Roboter im Alltag: Der Angebetete

Schaffen sich die Menschen mit der Entwicklung von transhumaner Intelligenz ihre eigenen Götter, die den Menschen überlegen und unkontrollierbar sind?

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(Bild: Photobank gallery / Shutterstock.com)

Lesezeit: 10 Min.
Von
  • Hans-Arthur Marsiske
Inhaltsverzeichnis

Langfristige, Generationen übergreifende Vorsorge zählt offenbar nicht zu den Stärken der menschlichen Zivilisation. Wenn selbst eine so massive Bedrohung wie der sich gerade vollziehende Klimawandel uns nur unter größten Widerständen dazu bringt, die kommenden Jahrzehnte überhaupt in den Blick zu nehmen – von den gesellschaftlichen Umwälzungen und Verhaltensänderungen, die zur Abschwächung der katastrophalen Entwicklung erforderlich wären, ganz zu schweigen – , kann es kaum überraschen, wenn nachhaltige Konzepte bei technischen Entwicklungen wie Robotik und Künstlicher Intelligenz (KI) noch weniger Resonanz finden.

So überdauerte der von dem Physiker Claudius Gros (Universität Frankfurt) 2003 gegründete Initiative Zukunft25, der die kommenden 10.000 Jahre im Blick hatte, gerade mal knapp ein Tausendstel der angestrebten Zeitspanne. Und die vom ehemaligen Google-Mitarbeiter Anthony Levandowski im Jahr 2015 registrierte KI-Kirche Way of the Future kam sogar nur auf eine Lebensdauer von fünf Jahren: Im Februar berichtete Techcrunch, dass Levandowski die Kirche Ende 2020 aufgelöst habe.

Way of the Future hatte sich für eine ethisch motivierte Entwicklung von KI eingesetzt und wollte die friedliche und wohltätige Integration der dabei entstehenden nicht-biologischen Lebensformen in die Gesellschaft fördern. Er sei immer noch überzeugt, dass KI die Art und Weise, wie Menschen leben und arbeiten, grundlegend verändern werde, und wolle sich weiterhin dafür einsetzen, dies in eine positive Richtung zu lenken, so Levandowski gegenüber Techcrunch. Die durch den Tod von George Floyd entfachten "Black Lives Matter"-Proteste des vergangenen Jahres hätten ihn jedoch dazu bewogen, das Guthaben der Kirche in Höhe von 175.172 US-Dollar an den NAACP Legal Defense and Education Fund zu überweisen, der sich gegen rassistische Diskriminierung einsetzt. Es sei an der Zeit gewesen, das Geld in einen Bereich zu lenken, wo es von unmittelbarem Nutzen sein kann.

Roboter im Alltag

(Bild: Tatiana Shepeleva/Shutterstock.com)

Der Gegenwind, der seinem Kirchenprojekt von Anfang an entgegen blies, mag bei der Entscheidung vielleicht auch eine Rolle gespielt haben. Patrick Beuth etwa stufte das Projekt in der Zeit bereits in der Titelzeile als "Quatsch" ein. Seine Ablehnung stützte sich im Wesentlichen auf die bislang begrenzten Erfolge der KI-Forschung, die überwiegend auf spezielle Anwendungen beschränkt seien und von einer uninformierten Öffentlichkeit überbewertet würden. Damit verblieb er im sehr kurzfristigen, betriebswirtschaftlich orientierten Zeithorizont, während Levandowski langfristiger dachte und erklärte: "Lasst uns aufhören so zu tun, als könnten wir die Entwicklung von Intelligenz aufhalten, wenn sie für diejenigen, die sie entwickeln, kurzfristig massive ökonomische Vorteile bringt."

In der Tat drängt die Marktdynamik die Robotik zu einer stetigen Erweiterung autonomer Funktionen und einer Steigerung der Intelligenz. Anders werden sich neue Anwendungsfelder wie die von Anbieterseite seit Jahren gehypte Servicerobotik nicht erschließen lassen. Eine fundamentale Grenze dieser kontinuierlichen Intelligenzverbesserung, die von Robotern nicht überschritten werden könnte, ist andererseits bislang nicht erkennbar.

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Gisela Schmalz, Fellow am Kölner Institut für Medien- und Kommunikationspolitik, argumentierte etwas fundierter. Sie stellte Levandowski in eine Reihe mit Elon Musk, der vor den Gefahren der KI warne, die von ihm gegründete Open AI Foundation mittlerweile aber auch zu einer profitorientierten Firma gemacht habe. Es sei daher nicht ganz klar, ob Musk sich wirklich vor KI fürchte oder nicht doch eher vor seinen Mitbewerbern. Vielleicht, so ihre Vermutung, wollten Musk und Levandowski Ängste schüren, um "im Nebel der Verunsicherung ihre eigenen Firmen als Leuchttürme zu präsentieren, als einzig vertrauenswürdige Quellen potenziell gefährlicher Technologien". Unabhängig von den Motiven, die sie antreiben, sei es indessen "gut, dass Leute aus dem Tech-Sektor eine KI fordern, die für Menschen entwickelt, statt an den Menschen vorbeientwickelt wird. Aber Gott und Teufel? Wer es mit einer KI für das Volk ernst meint, sollte den Teufel gerade nicht an die Wand malen und auch Gott in seinem Himmelbett schlummern lassen."

Mit dem letzten Satz hat Schmalz durchaus recht. Nur hat sich Levandowski nun gerade nicht auf Gott und Teufel berufen. Solche Konzepte von dem einen Gott, dem alle zu folgen haben, mögen hilfreich gewesen sein, als es darum ging, für Menschen im Übergang vom Nomadentum zur Sesshaftigkeit allgemein verbindliche Regeln des Zusammenlebens zu formulieren und durchzusetzen. Ob monotheistische Religionen aber geeignet sind, der Menschheit auch in der gegenwärtig stattfindenden Transition zu einer den Weltraum besiedelnden Spezies Orientierung zu geben, darf bezweifelt werden.

Der generelle Bezug auf mythologisch-religiöses Denken, den Levandowski mit der Gründung einer Kirche vorgenommen hat, ist gleichwohl berechtigt. Er mag im ersten Moment für Irritationen sorgen, insbesondere in europäisch-westlich geprägten Gesellschaften, wo sich Wissenschaft und Technik einst in starker Gegnerschaft zur christlichen Kirche entwickelt haben. Aber bislang ist es eben nur religiösen Weltanschauungen gelungen, menschliche Gemeinschaften über Jahrtausende zusammenzuhalten. Wenn jetzt Entwicklungen in Gang gesetzt werden und kollektive Entscheidungen getroffen werden müssen, die kommende Jahrhunderte und Jahrtausende prägen können, erscheint es daher allein schon aus diesem Grund als weise, an diese Erfahrungen anzuknüpfen. Das muss nicht notwendigerweise in der Entwicklung einer neuen Religion oder Gründung einer Kirche münden. Aber die Wissenschaft allein kann es offensichtlich auch nicht richten. Sie kann den Weg ebnen zur Schaffung künstlicher Intelligenz und künstlicher Lebensformen. Aber sie kann uns nicht sagen, ob und in welche Richtung wir ihn gehen sollen.

Artikelserie "Roboter im Alltag"

Roboter erobern unseren Alltag und werden in der menschlichen Gesellschaft zum sozialen Akteur. Wie sehen mögliche Entwicklungsstufen der Roboter aus?