Programme und Positionen zur Bundestagswahl 2013: Die FDP

Der fünfte Teil unserer Reihe zur Bundestagswahl widmet sich der FDP. Die Liberalen treten unter anderem für starke Bürgerrechte ein – mit klarem Nein zur Vorratsdatenspeicherung und klarem Ja zum Recht auf Privatkopie.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Detlef Borchers

Die FDP nennt ihr 101 Seiten starkes Wahlprogramm ein Bürgerprogramm, weil es neben den Parteisitzungen auch in der Internetdebatte von Meine Freiheit entwickelt wurde. Das offizielle Motto der Partei ist "Damit Deutschland stark bleibt". Im Bürgerprogramm überwiegen die Wirtschafts- und Steuerthemen, die IT wird überwiegend im Kapitel "Grundrechte in der digitalen Welt" abgehandelt, in dem sich die FDP als Bürgerrechtspartei darstellt.

Für eine Partei vom liberalen Zuschnitt der FDP überrascht, wie häufig "Träume" in ihrem Wahlprogramm auftauchen. Menschen verfolgen ihre Träume, Startups haben Träume, auch Regionen träumen. Programmatisch heißt es im Bekenntnis zum Fortschritt: "Träume und Ideen sind der Rohstoff, aus dem wir unseren Wohlstand gewonnen haben. " Jedes Kapitel des Programmes leitet mit den Erfolgen der Partei ein, die in der abgelaufenen Legislaturperiode erzielt wurden und geht dann in einen Forderungskatalog über.

Einige Themen sind weniger mit Forderungen verbunden, sondern sollen liberales Denken vermitteln. So heißt es etwa zur Ablehnung des EU-Forschungsprogrammes INDECT: "Für Liberale ist es ausgeschlossen, dass Algorithmen darüber bestimmen sollen, was „normales Verhalten“ in einer Gesellschaft ist und was nicht und dass an dieses „statistische Normalitätsverständnis“ Eingriffe in die Freiheit geknüpft werden."

Ablehnung der Vorratsdatenspeicherung ist ein zentrales Anliegen der FDP.

Überwachung, Sicherheit und Netzpolitik im Allgemeinen

Netzpolitik ist für die FDP vor allem an Grundrechtsfragen ausgerichtet, in der Absicht, dem "Stakkato von immer neueren Sicherheitsgesetzen" Einhalt zu gebieten. Im Bürgerprogramm wird als besonderer Verdienst der Partei hervorgehoben, das "Netzsperren" verhindert wurden und der Grundsatz "Löschen statt Sperren" eingehalten wurde. Ebenso habe man ELENA und die anlasslose Speicherung von Kommunikationsdaten verhindert.

Die ablehnende Haltung zur Vorratsdatenspeicherung ist ein zentrales Thema des Bürgerprogrammes: "Wir lehnen weiterhin die anlasslose Vorratsdatenspeicherung ab. Die Menschen in Deutschland dürfen nicht pauschal unter Verdacht gestellt und ohne Anlass beim mobilen Telefonieren, Versenden von SMS-Nachrichten oder Surfen im Internet überwacht werden. Deutschland ist auch ohne Vorratsdatenspeicherung ein sicheres Land." Anstelle der Vorratsdatenspeicherung nennt das Bürgerprogramm einen Eingriff in Einzelfällen bei konkreten Verdachtsmomenten, das in der politischen Debatte auch als Quick Freeze bekannt wurde.

Auch auf europäischer Ebene kündigt die FDP ihren Widerstand an und setzt ihre Hoffnungen auf ein Grundsatzurteil des europäischen Gerichtshofes zur Unvereinbarkeit dieser Massendatenspeicherung mit der Europäischen Grundrechtecharta. Doch damit nicht genug: "Jede Forderung nach einer Verschärfung der europäischen Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung, etwa auf Kommunikationsdaten aus sozialen Netzwerken, wie derzeit von der EU-Kommission angedacht, wird auf unseren Widerstand in Deutschland und Europa treffen."

Auch die Speicherung von Fluggastdaten und umfassende Erfassung von Grenzübertritten wird strikt abgelehnt, ebenso wie die Online-Durchsuchung. Sie sei ein viel zu weit reichender Eingriff in die Grundrechte, weil praktisch jeder Lebensbereich eines Betroffenen ausgeleuchtet werde. Auf einen "Prüfstand" sollen gleich mehrere Verfahren kommen: die Datei "Gewalttäter Sport", die Funkzellenabfrage, die automatisierte Kontenabfrage, der große Lauschangriff, das BKA-Gesetz und der Einsatz von RFID-Chips in Waren, sofern diese nicht an der Kasse deaktiviert werden.

In der Frage der IT-Sicherheit unterscheidet sich die FDP deutlich von den übrigen Parteien. Zwar sehe man die Notwendigkeit, Deutschland vor IT-Angriffen zu schützen, aber "IT-Sicherheit kann nicht zuvörderst der Staat gewährleisten, sondern liegt in der Verantwortung der Unternehmen, Nutzer und Provider." Man sehe vor allem die Wirtschaft in der Verantwortung, die deutsche Informationsgesellschaft durch Investitionen in die IT-Sicherheit zu schützen.

Bei der Verwendung von Nutzerdaten soll es nach dem Willen der FDP eine "rote Linie für soziale Netzwerke" geben.

Privatwirtschaftlicher Datenschutz, Umgang mit Informationssammlungen von Facebook, Google & Co.

Die FDP möchte den Datenschutz generell neu ausrichten und das Amt des Bundesbeauftragten für den Datenschutz im Justizministerium unterbringen. Sie plädiert für eine "rote Linie für soziale Netzwerke", wenn diese Verhaltens-, Nutzungs- oder Bewegungsprofile erstellen oder schwerwiegende Beeinträchtigungen des Persönlichkeitsrechts beobachtet werden können. Im bundesdeutschen Recht sieht die FDP eine schwerwiegende Straflücke und möchte ein Gesetz gegen "Datenhehlerei" realisieren, mit dem die unbefugte Verwendung von Daten und die Weitergabe rechtswidrig erlangter Daten bestraft werden kann.

Die Liberalen treten für ein Bürgerrecht auf die Privatkopie ein und lehnen "Three-Strikes" gegen Raubkopierer ab.

Weiterentwicklung und Durchsetzung des Urheberrechts

Wie alle großen Parteien möchte auch die FDP das Urheberrecht modernisieren. Dabei lehnt sie Verfahren nach dem Three Strikes-Modell ab, weil sie unverhältnismäßig einseitig zu Lasten des Bürgers ausgelegt sind. Ausdrücklich betont wird das Bürgerrecht auf die Privatkopie: "Im Urheberrecht ist klarzustellen, dass eine Privatkopie ungeachtet eines technischen Kopierschutzes zulässig ist, wenn der Käufer das Werk zuvor erworben hat und die Privatkopie lediglich zum Eigengebrauch wie etwa zur Datensicherung oder zur Wiedergabe auf einem anderen Wiedergabegerät angefertigt wird."

Bei der Modernisierung des Urheberrechtes mit neuen "diskriminierungsfreien Lizenzmodellen" möchte die FDP eine Klausel für Wissenschaftler einführen, nach der sie selbst entscheiden können, unter welcher Lizenz sie ihre Werke veröffentlichen oder ob sie diese frei zur Verfügung stellen. Jede Forderung nach Überwachung und Zensur des Internetverkehrs zur Durchsetzung urheberrechtlicher und wirtschaftlicher Interessen lehnt die FDP ab.

Den weiteren Breitbandausbau sollte man der Privatwirtschaft überlassen, findet die FDP.

(Bild: dpa, Peter Kneffel/Archiv)

Breitbandausbau / Netzneutralität

Den Breitbandausbau wollen die Liberalen grundsätzlich der Wirtschaft überlassen. Allerdings spricht man sich bei der Definition der "Grundversorgung" von Telekommunikationsleistungen dafür aus, dass zur dieser Versorgung ein Breitbandanschluss gehören muss. Für die FDP steht fest, das die Netzneutralität als Grundprinzip der Telekommunikationsregulierung anerkannt ist. Allerdings macht das Bürgerprogramm die Einschränkung, dass die Netzneutralität immer nur "innerhalb einer Diensteklasse" beachtet werden muss, nach dem Motto, dass Gleiches gleich behandelt werden muss. Provider, die in ihren Angeboten Internet-Volumentarife mit deutlichen Einschränkungen aufführen, müssten diese Beschränkungen klar und deutlich bezeichnen, um dem Bürger eine transparente Entscheidung zu ermöglichen. Auf diese Weise würde der Wettbewerb gestärkt werden.

Die FDP plädiert für Open Access und will möglichst viele Daten der Verwaltung maschinenlesbar zur Verfügung stellen.

(Bild: Heise)

Investitionen in Forschung und Entwicklung, Open Data, Open Access

Der Forschungspolitik ist im Wahlprogramm ein eigenes umfangreiches Kapitel gewidmet, in dem es vor allem um den Forschungstransfer und die wirtschaftliche Absicherung der Forschung geht. Open Access ist kein Thema, weil (siehe Urheberrecht) die Wissenschaftler darüber selber entscheiden sollen. Open Data wird als innenpolitisches Thema im Verein mit einer weiteren Ausgestaltung von eGovernment genannt: "In der öffentlichen Verwaltung und in öffentlichen Unternehmen liegen eine Vielzahl von Daten vor, die weder aus datenschutz- noch urheberrechtlichen Gründen besonders geschützt werden müssen, sondern zur Nutzung und Weiterverarbeitung zugänglich gemacht werden können. Wir setzen uns für eine Fortführung und den Ausbau bestehender öffentlicher Open-Data-Angebote ein. Möglichst viele Daten aus öffentlicher Verwaltung und öffentlichen Unternehmen sollen dort in maschinenlesbarer Form und unter Verwendung einer offenen Lizenz zur Verfügung gestellt werden, um so eine Nutzung der Daten und Innovationen zu ermöglichen."

Was Offenheit und die langfristige Entwicklung der Gesellschaft anbelangt, so sollte noch erwähnt werden, dass die FDP laut ihrem Bürgerprogramm anstrebt, Englisch "als ergänzende Verkehrs- und Arbeitssprache in Bereichen der öffentlichen Verwaltung" zu fördern und zu etablieren, damit Forscher wie Fachkräfte ins Einwandererland Deutschland strömen und sich sofort heimisch fühlen können. (axk)