Post aus Japan: Fortschritt für den Rückbau

Tokios Stromversorger hat erstmals einen genaueren Blick in einen der Reaktoren des havarierten Atomkraftwerks Fukushima 1 werfen können. Als Auge diente ein neu entwickelter Roboter – der prompt steckenblieb.

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Von
  • Martin Kölling

Tokios Stromversorger hat erstmals einen genaueren Blick in einen der Reaktoren des havarierten Atomkraftwerks Fukushima 1 werfen können. Als Auge diente ein neu entwickelter Roboter – der prompt steckenblieb.

Japan probiert mit Elektronik seit jeher alles Mögliche aus – und oft auch das Unmögliche. Jeden Donnerstag berichtet unser Autor Martin Kölling an dieser Stelle über die neuesten Trends.

Japans Atomexperten haben einen Traum. Sie wollen das havarierte Atomkraftwerk Fukushima 1 mit seinen drei geschmolzenen Reaktorkernen nicht wie die strahlenden Ruinen in Tschernobyl mit einem Betonsarg großräumig von der Außenwelt absiegeln. Nein, die Meiler sollen abgetragen werden – und dies möglich rückstandsfrei.

Die Atomlobby ist fasziniert von der Idee. "Dies ist eine Herausforderung, der noch niemand in der Welt gegenüberstand", meint Dale Klein, ehemaliger Chef der US-Atomaufsicht und derzeit im Nebenjob Vorsitzender des Überwachungsausschuss für nukleare Reform beim Betreiber der Atomruinen, dem Tokioter Stromversorger Tepco. Das Problem: "Die notwendigen Technologien dafür müssen noch entwickelt werden", sagt Klein.

Einen ersten Schritt auf dem langen Weg zum Rückbaus hat Tepco dabei vorige Woche getan. Das Team stieß mit einem von Hitachis Atomsparte Hitachi-GE Nuclear Energy entwickeltem Roboter in das Innere des Reaktorbehälters von Meiler 1 vor und schauten sich dort um. Durch ein Wasserrohr wurde das schlangenähnliche Gerät in den Reaktor geschickt. Die Bilder der Zerstörung, die diese Woche im Fernsehen gezeigt wurden, waren eindrucksvoll.

Auf einem Gitter im Behälter lagen faustgroße Betontrümmer. Wasserdampf stieg vom Boden des Behälters auf, wo irgendwo der geschmolzene Kernbrennstoff vermutet wird. Die gemessene Strahlung betrug bis zu 9,7 Sievert die Stunde, deutlich weniger, als Tepco erwartet hatte, aber immer noch genug, um einen Menschen innerhalb von 40 Minuten zu töten. Die Temperatur lag um die 20 Grad Celsius. Aber immerhin war ein Zugang frei, durch den Tepco später in den unteren Teil des Reaktorbehälters gelangen will.

Das Ziel der Übung: Langfristig will Tepco mit dem Roboter herausfinden, wo sich der geschmolzene Kernbrennstoff derzeit überhaupt befindet. Denn ganz genau weiß niemand, ob er noch am Boden des Schutzbehälters vor sich hin strahlt oder wieviel sich in den Beton des Reaktors gefressen hat.

Kurzfristig wurde Tepco durch den Einsatz nicht schlauer. Aber das war auch nicht geplant. Denn der Roboter ist noch in Entwicklung und daher noch nicht wasserdicht. Eine abgedichtete Version soll bis zum März kommenden Jahres fertig gestellt werden, um dann in die mit Kühlwasser gefluteten Bereiche vorzustoßen.

Doch eine Hiobsbotschaft zeigte, dass schon der Zeitplan für die Spähmission keineswegs sicher ist, von dem Zeitrahmen für die Dekommissionierung des verseuchten AKWs ganz zu schweigen. Der Roboter vollendete die geplante halbe Runde im Behälter nicht, sondern blieb nach zehn Metern stecken. Tepco konnte ihn nicht mehr befreien, kappte die Verbindungskabel und cancelte einen weiteren Test, der für Montag geplant war.

Ob es den Japaner gelingen wird, ihren Traum vom Rückbau zu verwirklichen, ist bei den Schwierigkeiten in den Atomruinen von Fukushima eine Glaubensfrage. US-Experte Klein gesteht zwar zu, dass die Japaner es viel schwerer haben als die Amerikaner bei ihrem Atomunfall in Three-Miles-Island. Damals sei der Brennstoff im Reaktorbehälter geblieben und konnte mit fernbedienten mechanischen Mittel beseitigt werden, erinnert sich Klein. Diesen Luxus haben die Japaner wohl nicht. Aber er glaubt an den Erfindungsreichtum der Menschheit, besonders derer mit japanischem Pass. "Aber ich denke nicht, dass die Herausforderungen unüberwindbar sind", sagt Klein. Ein Grund ist die Stärke der Japaner in der Roboterentwicklung. Zu guter Letzt sein optimistischer Schlussgedanke: "Eine Lösung wie in Tschernobyl steht außer Frage." ()