Roboter im Alltag: Der Spielgefährte

Seite 2: Entwicklung von Intelligenz über Sensomotorik

Inhaltsverzeichnis

Die menschliche Gestalt, die Čapek seinen Universalwerkzeugen gibt, verweist gleichwohl auf eine weitere, viel weiter zurückreichende Wurzel der Robotik: Das Bedürfnis der Menschen, Ebenbilder von sich und anderen Lebewesen zu schaffen, damit zu spielen und dadurch sich selbst und die Welt besser zu verstehen.

Die Puppe gilt als das älteste Spielzeug der Menschheitsgeschichte. Im Lauf der Jahrtausende nahm sie immer raffiniertere Formen an, wurde mehr und mehr mit beweglichen Körperteilen ausgestattet und findet in Gestalt humanoider Roboter gerade ihre Vollendung. Eine solche voll animierte Puppe, die sich nicht nur bewegt wie ein Mensch, sondern über verschiedene Sinne auch ihre Umwelt wahrnehmen kann, hätte dem Ansatz von Flatcat und den Playful Machines zufolge damit die erforderliche Grundausstattung, um nach und nach menschenähnliche Intelligenz zu entwickeln. Im Zentrum dieses Prozesses steht die sensomotorische Schleife.

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Der Begriff beschreibt, wie Menschen und andere Lebewesen ihre Umwelt nicht nur sinnlich erfassen (senso), sondern auch aktiv auf sie einwirken (motorisch), die dadurch bewirkten Veränderungen wiederum erneut wahrnehmen und weiter modifizieren können. Im wiederholten Durchlaufen dieser Schleife entsteht Kognition demnach als stetig verbesserte Fähigkeit, mit einem internen Modell die Konsequenzen der eigenen Aktionen vorherzusehen. Das beginnt beim Menschen bereits im Mutterleib mit anfangs zufälligen Bewegungen, die nach und nach zielgerichteter ablaufen. Yasuo Kuniyoshi (University of Tokyo) beschrieb kürzlich beim International Workshop on Embodied Intelligence, wie auf diese Weise das Gehirn durch den Körper geformt wird. Er berichtete von seinen Versuchen, diesen Prozess mithilfe der Simulation eines Fötus wie auch mit dem Baby-Roboter Noby nachzuvollziehen.

Dieses Wechselspiel von Wahrnehmung und Handlung intensiviert sich nach der Geburt. Wenn ein Kleinkind Kisten leere und wieder fülle oder Bauklötze aufeinanderstapele, um sie danach wieder umzuwerfen, erlebe es, "dass es selbst wirksam sein kann und dass es Veränderungen hervorrufen kann", erklärt die Sozialwissenschaftlerin Julia Höke der Katholischen Hochschule Paderborn. Diese Erfahrung sei wichtig für alle weiteren Lernschritte.

Höke verweist auf die gegenüber Erwachsenen höhere Neuroplastizität des kindlichen Gehirns, die dafür sorge, "dass in den ersten Jahren des Lebens sehr viel schneller neue Informationen aufgenommen und abgespeichert werden können, weil hier noch eine sehr große Flexibilität vorhanden ist. Das kindliche Gehirn bildet dabei auch völlig neue Verbindungen, während wir als Erwachsene darauf zurückgreifen, was sich bereits an Verbindungen gebildet hat, auch wenn wir etwas ganz Neues lernen."

Robotersaurier zur Kinderbetreuung. Hier beim RoboCup in Eindhoven.

(Bild: Hans-Arthur Marsiske)

Wahrnehmung und Aktion finden beim Menschen wie auch anderen Lebewesen allerdings von vornherein parallel auf mehreren Ebenen statt. Das Kind sieht, hört und ertastet seine Umwelt, strampelt mit allen Gliedmaßen, gibt Geräusche von sich. Es ist ein äußerst komplexes Zusammenspiel verschiedener Modalitäten, dem sich Kognitionsforscher zu nähern versuchen, indem sie es vereinfachen und die Dynamik der sensomotorischen Schleife zunächst auf ihre elementarsten Ausprägungen reduzieren.

So haben etwa Bulcsú Sándor, Laura Martin und Claudius Gros (Goethe Universität Frankfurt) das Verhalten eines simplen, kugelförmigen Roboters simuliert. Dessen Bewegungen werden von lediglich drei Neuronen kontrolliert, die Gewichte auf drei senkrecht zueinander stehenden Achsen im Inneren der Kugel hin und her bewegen. Die Position dieser Gewichte ist auch die einzige sensorische Information, über die der Roboter verfügt. Trotz dieser sehr einfachen Ausstattung entwickelt der Roboter im Wechselspiel von neuronalem Netzwerk, Körper und Umgebung bemerkenswert vielfältige Bewegungsmuster bis hin zu spielerischem, explorativen Verhalten, je nach Gewichtung der synaptischen Verbindungen und Gestaltung der Umwelt.

Flatcat steht in dieser Tradition der radikalen Vereinfachung des Körperbaus und Minimierung der Freiheitsgrade eines Roboters, um die evolutionäre Entwicklung komplexen Verhaltens besser beobachten und mathematisch modellieren zu können.

Artikelserie "Roboter im Alltag"

Roboter erobern unseren Alltag und werden in der menschlichen Gesellschaft zum sozialen Akteur. Wie sehen mögliche Entwicklungsstufen der Roboter aus?