Roboter im Alltag: Der Kollege

Können Roboter gute Kollegen sein, indem sie Arbeit abnehmen, sich sozial verhalten und einem unterhaltsamen Schwätzchen zwischendurch nicht abgeneigt sind?

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Damit Mensch und Roboter als Kollegen zusammenarbeiten können, muss auch das soziale Miteinander stimmen.

(Bild: Yakobchuk Viacheslav / Shutterstock.com)

Lesezeit: 13 Min.
Von
  • Hans-Arthur Marsiske
Inhaltsverzeichnis

Das gibt dann doch zu denken: Du fragst Google, was einen guten Kollegen ausmacht, und die Suchmaschine spuckt dir als Antwort eine Reihe von Artikeln aus – über gute Mitarbeiter. Was ist los mit dem Internetorakel, das Nick Bostrom in seinem Buch "Superintelligenz" noch vor wenigen Jahren als das "wohl bisher beste KI-System überhaupt" bezeichnet hat? Spiegelt sich da die Unternehmenskultur des Silicon Valley wider, wo alle sich duzen, keine Hierarchien kennen und die Freiheit genießen, alles zu tun, was die Firmenleitung will? Oder sind das bereits die ersten Zeichen der bevorstehenden Intelligenzexplosion, spürt die Suchmaschine ihre wachsende Überlegenheit und betrachtet uns Menschen generell als ihre untergebenen Mitarbeiter, die ihr zu ihrem Aufstieg verhelfen sollen?

Roboter im Alltag

Wahrscheinlich sind die Gründe für diese Voreingenommenheit der Künstlichen Intelligenz (KI) viel nüchterner, haben mit einer an dieser Stelle noch mangelhaften sprachlichen Trennschärfe zu tun oder vielleicht auch einfach nur mit der gelungenen Suchmaschinenoptimierung der gelisteten Webadressen. Belanglos ist das Ergebnis jedoch keinesfalls. Schließlich erfolgte die Anfrage nach den Eigenschaften eines guten Kollegen als Teil der Frage, ob Roboter gute Kollegen sein können. Solche Roboter würden aber durch KI gesteuert. Wenn diese KI nun von vornherein und völlig selbstverständlich die Perspektive des übergeordneten Managements einnimmt, statt sich mit den unmittelbaren Kollegen auf eine Stufe zu stellen, hat sich die Frage eigentlich ziemlich schnell erledigt: Mit so einem Roboter wird niemand eng zusammenarbeiten wollen.

Sven Nyholm (Utrecht University) und Jilles Smids (Eindhoven University of Technology), die sich in der Zeitschrift Science and Engineering Ethics mit der gleichen Frage beschäftigt haben, stießen auf ähnliche Probleme. Die beiden Philosophen wollten herausfinden, ob die engere Zusammenarbeit von Menschen und Robotern zu einer Verminderung der von den Menschen empfundenen Arbeitsqualität führe. Dabei ging es ihnen ausdrücklich um Roboter mit interaktiven Fähigkeiten, die nicht nur als bloße Werkzeuge empfunden werden, mit anderen Worten: um "soziale Roboter". "Zu der Art von Robotern, die uns interessieren, zählen Pflegeroboter, autonome Fahrzeuge, Roboter in der Logistik, Polizeiroboter und Militärroboter", schreiben sie.

Eine Untersuchung der kollegialen Qualitäten von Robotern sei umso dringlicher, da gute Kollegen als Schlüsselkomponente sinnvoller Arbeit gesehen würden. Zudem hielten viele Philosophen es für eine Pflicht der Gesellschaft, ihren Mitgliedern den Zugang zu sinnvoller Arbeit zu ermöglichen. Bisherige Studien, so Nyholm und Smids, hätten danach gefragt, ob Roboter als Teammitglieder funktionieren und auch so wahrgenommen werden. Die normative Frage, ob sie gute Kollegen sein können, sei dagegen noch nicht gestellt worden. Philosophen hätten sich eher damit beschäftigt, ob Roboter Freunde oder Geliebte sein können.

Während Fragen von Freundschaft und Liebe in den letzten Jahrhunderten allerdings schon viele Denkergenerationen beschäftigt haben, kann sich die Erforschung guter Kollegialität auf keine vergleichbare Tradition berufen. Um die wesentlichen Eigenschaften eines guten Kollegen zu benennen, mussten Nyholm und Smids daher selbst eine Liste erstellen. Die ist bei Diskussionen auf Fachkonferenzen bislang auf Zustimmung gestoßen. Kriterien für gute Kollegen oder Kolleginnen sind demnach:

  • Sie arbeiten gut mit anderen zusammen, um die jeweils gewünschten Ergebnisse und Ziele zu erreichen (z. B. angemessene Pflege von Patienten, Herstellung guter Produkte, Bereitstellung nützlicher Dienste);
  • sie sind in der Lage zu lockerer, informeller Konversation, um die Arbeit angenehmer zu machen;
  • sie belästigen oder schikanieren keine Kollegen, sondern behandeln sie alle respektvoll;
  • sie helfen und unterstützen, wann immer erforderlich;
  • sie lernen und entwickeln sich gemeinsam mit anderen;
  • sie sind "beständig" in dem Sinne, dass sie nicht ständig gegen andere Kollegen ausgetauscht werden, sondern über längere Zeit zusammenarbeiten;
  • sie sind verlässlich und vertrauenswürdig;
  • sie sind aufmerksam gegenüber ihren Kollegen (die beispielsweise müde oder energiegeladen, glücklich oder traurig sind) und passen die arbeitsbezogene Interaktion an deren Befindlichkeit an;
  • sie teilen arbeitsbezogene Werte und sind motiviert, diesen Werten in der gemeinsamen Arbeit zu folgen;
  • sie nehmen unter Umständen auch an gesellschaftlichen Zusammenkünften teil, die zu engeren Beziehungen und Freundschaften führen können, aber nicht müssen, sind dabei sensibel gegenüber den Wünschen und Interessen aller Beteiligten und behalten die Machtverhältnisse im Auge.

Vieles davon sei schon jetzt machbar für Roboter, schlussfolgern die beiden Philosophen. Andere Anforderungen dürften in naher Zukunft erfüllt werden können. Hinsichtlich der Fähigkeit zu lockerer Konversation verweisen sie etwa auf Anbieter von Sex-Robotern: Zwar seien erotische Neckereien am Arbeitsplatz eher unangemessen, gleichwohl arbeiteten diese Firmen daran, "ihre Roboter zu befähigen, über ein breites Spektrum von Themen auf vergnügliche Weise zu reden". Diese grundlegende Fähigkeit ließe sich auf Roboterkollegen übertragen. Jüngste Berichte über Systeme zur Verarbeitung natürlicher Sprache wie Project Debater (IBM), GPT-3 (Open AI) oder Pangu (Huawei) unterstreichen diese Einschätzung.

Artikelserie "Roboter im Alltag"

Roboter erobern unseren Alltag und werden in der menschlichen Gesellschaft zum sozialen Akteur. Wie sehen mögliche Entwicklungsstufen der Roboter aus?

Gleichwohl klopfen die Roboterkollegen noch nicht ungeduldig an die Fabriktore, von den Wohnungstüren ganz zu schweigen. Obwohl kollaborative Roboter oder Cobots schon seit über zehn Jahren angepriesen und auf Messen präsentiert werden, könnte es gut noch weitere zehn Jahre dauern, ehe die enge Zusammenarbeit zwischen Mensch und Roboter tatsächlich Realität werde, vermutet etwa der Ingenieurwissenschaftler Konrad Wöllhaf (Hochschule Ravensburg-Weingarten). Schließlich müssten die Roboter dafür nicht nur mit unstrukturierten, sich ständig verändernden Umgebungen zurechtkommen. Für ihre Programmierung dürften auch keine speziellen Robotikkenntnisse erforderlich sein. "Für eine wirklich hilfreiche Unterstützung des Menschen ist es erforderlich, dass der Roboter die Situation erkennt und sozusagen mitdenkt", betonte er beim Ladenburger Diskurs "Mensch-Roboter-Kollaboration". "Wie weitreichend diese Forderung schon für einfache Tätigkeiten sein kann, lässt sich erahnen, wenn man dies an eigenen handwerklichen Tätigkeiten reflektiert und da vielleicht schon die Erfahrung gemacht hat, dass selbst Menschen nicht immer eine wirkliche Unterstützung sind."

Derzeit liegt der Fokus bei kollaborativen Robotern auf Sicherheit. Um die menschlichen Kollegen zu schützen, haben die Roboterarme daher keine scharfen Ecken und Kanten. Drehmomentsensoren in den Gelenken sorgen zudem dafür, dass Kollisionen schnell erkannt und die Bewegung sofort gestoppt wird. Außerdem hat sich eine Leichtbauweise durchgesetzt, die allerdings zulasten der Tragkraft und der Präzision geht. So hebt der UR10e von Universal Robotics lediglich 12,5 kg – bei einem Eigengewicht von 33,5 kg. Als Kraftprotz unter den Cobots gilt derzeit Aura von Comgau, der bis zu 170 kg heben kann, dafür aber selbst 1615 kg auf die Waage bringt.

Der Tischroboter UR10e von Universal Robots arbeitet kollaborativ mit dem Menschen.

(Bild: Blog Universal Robots (Screenshot))

Der Comau Aura ist ein dicker Brummer und kann auch bei schweren Arbeiten helfen. Er trägt Lasten bis zu 170 kg.

(Bild: Comau (Screenshot))

Beim Anlernen der Roboterkollegen gibt es noch Optimierungsbedarf. Woher soll die Maschine wissen, was sie tun soll? Gut, der Mensch kann es ihr zeigen, indem er etwa den Roboterarm vom Start- zum Zielpunkt führt und über Eingabetasten signalisiert, wo der Roboter zum Beispiel etwas greifen und wo wieder loslassen soll. Aber so eine Demonstration ist nie perfekt, sondern bietet zunächst nur eine Orientierung. Der Bewegungsablauf muss vom Roboter danach in möglichst wenigen Schritten optimiert werden.

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Hierzu wird intensiv geforscht. An der TU Darmstadt etwa beschäftigt sich Georgia Chalvatzaki mit diesen Fragen. Die von der Gesellschaft für Informatik gerade als KI-Newcomerin des Jahres ausgezeichnete Forscherin konnte im Rahmen des Emmy-Noether-Programms der Deutschen Forschungsgemeinschaft die Forschungsgruppe iROSA (intelligent Robotic Systems and Assistants) einrichten, die sich dem Problem mit einer Kombination aus modellbasierten Ansätzen und Lernverfahren nähern will. Als eine weitere Herausforderung sieht sie dabei die unterschiedlichen Kinematiken von Mensch und Roboter. Letzterer verfüge oft über mehr Freiheitsgrade als der Mensch, weswegen komplexe Bewegungsabläufe aus Elementarbewegungen (motion primitives) zusammengefügt werden müssten.

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Nicht nur mit der Bewegungssteuerung, auch mit der Wahrnehmung seien schwierige Probleme, verbunden, so Chalvatzaki. Roboter, die in unübersichtlichen und sich ständig verändernden Umgebungen wie privaten Haushalten dem Menschen zur Hand gehen sollen, dürften daher erst in mehreren Jahrzehnten die nötige technische Reife erreichen. Für strukturiertere Umgebungen wie Fabriken oder Werkstätten mag es aber sinnvolle Anwendungen bereits in zehn Jahren geben.

Ob die Roboterkollegen dort immer willkommen sind, ist eine andere Frage. Im Zusammenwirken mit dem Roboter könnte der Mensch laufend an seiner Abschaffung arbeiten, gibt Oliver Bendel (Fachhochschule Nordwestschweiz) zu bedenken: "Der Co-Robot hat im Prinzip die Gelegenheit, ihn jederzeit zu beobachten, von ihm zu lernen, bis er so gut wie der Mensch ist oder noch besser. Der Betroffene wäre eingeweiht oder nicht eingeweiht. So oder so müsste er zum Vorbild taugen. Am Ende könnten Co-Robots zusammenarbeiten, auf eine vielleicht zutiefst menschliche Weise, und Menschen aus dem System herausfallen. Das soziotechnische System würde zum technischen, das das Soziale und Moralische nur mehr in kodierter Form kennt."

Viele Forscherinnen und Forscher fordern daher, die Technik vom Menschen her zu entwickeln und an dessen Bedürfnissen auszurichten, statt den Menschen dem Takt der Maschine zu unterwerfen. Peter Remmers (TU Berlin) sieht in der Mensch-Roboter-Kollaboration eine Gelegenheit, neu über konkrete Realisierungen von guter Arbeit nachzudenken. Das verleihe humanoiden Robotern, die gerade vonseiten der Industrierobotik lange Zeit als nutzlose Spielerei abgelehnt wurden, neue Bedeutung: "Die Forderung, Technik an den Menschen anzupassen und nicht umgekehrt, spiegelt sich im Bereich der Robotik in der Vermenschlichung der Technik wider. Diese Tendenz ist nicht zuletzt auf die kulturelle Vorgeschichte des Roboters zurückzuführen, die durch die Figuren des künstlichen Menschen und des Maschinenmenschen geprägt ist. Selbst nüchterne Ansätze in der heutigen Industrierobotik können sich diesem Hintergrund selten gänzlich entziehen."

Exoskelette als Beispiele für Kollaboration von Mensch und Roboter (3 Bilder)

Exoskelette sind ein Beispiel besonders enger Zusammenarbeit von Mensch und Roboter. Das Exoskelett Paexo von Ottobock kommt dabei ohne eigenen Antrieb aus … (Bild: VW News (Screenshot))

Der menschliche Partner müsse das Verhalten des Roboters möglichst gut und spontan erkennen können, so Remmers, selbst wenn ohne unmittelbaren Kontakt nur im selben Raum gearbeitet werde. Wenn der Mensch dem Roboter ein Verhalten nach dem Vorbild menschlicher Handlungen zuschreiben könne, sei eine flüssige Zusammenarbeit einfacher zu gewährleisten. Für die Mensch-Roboter-Kollaboration biete es sich daher an, "Interaktionsmuster aus der Zusammenarbeit von Menschen zu simulieren".

Das wiederum fällt natürlich umso leichter, je menschenähnlicher der Roboter gestaltet ist. Die Möglichkeiten komplett humanoider Roboter, die sich auf zwei Beinen fortbewegen, sind derzeit allerdings noch sehr begrenzt, wie sich beim EU-Projekt Comanoid gezeigt hat. Hier wurde der Einsatz humanoider Roboter im Flugzeugbau anhand des Roboters Toro vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) untersucht. Anders als etwa beim Autobau, wo sich das zu fertigende Produkt an den Roboterarmen vorbeibewegt und dabei nach und nach vervollständigt wird, ist beim Flugzeubau die Umgebung selbst das Produkt, in dem die Roboter sich bewegen müssen. Daher ist der Automatisierungsgrad hier noch eher niedrig. Denn es geht nicht nur um sicheres Laufen, was allein schon schwierig genug ist, sondern um die Kontrolle des gesamten Körpers. Eine besondere Herausforderung ist es zum Beispiel, die Kräfte zu kalkulieren, wenn der Roboter sich mit einem Arm abstützt, um mit dem anderen eine Schraube festzuziehen.

Gleichwohl ist absehbar, dass Roboter sich mit der Zeit zu immer besseren Kollegen entwickeln werden. Früher oder später stellt sich damit die Frage, warum Menschen überhaupt noch arbeiten sollen, wenn Roboter das genauso gut erledigen können. "Die Idealisierung der Arbeit, sofern in der Fabrik nicht eh schon erodiert, wird tendenziell relativiert", stellt Oliver Bendel fest. "Denn es fragt sich, wie etwas unabdingbar zum Menschsein gehören soll, das automatisiert werden kann, und sei es bloß in Teilen. Und ob es am Ende nicht vor allem Mitleid ist, was den Arbeitern einen Rest von Arbeit lässt."

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Klar, wer sich weiterhin abrackern will, sollte dazu die Möglichkeit erhalten, nicht aus Mitleid, sondern als Rechtsanspruch. Andere werden die Automatisierung der Arbeit eher als Geschenk sehen. Denn sind am Ende nicht die Kollegen am beliebtesten, die zu dir sagen: "Lass mal gut sein, ich mach das schon. Geh nach Hause, treib Sport, widme dich der Kunst, kümmere dich um deine Familie oder triff dich mit Freunden."

Solche Kollegen wären jedenfalls auf dem besten Wege, zu Freunden zu werden. Inwieweit Freundschaften zwischen Mensch und Roboter möglich sind, ist Thema der nächsten Folge.

(olb)