Scanner für den Hausschlüssel
Wer sich in den USA aussperrt, soll mit der Smartphone-App KeyMe in wenigen Minuten einen Ersatzschlüssel erstellen lassen können.
Wer sich in den USA aussperrt, soll mit der Smartphone-App KeyMe in wenigen Minuten einen Ersatzschlüssel erstellen lassen können.
Das Problem dürfte schon so lange bestehen, wie Menschen in abschließbaren Häusern und Wohnungen leben: Steht man einmal ohne Schlüssel vor der Tür, weil man selbigen vergessen oder irgendwo liegen gelassen hat, ist guter Rat sprichwörtlich teuer. Die Kosten für eine Türöffnung sind inklusive Anfahrt zumeist sehr hoch (wenn man sich nicht sowieso auf schwarze Schafe eingelassen hat) – und nicht immer ist ein Freund oder Familienangehöriger erreichbar, die einen Ersatzschlüssel zur Verfügung stellen könnte.
Das US-Start-up KeyMe_blank hat nun ein Geschäftsmodell für genau solche Menschen entwickelt, die dazu neigen, ihren Wohnungsschlüssel öfter einmal zu verlegen: Die Firma bietet eine App für das iPhone an, mit der sich Schlüssel digitalisieren und wenn nötig "on demand" vervielfältigen lassen.
(Bild: KeyMe)
Greg Marsh, Gründer der Firma, kennt das Grundproblem selbst. Er habe vor zwei Jahren mehrere unschöne Erlebnisse mit Schlüsseldiensten gehabt, die ihn in seine Wohnung an der Lower East Side in New York einlassen mussten. "Je mehr ich über Schlüssel herausfand und wie sie funktionieren, desto klarer wurde mir, dass ein digitales Speichersystem ein guter Ansatz sein könnte", sagte Marsh der "New York Times".
Ist die App einmal installiert, wird die Smartphone-Kamera als Scanner verwendet. Deren Objektiv wird 15 Sekunden lang ruhig auf einen Schlüssel gerichtet, der getrennt vom Schlüsselbund auf einem weißen Hintergrund liegen muss. Die Software erkennt automatisch die Schlüsselart und erstellt mit Hilfe Internet-gestützter Erkennungsalgorithmen ein Profil des Bartes. Es kann dabei etwas dauern, bis die später wieder auslesbaren Messwerte – die auch bei einem Cloud-Dienst gespeichert werden – tatsächlich in der App vorliegen. "Das Letzte, was wir wollen, wäre, Kunden fehlerhafte Schlüssel zu geben, deshalb haben wir strikte Grenzwerte, wann wir ein Ergebnis erteilen und wann nicht", so Marsh zur "NYT". Tatsächlich bedeutet dies auch, das nicht jeder Schlüssel in die persönliche Datenbank aufgenommen werden kann. Klappt der Scan jedoch ohne Störung, sollen sich die gesammelten Geometriedaten jederzeit wieder abrufen lassen, um im Notfall zu einem Schlüsseldienst gehen zu können, der dann anhand der Informationen einen Nachschlüssel erstellt.
(Bild: KeyMe)
Aktuell ist KeyMe nur in den USA verfügbar und kann auch nur mit Schlüsseln umgehen, die sich offiziell kopieren lassen; Sicherheitsschlüssel mit "Do Not Duplicate"-Merkmal ("Nicht duplizieren!") werden beispielsweise nicht akzeptiert. Potenziellen Kunden versichert das Unternehmen zudem "so wenig Informationen wie möglich" zu speichern. Eine Verknüpfung des Schlüssels mit einer Adresse sei nicht möglich.
In einem Test der "New York Times" wurden außerdem Spezialschlüssel, die unter anderem zu einem Briefkasten und zu einem Fahrradschloss gehörten ebenfalls nicht akzeptiert. KeyMe betont allerdings, dass man nach und nach immer mehr Schlüsselarten einlesen können werde, dazu werden die Erkennungsalgorithmen ständig erweitert.
Die App und das Scannen sind zwar kostenlos, will man die gespeicherten virtuellen Schlüssel aber vervielfältigen lassen, werden pro Abruf 10 Dollar fällig – plus der jeweiligen Gebühr für die Schlüsselerstellung, die ebenfalls bei 10 Dollar liegen kann.
(Bild: KeyMe)
Wie ein "NYT"-Reporter in einem Selbstversuch herausfand, ist das nicht besonders billig, da Schlüsseldienste in den USA für das Kopieren eines vorhandenen Schlüssels deutlich weniger verlangen als für die Herstellung eines Schlüssels nach Spezifikation. KeyMe will in Amerika auch eigene Kiosksysteme aufstellen, die Schlüssel auf Knopfdruck herstellen können. Um diese zu sichern, muss sich der Nutzer per Fingerabdruckscan identifizieren. Alternativ lässt sich ein Nachschlüssel auch ganz klassisch per Post bestellen, was für Notsituationen allerdings nicht sinnvoll sein dürfte.
Zudem stellt sich die Frage, ob man KeyMe trauen kann. Sollte sich das Verfahren durchsetzen, ist es durchaus denkbar, dass böswillige Hacker, Sicherheitsbehörden und auch Schlapphüte auf die Firma aufmerksam werden, um sich dann die Daten für einen spurenfreien Einbruch und/oder Untersuchungsmaßnahmen zu besorgen. Das wäre dann eine ganz neue Form des Cloud-Angriffs. (bsc)