Pharmafirmen heben Gen-Schatz

In der Genetik bricht endgültig die Ära von Big Data an.

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Von
  • Antonio Regalado

Schon jetzt gilt die britische Biobank mit ihren DNA-Proben von 500000 Freiwilligen als wahre Fundgrube. Denn zusätzlich zum Erbmaterial macht sie Forschern aus aller Welt medizinische Akten, Testergebnisse und sogar psychologische Bewertungen zugänglich.

Nun soll die Sammlung noch wertvoller werden. Denn die Pharmafirmen AbbVie, Alnylam Pharmaceuticals, AstraZeneca, Biogen und Pfizer haben sich mit Regeneron Pharmaceuticals zusammengeschlossen, um bis Ende 2019 das eingelagerte genetische Material zu entschlüsseln. Regeneron übernimmt das Sequenzieren, während sich die anderen Konzerne mit je zehn Millionen Dollar an den Kosten beteiligen. Anschließend darf das Konsortium die Daten zwölf Monate exklusiv nutzen, bis sie allen Forschern frei zur Verfügung stehen.

Das Übereinkommen zeigt, wie weit Großbritannien auf dem Feld der Precision Medicine vor den USA liegt. 2015 startete die US-Gesundheitsbehörde National Institutes of Health zwar ihre eigene Initiative, die inzwischen unter dem Titel "All of Us" firmiert. Nach Angaben der Amerikaner hat die Studie jedoch bisher nur etwas mehr als 10000 Menschen rekrutiert. DNA-Analysen sollen erst in diesem Frühjahr starten.

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Großbritannien hingegen zeigte bereits im Juli 2017, was mit derartigen Informationen möglich ist. Die Biobank stellte in einer ersten großen Veröffentlichung anonymisierte Daten bereit. Mit einem Mausklick können Forscher seither die genetische Basis von Krankheiten wie Diabetes untersuchen, aber auch Zusammenhänge herstellen, etwa zu Fernsehgewohnheiten.

In Zukunft sollen weit umfangreichere Einblicke möglich sein. Das in Tarrytown im Bundesstaat New York ansässige Unternehmen Regeneron wird für die UK Biobank jene Genabschnitte der Spender entschlüsseln, die für die Bildung von Eiweißen verantwortlich sind. Dieses sogenannte Whole Exome Sequencing bedeutet zwar, dass nicht das komplette Genom entschlüsselt wird.

Trotzdem umfasst die Analyse sämtliche für die Medikamentenentwickler wichtigen Abschnitte. Treten an diesen Stellen Fehler auf, kann das zu gesundheitlichen Problemen führen. Die vervollständigte Datenbank wird es daher einfacher machen, seltene genetische Varianten zu finden, auf deren Basis neue Arzneien entstehen können.

Regeneron hat auf diesem Weg bereits die Arznei Praluent gegen einen zu hohen Cholesterinspiegel im Blut auf den Markt gebracht. Dabei profitierte die Firma von einer Zufallsentdeckung: Forscher hatten festgestellt, dass Menschen ohne funktionierende Version des Gens PCSK9 äußerst niedrige Cholesterinwerte haben. Diesen Effekt ahmt das 2015 zugelassene Praluent nun nach.

Solche Glücksfälle sollen zur Routine werden, wenn erst die Daten von Hunderttausenden Menschen vorliegen. Regeneron-Geschäftsführer George Yancopoulos ist überzeugt, dass Tausende ähnliche Fälle im Genom existieren. "Wir denken, das wird die Wissenschaft beschleunigen." (bsc)