Potsdamer Studie: Wer abnimmt, geht weniger Risiken ein

Dass Ernährung und Psyche miteinander in Verbindung stehen, ist weitläufig bekannt. Am Deutschen Institut für Ernährungsforschung wurde das nun näher belegt.

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Mann mit großem Bauch

Mann mit großem Bauch.

(Bild: Vahagn Mkrtchyan / Shutterstock)

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Wer Alkohol oder bestimmte Drogen konsumiert, agiert ungehemmter. Dass auch der körperliche Zustand eines Menschen Auswirkungen auf sein Risikoverhalten hat, ist seit einigen Jahren bekannt. Krankhaftes Übergewicht hat Auswirkungen auf den Stoffwechsel und schließlich auch die Psyche. Das haben Wissenschaftler am Deutschen Institut für Ernährungsforschung (DIfE) in Potsdam-Rehbrücke nun gezeigt.

Dazu prüften sie an einer Gruppe von 62 Probanden im Alter von 18 bis 75, die eine schwere Adipositas hatten, das Risikoverhalten vor und nach einer insgesamt zehn Wochen andauernden Diät mit Kalorienrestriktion auf täglich 800 Kilokalorien. Die Forscher maßen dann sowohl Gewicht und Körperfettanteil als auch allgemeine Stimmung sowie – über einen computergeschützten Test – die jeweilige persönliche Risikobereitschaft. Die Hyptohese: Der Glukosestoffwechsel und die Stimmung seien bei Menschen mit starkem Übergewicht beeinträchtigt und somit sind keine zuverlässigen Signalgeber mehr für Entscheidungen.

Die zehn Wochen Diät führten zu einer deutlichen Reduktion des Body-Mass-Index (BMI) bei gleichzeitigem starkem Gewichtsverlust und bei den meisten Probanden zu einer verbesserten Stimmung. Nach der Gewichtsabnahme neigten die Probanden zu risikovermeidenden Entscheidungen. Es zeigte sich zudem, dass der Marker HbA1c für den Glukosestoffwechsel ein wichtiger Indikator ist. Die Studie erschien in Clinical Nutrition.

"Unsere Ergebnisse haben zudem gezeigt, dass der metabolische Faktor HbA1c nach dem Gewichtsverlust zum führenden Vorhersageparameter für die Risikobereitschaft wird", erklärte Beatrix Keweloh, die Erstautorin der Studie. Auch die Stimmung hatte weniger Einfluss auf das Risikoverhalten. Die Teilnehmenden seien hinsichtlich ihres Risikoverhaltens also stärker von metabolischen Signalen beeinflusst als von emotionalen. Das dürfte jeder kennen, der weiß, wie sich die Stimmung nach der Direktzufuhr von stark kohlenhydratreichen Lebensmitteln verändert. "Wir haben gezeigt, dass sich ein Gewichtsverlust positiv auf den Glukosestoffwechsel und auf die Stimmung auswirkt und insbesondere die Funktion des Glukosestoffwechsels als Steuerungssignal wiederhergestellt werden konnte", sagte Keweloh.

Ein weiteres Problem besteht darin, was genau wir essen. Zum World Brain Health Day 2024, der im Juli stattfand, warnten Deutsche Hirnstiftung (DH) und Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) vor den Auswirkungen von zu viel Zucker auf das Gehirn.

Denn der Energiespeicher könne sich in eine "neurotoxische Substanz" verwandeln, wenn der Blutzuckerspiegel dauerhaft erhöht ist. "Durch zu viele und zu üppige Mahlzeiten und durch das ständige Naschen und 'Snacken' nebenbei bringen wir das Fass zum Überlaufen und befeuern die Entstehung von neurologischen Krankheiten, allem voran auch von Demenz und Schlaganfällen", so Prof. Dr. Frank Erbguth, Präsident der DH.

Zum einen schädige ein hoher Blutzuckerspiegel Hirngefäße und könne zu Ablagerungen führen, was die Versorgung der Gehirnzellen mit Nährstoffen drossele. Schlimmstenfalls führe das zu vaskulärer Demenz. Komplexe Zuckermoleküle könnten aber auch direkt die Kognition einschränken. Studien haben demnach gezeigt, dass sogenannte Glykosaminoglykane die Synapsenfunktion beeinträchtigen können und damit die Gehirnplastizität beeinträchtigt. Schließlich führt auch eine ernährungsbedingte Typ-2-Diabetes zu einem erhöhten Risiko von Demenz.

DGN und DH raten deshalb zu einem "bewussten, möglichst geringen" Zuckerkonsum. Das Problem dabei ist, dass schon eine kleine Zuckermenge im Darm den Körper anregt, nach mehr zu verlangen – über eine Stimulation des Vagusnervs. "Das könnte der Grund dafür sein, dass manche nach einem Stück Schokolade schnell mal die ganze Tafel aufgegessen haben." Hinzu kommen Wohlfühleffekte durch Dopamin, was eine Art Sucht auslösen kann. Nur ein weitgehender Verzicht könne diesen "Teufelskreis" stoppen, meint Erbguth. Laut DGN könnten "viele" der vermeidbaren Demenzfälle und Schlaganfälle "auf das Konto von Industriezucker" gehen.

(bsc)