Satellit zum Sparpreis

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Bereits jetzt profitieren viele Staaten von dem Trend. In den vergangenen Jahren beispielsweise starteten Länder wie Ecuador, Indonesien, Marokko, die Türkei, Ungarn oder Vietnam Nano- oder Picosatelliten, teils zur Technologiedemonstration, teils zur Erdbeobachtung. Solche "Raumfahrt für jedermann" kommt auch Ländern zugute, die für den Bau eigener großer Satelliten nicht das Geld, das Know-how oder die erforderliche Infrastruktur wie hochreine Produktionsstätten oder hochgerüstete Bodenstationen haben. Estland beispielsweise verweist stolz darauf, dass die Mission ESTCube-1 nur 100000 Euro gekostet hat.

Die Berliner Raumfahrtingenieure haben diesen Trend entscheidend mitbefördert. "Sie sind weltweit seit Längerem eine der führenden Institutionen für Kleinsatelliten, ihre Missionen gehören zu den besten, die es gibt", urteilt Raumfahrtingenieur Jordi Puig-Suari. "Dass einmal technologisch so anspruchsvolle Missionen entwickelt würden wie heute in Berlin, hätte ich mir noch vor zwei Jahrzehnten nicht vorstellen können."

Ein technologischer Meilenstein war die Entwicklung der BeeSats – sie haben derzeit eines der leistungsfähigsten Servicemodule für CubeSats weltweit. In den Würfeln mit nur zehn Zentimetern Kantenlänge sind Bordcomputer, Batterien, das Kommunikationssystem sowie mehrere miniaturisierte Sensoren doppelt ausgelegt, sodass der Satellit bei Ausfall einer Komponente weiter betrieben werden kann. Bisher haben Kleinstsatelliten aufgrund von Platzmangel kaum oder gar keine Redundanz.

Zudem kam in den BeeSats erstmals das derzeit kleinste weltraumtaugliche Reaktionsrad zum Einsatz. Solche Schwungräder werden als Impulsgeber genutzt, um Satelliten in eine bestimmte Lage zu drehen und beispielsweise eine Kamera auf einen bestimmten Punkt auszurichten. Damit Drehungen um alle Achsen im Raum möglich sind, braucht es drei dieser Reaktionsräder. Die an der TU Berlin entwickelte Mini-Variante hat ungefähr den Durchmesser einer Fünf-Cent-Münze und wiegt in der leichtesten Ausführung lediglich 12 Gramm, die dazugehörige Steuerelektronik für die Reaktionsräder 45 Gramm. Der 2009 gestartete BeeSat-1 war damit der erste Satellit der CubeSat-Familie überhaupt mit aktiver Drei-Achsen-Stabilisierung.

Bei BeeSat-3 kam ein miniaturisiertes Kommunikationsterminal hinzu, das eine deutlich höhere Geschwindigkeit für die Datenübertragung bietet. Mit dem ebenfalls an der TU Berlin entwickelten HISPICO sind bis zu ein Megabit pro Sekunde möglich – bei einem extrem niedrigen Energieverbrauch von fünf Watt. Wenn Sebastian Trowitzsch, der die BeeSats mitentwickelt hat, beschreiben soll, was die größte Herausforderung beim Bau der kleinen Würfel war, holt er erst einmal tief Luft. "Alles", sagt der 33-Jährige nach einigem Überlegen. "Alle Komponenten redundant auf so eine kleine Packung zu verdichten, die nicht mehr als ein Kilogramm wiegen darf, dann den Stromverbrauch auf ein Minimum zu reduzieren und schließlich das Design so zu gestalten, dass der Satellit eine ausgeglichene Betriebstemperatur behält, das war schon sehr anspruchsvoll."

Eine große Herausforderung aber bleibt: Selbst miniaturisierte Satellitensteuerungen nehmen üblicherweise immer noch einen großen Teil des Platzes im Satelliten ein – der dann in den fliegenden Winzlingen für die Nutzlast fehlt. Sie aber wird für wissenschaftliche Missionen benötigt. Deshalb denken die Berliner Raumfahrtingenieure noch einen Schritt weiter. Um mehr Nutzlast im Inneren von Satelliten unterzubringen, wollen sie möglichst viele Instrumente zur Satellitensteuerung in dessen Außenwände integrieren. "MKI" heißt das entsprechende Projekt, die Kurzform für "Multifunktionale Integration miniaturisierter Satellitenkomponenten".

Eine Vorstufe davon existiert schon: Die TU-Raumfahrttechniker bauten Solarzellen, Sonnensensoren zur Orientierung und Magnetspulen zur Ausrichtung des Satelliten am Erdmagnetfeld zu einer wenige Millimeter dünnen Außenwand eines Satelliten zusammen. Hinzu kommen soll nun auch noch ein Lageregelungsinstrument. Mit ihm kann das Bodenpersonal den Flugkörper genau im Orbit ausrichten, um beispielsweise ein Bild der Erde aus einem ganz bestimmten Winkel aufzunehmen oder mit der Bodenstation zu kommunizieren.

Die mechanischen Reaktionsräder, die dafür normalerweise zum Einsatz kommen, sind in eine nur wenige Millimeter dünne Außenwand eines Satelliten kaum integrierbar. An der TU Berlin wurde stattdessen ein sogenannter fluiddynamischer Aktuator, kurz FDA, entwickelt. Er funktioniert mit einer rotierenden Flüssigkeit als Impulsgeber. Eine elektromagnetische Pumpe bewegt die metallische Flüssigkeit Galinstan, eine Legierung aus Gallium, Indium und Zinn, durch einen geschlossenen ringförmigen Kanal. Dieser Drehimpuls überträgt sich dann auf den Satelliten.

Die Idee ist zwar schon einige Jahrzehnte alt. Als Satellitentechnologie umgesetzt wurde sie jedoch nie, unter anderem, weil sie nicht leistungsfähig genug ist, Großsatelliten mit Massen von mehreren Hundert Kilogramm zu bewegen. Daniel Noack hat das Konzept aufgegriffen und einen Prototyp für Kleinsatelliten entwickelt. "Er ist er verschleißfrei, erschütterungs- und schockresistent und hat ein vergleichsweise großes Drehmoment bei geringer Leistungsaufnahme", beschreibt der Ingenieur die Vorteile.