Robert Lemke im Interview zu FLOW3

Seite 3: Die Verwandschaft mit TYPO3

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heise Developer: Wirkt sich die Nähe zu TYPO3 auf die Wahrnehmung von FLOW3 aus? Passiert es euch, dass die Leute sagen, komm, FLOW3 ist so ein TYPO3-Kram, das interessiert mich nicht?

Robert Lemke: Ja, das kann passieren. Deswegen versuche ich immer darauf hinzuweisen, dass man FLOW3 wirklich unabhängig von TYPO3 benutzen kann. Es ist aber, und das ist auch wichtig, ein Projekt aus der TYPO3-Community. Sie hat es erst möglich gemacht und unterstützt es, und deswegen ist es wichtig, dass diese Nähe da ist. Sicherlich werden aber einige glauben, es hat direkt etwas mit dem TYPO3-CMS zu tun.

heise Developer: Andersherum kann FLOW3 auch davon profitieren, wenn die Nutzer sich sagen, TYPO3 ist bekannt, da muss FLOW3 ja ein tolles Framework sein ...

Robert Lemke: Ja, das ist auch so. Ich denke, ohne den Bekanntheitsgrad von TYPO3 hätten wir so eine lange Entwicklung gar nicht machen können. Auch die Aufmerksamkeit der Medien ist so natürlich eine ganz andere.


"Und das Coole ist eben, wenn man eine kleine Applikation geschrieben hat, kann man sie mit zwei, drei Zeilen Code zum Plug-in für das CMS machen."


heise Developer: Wobei TYPO3 augenscheinlich vor allem in Deutschland bekannt ist. Wenn man sich zum Beispiel Drupal anschaut ...

Robert Lemke: Ja, wobei sich das vielleicht erst jetzt ein wenig in Richtung Drupal verändert hat. Gerade was Drupal angeht, gibt es tatsächlich eine ganze Menge Rummel drumherum. Ein Grund sind sicherlich die Marketing-Möglichkeiten, die sie haben – Acquia hat eine Hand voll fest angestellter Evangelisten, sie sind auf allen Konferenzen vertreten ...

heise Developer: Wenn man sich TYPO3 Phoenix anschaut, spürt man die Nähe zu FLOW3?

Robert Lemke: Das tut man. Und das Coole ist eben, wenn man eine kleine Applikation geschrieben hat, kann man sie mit zwei, drei Zeilen Code zum Plug-in für das CMS machen. Früher, bei TYPO3 4, musste man eine ganze Menge mehr tun. Als Extension-Entwickler merkt man die gemeinsame Nähe auf jeden Fall.

Beim User Interface ist es im Prinzip der gleiche Ansatz, wenn wir sagen, es soll möglichst einfach sein. Es ist sehr von Apple inspiriert, das muss man schon sagen. Wenn jemand zum Beispiel ein neues Setting einführen möchte, dann muss er erst einmal sagen, welche zwei er dafür wegwerfen wird, das ist der Deal. Denn jedes Setting muss von uns gewartet werden, es macht es für den User komplizierter – und so versuchen wir, diesen Ansatz in das User Interface einfließen zu lassen.

Wir haben im Rahmen der User Experiense beispielsweise Persona entwickelt, mit denen wir uns die verschiedenen Nutzerrollen besser vorstellen können, auch um Arbeitsabläufe erst einmal nicht aus Entwicklersicht sehen zu müssen. Und das macht Spaß! Man sagt immer, Entwickler könnten kein Design machen, Entwickler könnten ihr Produkt nicht vermarkten – das trifft vielleicht auf viele zu, aber ich finde, es macht Spaß, das zu lernen. Und man kann die Positionen durchaus wechseln. Wir sind doch auch Anwender! (lacht)

heise Developer: Der Schrecken bei TYPO3 ruht mitunter daher, dass viele das System noch von recht alten Installationen her kennen ...

Robert Lemke: ... und die Systeme dann noch falsch aufgesetzt sind, ein jeder Administrator ist, weil es die Sache vielleicht einfacher macht. Deswegen ist es ganz wichtig, sinnvolle Defaults mitzuliefern. Denn wir wissen genau, solche Anwender werden zu faul sein, diese Rollen nachträglich einzurichten.


"Wenn jemand sagt: "Hey, ich habe wieder ganz viel Code weggeschmissen!" – Das wird gefeiert."


heise Developer: Werden sich alte TYPO3-Installationen später einigermaßen leicht auf TYPO3 Phoenix migrieren lassen können?

Robert Lemke: Einigermaßen nicht, nein. Ich rechne damit, dass man den Umstieg dann vornimmt, wenn man das Gefühl hat, dass man das Neue braucht. Das ist bei einem Relaunch der Fall, oder bei einem neuen Projekt. Wir werden es ermöglichen, die Inhalte zu migrieren, vollautomatisch, dass ist kein Thema. Wenn man jetzt schon Extbase benutzt, kann man hier den Code vielleicht sogar ebenfalls automatisiert migrieren. Das könnte funktionieren, müsste aber mal jemand in die Hand nehmen. Die TypoScript-Templates lassen sich wahrscheinlich nicht migrieren, hier ist aber auch die Frage, ob das so sinnvoll ist. Ich denke mal, wenn man komplexe Logik in Extensions untergebracht hat, dann ist es umso leichter zu migrieren, je sauberer man programmiert hat, wie immer halt. Aber automatisch wird das nicht gehen.

heise Developer: Was die gedankliche Nähe zu Apple betrifft ...

Robert Lemke: ... ich hab es tatsächlich vor kurzem getwittert – Apple hat mich sehr inspiriert. Ich bin vielleicht auch etwas Apple-Fanboy, aber ich finde es bemerkenswert, wie sie es immer wieder schaffen, Sachen zu reduzieren und trotzdem Funktionalität zu bieten. Von daher hat dieses Wegwerfen oder Reduzieren bei uns im Projekt ein hohes Ansehen. Wenn jemand sagt: "Hey, ich habe wieder ganz viel Code weggeschmissen!" – Das wird gefeiert.

heise Developer: Es wird gerne gesehen, Code Smells den Garaus zu machen.

Robert Lemke: Man sagt ja auch, Entwickler sollten nicht danach bezahlt werden, wie viel Code sie schreiben, sondern wie viel Code sie wegschmeißen.

heise Developer: Seit wann sitzt ihr nun schon an FLOW3?

Robert Lemke: Richtig angefangen hat es bereits 2006 und seit 2007 sitzen Karsten Dambekalns und ich in Vollzeit dran. Da ist also schon wahnsinnig viel Zeit eingeflossen und das merkt man auch, glaube ich. Hoffe ich.

Und wie gesagt, das ganze Drumherum macht uns viel Spaß, und den beteiligten Leuten viel Freude – es ist richtig eine Aufregung da, das System jetzt endlich benutzen zu können. Ist sehr schön, das erreicht zu haben.

Das Interview führte "heise Developer"-Redakteur Robert Lippert. ()