Quantencomputer: Analog statt digital

Digitale Quantencomputer sind in der Theorie bestens verstanden, in der Praxis aber schwierig zu skalieren und zu nutzen. Schnellere Fortschritte könnten mit einem analogen Alternativ-Konzept zu erreichen sein.

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Von
  • Tom Simonite
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Die Fähigkeiten von Computern auf der Grundlage der Merkwürdigkeiten der Quantenphysik dürften weit über die heutiger Rechenmaschinen hinausgehen. Regierungen und große Technologieunternehmen geben deshalb riesige Summen aus, um dieses Konzept weiterzutreiben. Allerdings wirken Quantencomputer manchmal auch wie eine von den Technologien, deren Einsatz immer noch 20 Jahre entfernt ist.

Seit einiger Zeit aber verfolgen mehrere führende Forschungsgruppen einen Ansatz, mit dem sie hoffen, die Wartezeit deutlich verkürzen zu können. Vergangene Woche haben Forscher von Google und an der Universität des Baskenlandes in Spanien Ergebnisse veröffentlicht, die tatsächlich eine Abkürzung auf dem Weg zum lange erwarteten ersten klaren Beweis der höheren Leistungsfähigkeit von Quantencomputing aufzeigen könnten.

Die Veröffentlichung ist einer der ersten Erfolge eines Plans, den Google-Quantenforscher mir vorgestellt hatten, als ich sie vergangenes Jahr in ihrem Labor besuchte.

Kern dieses Konzepts ist die Entscheidung, sich von einem Design zu lösen, das bislang das meiste Geld und die meiste Arbeit auf diesem Gebiet beansprucht hat. So genannte digitale Quantencomputer sind der Art und Weise nachempfunden, wie heutige Computer arbeiten. Die Vorteile dieses Designs wurden von Theoretikern vielfach bewiesen. Doch es würde sehr viel Hard- und Software zur Fehlerkorrektur benötigen, um die sensiblen Quanteneffekte bei der Verarbeitung von Daten auszugleichen.

Google, IBM und andere Unternehmen (darunter auch ein Start-up) haben sich deshalb ein alternatives Modell namens analoge Quantencomputer vorgenommen.

Diese Designs arbeiten weniger wie konventionelle Computer und sind theoretisch weniger gut verstanden. Auch bei ihnen müsste es eine Fehlerkorrektur geben, allerdings in viel geringerem Umfang. Als Folge davon könnte es mit ihnen weitaus einfacher sein, die Leistungsfähigkeit von Quantencomputern zu beweisen.

Geleitet wird das Google-Projekt für Quanten-Hardware von dem Forscher-Veteranen John Martinis, der mir im vergangenen Jahr sagte, ein dafür ausreichend komplexer Chip ließe sich vielleicht innerhalb weniger Jahre herstellen. Der von seiner Gruppe und der Universität des Baskenlandes jetzt publizierte Aufsatz zeigt, dass es damit vorangeht.

Das Team hat einen supraleitenden Quantenchip so programmiert, dass er neun Atome simuliert, die magnetisch miteinander interagieren. Geholfen hat dabei ein Teil der Techniken zur Fehlerkorrektur, die zuvor für die schwieriger zu skalierenden digitalen Quantencomputer entwickelt worden waren.

Der eingesetzte Chip hat neun der Grundbausteine von Quantencomputern, die als Qubits bezeichnet werden. Um das zu demonstrieren, was die Forscher charmant "Quanten-Überlegenheit" nennen, wäre ein analoger Quantencomputer mit mindestens 40 Qubits erforderlich – damit ließe sich dann schlüssig beweisen, dass er Dinge beherrscht, die für konventionelle Computer unmöglich sind (das Start-up D-Wave Systems hat Chips mit mehr als 1000 Qubits gezeigt, doch trotz viel versprechender Ergebnisse bislang nicht klar bewiesen, dass sie die Vorteile echter Quantencomputer bieten).

Google gibt an, man könne diesen Punkt relativ schnell erreichen, und andere Forscher auf diesem Gebiet halten das für glaubwürdig.

Damit ein analoger Quantencomputer wirklich sinnvoll eingesetzt werden kann, müsste er wahrscheinlich noch weiter hochskaliert werden. Wenn Google oder ein anderes Unternehmen so weit ist, lassen sich die Geräte möglicherweise nutzen, um schwierige Chemieprobleme in den Bereichen Gesundheit oder Energie zu lösen, indem Atome so realistisch simuliert werden, wie es heute unmöglich ist.

Darüber hinaus hofft Google darauf, dass Quanten-Überlegenheit seine Forschung an Maschinenlernen und Künstlicher Intelligenz voranbringt. Nach Aussage seines CEO Sundar Pichai ist das Unternehmen inzwischen in ein Zeitalter des "KI zuerst" eingetreten.

Hartmut Neven denkt bei Google in leitender Position darüber nach, wofür Quantencomputer genutzt werden können, wenn sie fertig sind. Die Leistungsfähigkeit von künstlicher Intelligenz auf Quantenbasis könnte die Technologien von heute beiseite fegen, sagte er im Gespräch mit der US-Technology Review im vergangenen Jahr hoffnungsfroh: "Ich würde vorhersagen, dass es in zehn Jahren nur noch Quanten-Maschinenlernen gibt – auf konventionelle Weise wird man es nicht mehr machen."

(sma)