Bundesamt für Strahlenschutz zum Einsatz von Radionuklidbatterien in Deutschland

Im Interview erörtert Dr. Helge Kröger vom Bundesamt für Strahlenschutz die Risiken der von einem chinesischen Hersteller vorgestellten Radionuklidbatterien.

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Nuklearbatterie

(Bild: hpphtns/Shutterstock.com)

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Die Ankündigung des chinesischen Unternehmens Betavolt Technology, eine 3-Volt-Batterie mit einer Leistung von 100 Mikrowatt mit einer Lebensdauer von 50 Jahren produzieren zu wollen, hat für einige Diskussionen gesorgt. Diese reichen von der grundsätzlichen Machbarkeit bis zu den Risiken, die mit der Verwendung radioaktiver Stoffe in Konsumgütern verbunden sind. Über letztere haben wir mit Dr. Helge Kröger gesprochen, im Bundesamt für Strahlenschutz als Referatsleiter des Fachgebiets MB 6 zuständig für die Sicherheit von Strahlenquellen, bedeutsame Vorkommnisse beim Umgang mit radioaktiven Stoffen und Bauartzulassung.

Dr. Helge Kröger, Bundesamt für Strahlenschutz

(Bild: Bundesamt für Strahlenschutz)

heise online: Seit den 70er-Jahren gab es in Deutschland unter anderem Herzschrittmacher, die von Radionuklidbatterien angetrieben wurden. Gibt es derzeit noch derartige Produkte?

Dr. Helge Kröger: Die Verwendung von Herzschrittmachern mit radioaktiven Materialien ist in Deutschland schon seit Längerem eingestellt. Der letzte Fall, an den ich mich erinnere, war vor etwa fünf bis zehn Jahren, als ein solcher Herzschrittmacher, der ursprünglich in einem osteuropäischen Land eingesetzt wurde, in Deutschland explantiert wurde. Aktuell gibt es in Deutschland, soweit ich weiß, keine zugelassenen Anwendungen solcher Geräte, abgesehen von möglichen speziellen Einsätzen im Rahmen der Europäischen Weltraumorganisation (ESA). In der Raumfahrt werden solche Batterien zwar noch verwendet, aber auch dort ist ihre Nutzung rückläufig. Die USA setzen sie beispielsweise noch ein, allerdings nur in einer sehr begrenzten Anzahl und für spezifische Missionen, die weit ins All führen, wo Solarenergie nicht mehr effektiv genutzt werden kann.

Können Sie kurz skizzieren, wie die jetzt von Betavolt Technology vorgestellte Radionuklidbatterie funktioniert?

Nach meinem Verständnis ähnelt es dem Prinzip einer Photovoltaikanlage (darum bezeichnet als "Betavoltaik"): Nickel-63 wird als Schicht zwischen Halbleitern eingesetzt. Anstelle der Sonnenstrahlen erzeugt hier die entstehende Betastrahlung Elektronen-Loch-Paare in diesen Halbleiterschichten, wodurch elektrische Spannung entsteht.

Unsere Leserinnen und Leser fragten sich, "wo man Nickel-63 kaufen" kann. Können Sie den Herstellungsprozess beschreiben und erklären, wie sich der Produktionsumfang für heutige industrielle Anwendungen von den geplanten Massenproduktionen für Akkus unterscheidet, wie sie in China vorgesehen sind?

Der übliche Prozess zur Herstellung von Nickel-63, so wie ich ihn kenne, besteht in der Bestrahlung von stabilem Nickel-62 mit Neutronen, typischerweise in einem Kernreaktor. Darauf folgt eine Anreicherung mittels Gaszentrifugation. Nickel-63 wird auch in Deutschland produziert, beispielsweise für Röntgenfluoreszenz-Analysegeräte. Allerdings ist für die bisherigen Anwendungen keine Massenproduktion erforderlich. Die jetzt vorgestellte Batterie soll etwa 50 Curie entsprechend 1,85 Tera-Becquerel Nickel-63 enthalten. Mit dieser Menge ließen sich mehrere tausend Röntgenfluoreszenz-Analysegeräte herstellen. Wenn wir uns vorstellen, dass Millionen von Akkus oder Batterien mit Nickel-63 produziert werden könnten, bewegen wir uns also auf einer völlig anderen Skala der Produktion.

Ursache für zahlreiche Diskussionen ist diese von der chinesischen Firma Betavolt Technology vorgestellte Radionuklidbatterie.

(Bild: Betavolt Technology)

Bestünde überhaupt die Chance, dass eine solche Batterie in Deutschland zugelassen wird?

Rechtlich wäre ein Mobiltelefon mit Radionuklidbatterie ein Konsumgut und würde unter die entsprechenden Zulassungsbedingungen im Strahlenschutzgesetz und der Strahlenschutzverordnung fallen. Allein wegen der großen Menge an enthaltenem Nickel-63, die weit oberhalb der Freigrenze liegt, wäre ein Antrag auf eine Zulassung wenig Erfolg versprechend.

Sind solche Produkte inzwischen grundsätzlich untersagt oder gibt es sie nur nicht mehr, weil es inzwischen bessere Möglichkeiten gibt?

Im Strahlenschutzrecht sind zwei Grundsätze verankert: das Rechtfertigungsgebot und das Minimierungsgebot. Das Rechtfertigungsgebot bedeutet in diesem Zusammenhang, dass radioaktive Stoffe nur dann eingesetzt werden sollen, wenn die beabsichtigte Anwendung ohne diese Stoffe nicht gleichwertig realisiert werden kann. Das Minimierungsgebot verpflichtet uns – wenn die Anwendung gerechtfertigt ist – dafür zu sorgen, dass Menschen und Umwelt radioaktiven Stoffen und der davon ausgehenden Strahlung gar nicht oder nur so wenig wie möglich ausgesetzt werden. Deswegen bevorzugen wir, wo immer möglich, Alternativen zu radioaktiven Stoffen. Das wird in Zulassungsverfahren auch geprüft. Gerade im Bereich der Mobiltelefone gibt es andere Optionen wie Lithium-Ionen-Akkus. Ein Handy täglich aufladen zu müssen, sollte keine Rechtfertigung dafür sein, auf Radionuklidbatterien zurückzugreifen, es sei denn, es handelt sich um spezielle Anwendungen. Denkbar wären etwa Satellitentelefone in sehr abgelegenen Gebieten, wo eine Stromversorgung anderweitig nicht kontinuierlich gewährleistet werden kann.

Betavolt Technology plant, für leistungsstärkere Batterien zukünftig auch Strontium-90 zu nutzen. Können Sie die Unterschiede erläutern, speziell im Hinblick auf ihre Anwendungsbereiche und Lebensdauer?

Nickel-63 hat eine Halbwertszeit von etwas über 100 Jahren. Die angenommene Lebensdauer der Batterie mit Nickel-63 liegt bei der Hälfte seiner Halbwertszeit, also bei etwa 50 Jahren. Die Halbwertszeit von Strontium-90 beträgt etwa 28 Jahre. Eine Strontium-90-Batterie hätte also eine deutlich kürzere Lebensdauer. Außerdem unterscheidet sie sich in der Art der Stromerzeugung. Sie funktioniert auf Basis der Zerfallswärme, was einen thermoelektrischen Effekt erzeugt. Früher wurden sehr große Strontium-90-Batterien – vorwiegend in Russland – genutzt, um abgelegene Standorte wie Leuchttürme zu versorgen.

Wie würde man die Entsorgung von Konsumgütern mit radioaktiven Materialien im Falle von Handybatterien handhaben?

Das Entsorgungsproblem ist besonders gravierend, wenn wir es im Kontext von Konsumgütern betrachten. Im Bereich des Strahlenschutzes verfolgen wir den sogenannten Cradle-to-Grave-Ansatz, was bedeutet, dass wir den gesamten Lebenszyklus einer Quelle, von der Herstellung bis zur Entsorgung, überwachen. Wenn wir dieses Prinzip auf ein alltägliches Konsumgut wie Handybatterien anwenden, die in Deutschland in Millionen vorhanden sind – vermutlich ebenso viele oder sogar mehr als die Einwohnerzahl –, wird das Ausmaß der Herausforderung deutlich.

Welche Risiken bestehen bei der unsachgemäßen Entsorgung von Radionuklidbatterien?

In der Diskussion um die Sicherheit der vorgestellten Radionuklidbatterie haben einige Nachrichtenmedien geschrieben, dass sie angeblich ungefährlich sei. Dies bedarf jedoch einer differenzierten Betrachtung. Zwar handelt es sich bei dem verwendeten Betastrahler um eine niederenergetische Quelle, die recht gut abgeschirmt werden kann, doch das Risiko entsteht primär bei unsachgemäßer Entsorgung. Wenn solche Batterien in den normalen Abfall gelangen, könnten sie in Müllverbrennungsanlagen oder Schreddern landen und so radioaktive Stoffe freisetzen.

(vza)