Schach mit Patenten

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Das Beispiel Texas Instruments machte Schule, speziell in der amerikanischen Hochtechnologie. IBM bessert seine Bilanz jährlich mit weit über einer Milliarde Dollar Lizenzeinnahmen aus seinen Schutzrechten auf. Das sei nicht nur für IBM selbst ein Gewinn, meint Jerry Rosenthal, Vice President of Intellectual Property und Licensing, sondern für die gesamte Computerbranche. "Großzügiges Lizenzieren schafft Handlungsfreiheit für alle", sagt er, "nur deshalb konnte diese Industrie sich so schnell entwickeln." Wobei IBM seine Patente nicht aus Nächstenliebe teilt: Dem Ostküstenkonzern liegt an Industriestandards nach seinen Wünschen.

Dass cleveres Taktieren mit Patenten keine rein amerikanische Disziplin ist, zeigen Philips und Sony auf dem Gebiet des Digital Rights Management (DRM), auf dem gerade der Kampf um die künftigen Standards tobt. Weil ihre Schutzrechtarsenale auf diesem Gebiet eher schwach bestückt waren, kauften sie vor zwei Jahren gemeinsam das Unternehmen Intertrust und bildeten auf Basis von dessen rund hundert DRM-Patenten einen Patentpool. Andere Medienkonzerne sind eingeladen, unter Einbringung ihrer Patente an diesem Pool teilzuhaben - zu den Bedingungen von Philips und Sony. Im April entrangen sie Microsoft eine Teilnahmegebühr von 440 Millionen Dollar. Allerdings sehen selbst die Cracks des Schutzrechtsgeschäfts mit wachsender Sorge die Unruhestifter. "Ein echtes Ärgernis" nennt IBM-Manager Rosenthal Unternehmen, deren Haupterwerb im Aufkaufen von Patenten gescheiterter Firmen zum Zweck der Lizenzausschlachtung besteht. In den USA treiben mehrere solcher Patent- Raubritter ihr Unwesen und umschreiben es schmeichelnd mit "Intellectual property development" und "IP portfolio management". Zu ersten kleineren Zwischenfällen in Europa kursieren Anekdoten.

Die großen deutschen Unternehmen beteiligen sich eher widerwillig am florierenden Geschäft mit Patenten. Beim Münchener Halbleiterkonzern Infineon etwa fühlt man sich "hineingezogen" in ein Spiel, aus dem man sich lieber heraushalten würde: "Wir wollen unsere Erfindungen vor allem schützen, weniger mit ihnen handeln", sagt Johannes Willsau, Leiter des Bereichs Corporate Intellectual Capital bei Infineon. Solche Bekenntnisse zur Friedfertigkeit helfen indes wenig, wenn andere Streit suchen. So zanken Infineon und andere Speicherchip-Hersteller seit Jahren mit dem kalifornischen Unternehmen Rambus, das sich in den 90er Jahren an der Entwicklung von Industriestandards für Speicher beteiligte – aber verschwieg, dass seine Patente diese Standards abdecken könnten. Nun fordert Rambus hunderte Millionen Dollar an Lizenzgebühren von den großen Chipproduzenten. Ein Ende der Fehde ist nicht abzusehen.

GANZ SO RAU SIND DIE UMGANGSFORMEN anderswo nicht. In der Chemie- und Pharmabranche kann man durchaus Verfahren und Wirkstoffe entwickeln, ohne fremde Schutzrechte zu berühren. Zudem gelten speziell die deutschen Chemieunternehmen als Meister der Patentrecherche - man hat gelernt, sich aus dem Weg zu gehen. Selbst ein Konzern wie Bayer, der die Rolle eines Technologieführers beansprucht, behält seine Erfindungen meist für sich: "Das Verkaufen von Technologie ist für uns von untergeordneter Bedeutung", sagt Lothar Steiling, der das IP-Management des Konzerns leitet. Entsprechend übersichtlich ist das Geflecht der Lizenzverträge. Bayer schließt "grundsätzlich keine pauschalen Austauschabkommen", sagt Steiling, sondern lieber Verträge über "einzelne Patente". Wobei das einzelne Patent gerade in der Chemie und Pharmazeutik besonders wertvoll sein kann: Der Leverkusener Konzern zahlte laut Presseberichten für die letzten Jahre der Laufzeit seines US-Patents für das Antibiotikum Cipro jährlich 25 Millionen Dollar an den amerikanischen Generikahersteller Barr, damit dieser von einem Angriff auf das Kronjuwel im Bayer-Patentportfolio absehe.