.

(Bild: Opel )

Über Nacht legt der Opel Corsa alles Steife und Eckige ab. Das rundliche Design wurde von einem Japaner gezeichnet und kam sehr gut an. VW Polo und Ford Fiesta in damaliger Ausführung wirken auf einen Schlag arg gealtert. Mehr Komfort und Sicherheit als in diesem Segment üblich, dazu eine passable Verarbeitung und ein breites Motorenangebot: Das Paket überzeugte viele Kunden.

Die Kehrseite der neuen Welt sei nicht verschwiegen: Die Basismaschine mit 33 kW war im Vorgänger halbwegs okay, im deutlich schwereren Nachfolger war das eine sehr zähe Kombination. Etwas besser schlägt sich der 1,4-Liter-Benziner mit 44 kW. Stärkere Motoren gab es, doch kaum ein Kunde griff zu. Wer sich heute für den zweiten Corsa interessiert, muss vor allem auf Rost achten, denn diese Auflage wurde in eine Zeit geboren, die bei Opel in dieser Hinsicht zu den finstersten gehört.

Der Name war Programm: Der Mondeo sollte ein Weltauto werden. Mondän wurde er nie.

(Bild: Ford )

Es sollte ein Weltauto werden, ein Modell also, das global viele Kunden anspricht. Herausgekommen ist ein beliebiges Design und damit eher kein markanter Hingucker. Doch der erste Mondeo bekam zumindest ein ordentliches Fahrwerk mit auf den Weg. Überzeugend war auch das gute Platzangebot. Die Motoren hatte Ford zusammen mit Yamaha entwickelt, wobei weder Leistungsentfaltung noch Verbrauch oder Laufkultur neue Bestmarken setzten. Dafür erwiesen sie sich als recht haltbar.

Trotz all seiner Schwächen verkaufte sich der Mondeo ordentlich. Ein paar Jahre später rückte Ford vom Konzept des Weltautos wieder ab und verpasst dem braven Mittelklässer eine Front, die ihn vor möglichen Verwechslungen mit Konkurrenten bewahrte. Der Preis dafür war ein Gesicht, das mit "eigenwillig" freundlich umschrieben ist. Der Mondeo hatte allerdings das Glück, im Verkaufsraum neben dem Scorpio stehen zu dürfen. Den hatte ein Designer derart ins Abseits geformt, dass es nicht schwerfiel, neben ihm als verträglich durchzugehen.

Mit einem spät lancierten Konkurrenzmodell die Wettbewerber aufrollen – so machte es Volkswagen schon damals nicht selten. Der Golf Variant überzeugte vor allem mit Pragmatismus.

(Bild: Volkswagen )

Opel und Ford waren schon seit Jahrzehnten mit kompakten Kombis erfolgreich, als VW 1993 dem Drängen der Kunden endlich nachgab und einen Golf Variant in die Schauräume stellte. Wenig verwunderlich wurde das Auto sofort ein Bestseller. Geschätzt wurde er für seine praktischen Fähigkeiten, eine liebevolle Behandlung wurde ihm nur selten zuteil.

Motorisiert war der Golf mit "Happy End", wie die Werbung tönte, meist ebenso pragmatisch. Fast alle Käufer beließen es bei Motoren diesseits der 100 PS, besonders gefragt war auch hier der TDI. Wer wollte, konnte diesen Variant allerdings auch mit Pfeffer bestellen, denn ab 1994 gab es ihn auch mit einem 2,9-Liter-VR6, der immerhin 190 PS ins Rennen warf und damit ausreichend gerüstet war, die meisten BMW 3er hinter sich zu lassen. Das allerdings wollten im pragmatischen Golf Variant dann doch nicht allzu viele Kunden.

Die gemütliche Fortbewegung konnte durch Komfort-Zubehör unterstützt werden, nur das stramme Fahrwerk passte nie ganz dazu.

(Bild: Mercedes)

Ein Mercedes, der großflächig mit dem Preis des Basismodells beworben wird: Mit der ersten C-Klasse ging die Marke neue Wege. Vier Ausstattungslinien, darunter die farbenfrohe Esprit-Version samt einem für Mercedes-Verhältnisse stramm abgestimmten Fahrwerks sollte die Kundeschaft verjüngen. Die ließ sich tatsächlich darauf ein.

Sie orderte vorrangig den kleinsten Benziner, der bald als Zäh-180 verspottet wurde. Sein Erfolg beruhte auf zwei soliden Säulen: Die nächsten Stufen im Sortiment – C200 und C220 – waren ebenfalls keine Dynamiker, der Unterschied zum C180 also nicht epochal. Zudem formulierte Mercedes für etwas mehr Hubraum wahrlich ambitionierte Preisdifferenzen zwischen den Modellen. Den stattlichen Mehrpreis sparten sich viel Käufer bzw. stecken ihn stattdessen in Extras wie Klimaanlage, Schiebedach oder Automatik. Gerade letzteres ist auch gebraucht sehr zu empfehlen, stärkt es doch den Charakter der C-Klasse nachhaltig.

Mit dem Peugeot 306 zeigte sich ein gelungener Vertreter der für die Zeit typischen ruhigen Gestaltung mit übersichtlich großen Fensterflächen.

(Bild: Peugeot )

Jahrelang hatte Peugeot mit ansehen müssen, wie der 205 von einem Erfolg zum nächsten flog – und der formal ähnliche 309 dem nicht einmal ansatzweise folgen konnte. Mit dem 306 sollte alles anders werden. Formatfüllend wurde versucht, ihn als "Der Rivale" im Gedächtnis zu verankern. Das zierlich anmutende Auto hatte mehr Erfolg als der Vorgänger, doch das heißt nicht viel.

Erstaunlicherweise ließ sich Peugeot bis zum 1997er-Facelift Zeit, den 306 auch als Kombi anzubieten. Offenbar war man bei der ursprünglichen Konzeption davon ausgegangen, darauf verzichten zu können. Kurz nach der Vorstellung der Limousine folgte ein bildschönes Cabrio. Bügelfrei und mit flacher Linie zeigt es eine zeitlose Eleganz, die schon damals herausragend war. Angesichts der pummeligen, aktuellen Auto-Mode wird deutlich, wie sehr sich die Geschmäcker verändert haben müssen.

Der letzte luftgekühlte Porsche ist schon längst ein Liebhabermodell.

(Bild: Porsche )

Nicht nur unter Porschefans hat sich herumgesprochen, dass der 993 der letzte und beste luftgekühlte 911 war. Deshalb werden leider auch Liebhaberpreise für ihn bezahlt. Unter 80.000 Euro sind gute Exemplare kaum mehr zu finden. Mit der Präsentation seines ungeliebten Nachfolgers erhielten die 993-Preise sogar noch einen Schub.

Mit 272 bzw 286 PS und Sechsgangschaltgetriebe fährt sich der 993 deutlich geschliffener als sein Vorgänger. Mit keinem luftgekühlten Elfer kann man angenehmer reisen. Die Materialqualität erreicht auch ihren Zenit. Leider war in dieser Hinsicht der 996 auch ein Rückschritt. Wer den 993 am ungefiltertsten genießen möchte, sollte zu einem handgeschalteten Basis-Carrera mit Heckantrieb greifen.

Viel Platz und tolle Motoren machen den Volvo 850 auch heute noch attraktiv. Als Kombi kam er erst 1993.

(Bild: Volvo )

Erst rund zwei Jahre nach der Limousine kam 1993 der Volvo 850 als Kombi heraus. Das Obermittelklasse-Auto mit Frontantrieb und der Option auf Allrad war mit Fünfzylinder-Ottomotoren zwischen zwei und 2,5 Litern Hubraum und Leistungen zwischen 93 und 184 kW bestückt und auch mit einem 2,5-Liter-Diesel mit fünf Zylindern und 103 kW erhältlich. Neu war der Quereinbau des langen Motors, was nur dank einer Neukonstruktion von Vorderradaufhängung und Getriebe möglich war. Doch auch die hintere Einzelradaufhängung barg neue konstruktive Ideen.

Die Fünfzylinder baute Volvo quer ein.

(Bild: Volvo )

Ebenfalls eine Premiere war der Einsatz von vier vorderen Airbags – zwei weitere saßen in den Lehnen. Der 850 ist der letzte "echte" Volvo, bevor die Marke 1999 ihre Unabhängigkeit verlor und an Ford überging. Zum Teil war der 850er daran Mitschuld, denn seine Entwicklung sollte zum technischen Gleichstand mit vergleichbaren Modellen von Mercedes und Audi führen, was Volvo viel Geld kostete.

Die Baureihe repräsentiert den kantigen Stil der Marke noch in Reinform, was die verbliebenen Exemplare in Verbindung mit den emotional tönenden Reihen-Fünfern zu gesuchten Youngtimern macht. Der Kombi ergänzt die Vorteile der Baureihe um einen damals wie heute praktischen Laderaum, was ihn – besonders als Allradmodell – besonders begehrt macht.

Sechs Sitze auf 3,3 Metern Länge – das war der Subaru Libero.

(Bild: Florian Pillau)

Der Frontlenker-Mikrobus im Format eines japanischen Kei-Car kam Ende 1993 in neuer Generation nach Deutschland. "Frontlenker"? "Kei Car"? Höchstens 3,3 Meter lang, einen Meter vierzig breit und nicht stärker als 64 PS, das waren 1990 die wichtigsten Eckdaten für diese japanische Fahrzeugklasse. Im Libero aber auch: Sechs Sitze!

Mit den Beschränkungen gehen in Japan deutlich verringerte Steuern, Maut und Parkkosten einher, zudem befreit es einen von der Nachweispflicht eines eigenen PKW-Stellplatzes. Da liegt es auf der Hand, die kleine Verkehrsfläche durch mehr umbauten Raum nach oben zu nutzen. Eine Motorhaube ist da reine Platzverschwendung. Wer also mehr als vier Passagiere oder nennenswert Ladung transportieren muss, ist mit einem Frontlenkerauto am besten bedient. Und dann ergibt plötzlich ein japanisches Konzept auch im deutschen Stadtverkehr eine Menge Sinn.