Schlapphund + Hasendingens = Anarchie: 30 Jahre "Sam & Max Hit the Road"​

Seite 2: Die weltgrößte Sammlung an Filmzitaten

Inhaltsverzeichnis

Nachdem die Abenteuer von Sam & Max bei LucasArts ihren Anfang in versteckten Zitaten in anderen Spielen nahmen, gibt "Hit the Road" großzügig zurück. Das Adventure ist getränkt mit Filmzitaten – einige offensichtlich, andere subtil.

Als sich Sam einem mysteriösen Spiegel mit wasserartiger Oberfläche nähert, entwickelt sich daraus eine Parodie auf "The Abyss". Eine spätere Cutscene zitiert frech "Jäger des Verlorenen Schatzes". Selbstredend bekommt auch "Star Wars" sein Fett weg: Die Fehlfunktion eines Roboters führt zur Wiedergabe eines bekannten Mini-Hologramms – mit einer leichten Abwandlung.

Andere Anspielungen sind dezenter. Ein glückloser Fischer sieht Woody Allen nicht nur wie aus dem Gesicht geschnitten ähnlich, er spricht auch in der gleichen weinerlichen Stimmlage wie der Komiker in seinen besten Jahren. Gegen Ende des Spiels tritt plötzlich ein alter Weiser auf, dessen Stimme extrem an die der Hollywood-Legende Jimmy Stewart erinnert. Und sieht dieser eine Kürbis am Bildesrand nicht aus wie ... Alfred Hitchcock?

Dieser Kürbis links unten – der sieht doch aus wie ein gewisser Regisseur ...

(Bild: LucasArts)

Dann wäre da noch der Park mit den Dinosauriern – im selben Jahr, in dem Jurassic Park den Dino-Hype aufs Neue entfachte. Zufall oder einfach nur eine Anspielung auf den "World's Largest Dinosaur" in Kanada? Oder hatte ein LucasArts-Programmierer zufällig bei ILM gesehen, wie Steve 'Spaz' Williams einem T-Rex-Skelett Beine machte?

Jenseits der liebevollen Hommages zeigt "Hit the Road" auch immer wieder die Krallen. Der glücklose Bernard aus DOTT steht bei Sam & Max hinter dem Tresen der Burgerbude und hasst den Job dort. Der niederträchtige Country-Sänger Conroy Bumpus trägt ein schlecht sitzendes Toupet, ist ein Gigantomane und wird von einem tumben Bodyguard in speckiger Lederjacke begleitet, der zu allem Überfluss auch noch Lee-Harvey heißt. Im protzigen Anwesen "Bumpusville", einem hässlichen Möchtegern-Graceland, teilt Sam auch hämisch gegen die erste Welle des Virtual-Reality-Hypes aus.

Damals machte "Sam & Max Hit The Road" sich noch über VR lustig, inzwischen gibt es tatsächlich ein VR-Adventure mit den beiden.

(Bild: LucasArts)

Am heftigsten ätzt "Sam & Max Hit the Road" aber, wenn sich Sam mit Max unterhält. Mitunter fasst Max die aktuelle Aufgabe zusammen oder gibt nützliche Hinweise zur Puzzle-Lösung. Meistens werfen sich die beiden aber feine Fiesheiten an den Kopf oder faseln inspirierten Blödsinn. Gelegentlich prügeln sie sich sogar und mitunter behandelt Sam seinen Kompagnon so unsanft, wie das nur mit einem unzerstörbaren Hasendingens geht.

Die Gespräche zwischen den beiden Protagonisten sind das absolute Highlight des Spiels. Als Sam etwa eine tickende Bombe loszuwerden versucht, bittet er Max um Hilfe. Dessen ungerührter Vorschlag: "Schmeiß sie aus dem Fenster, Sam. Dort draußen sind nur Fremde!"

Mit einem halben Jahr Verspätung erschien Sam & Max seinerzeit auch in einer deutsch synchronisierten Fassung. Hans-Gerd Kilbinger gibt Sam den nötigen resignierten Tonfall vom Typ "ich habe alles schon mal gesehen"; Max quengelt mit der Stimme von Sandra Schwittau (u. a. Bart Simpson) wie ein koffeinsüchtiger Sechsjähriger herum. Doch da viele der US-spezifischen Anspielungen des Originals unübersetzbar sind, muss sich die deutsche Version an eigenen Witzen versuchen, was nicht immer gut geht.

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Das US-Original gewinnt ungemein durch die absurd gestelzte Ausdrucksweise der Figuren. Die indignierte Dialogzeile "I'm not a malefactor, I'm a lagomorph!" bewegte mich seinerzeit, dreizehn Jahre vor Google Translate, zum Kauf eines größeren Englischwörterbuchs. (Es steht immer noch irgendwo in der Wohnung herum – zu teuer, um es wegzuwerfen, und zu unhandlich, um es jemals wieder zu benutzen.)

Obwohl "Hit the Road" nahtlos an den kritischen und finanziellen Erfolg von "Monkey Island" und "Day of the Tentacle" anknüpfte, gab es von Sam & Max nie ein zeitgemäßes Remaster.

Stattdessen machten die beiden Figuren einen Ausflug in das Vormittagsprogramm von Fox Kids: Dort flimmerte ab Oktober 1997 die Serie "The Adventures of Sam & Max: Freelance Police" über den Bildschirm. In der Zeichentrickserie hatten Sam & Max striktes Schusswaffenverbot und mussten ihre Ausdrucksweise etwas zurücknehmen. Die Absurdität der Figuren und ihrer Kriminalfälle blieb hingegen ebenso erhalten wie die Tendenz zu beherzten Popkultur-Parodien.

Parallel dazu gab es mehrere Anläufe, eine Sequel des Adventure-Spiels auf die Beine zu stellen: "Plunge Through Space" scheiterte 2002 am Budget; "Freelance Police" wurde 2004 abgeblasen, weil LucasArts daran zweifelte, dass es noch einen Markt für Grafik-Adventures gab.

2006 steckte Telltale Games den Hund und Hasen in ein neues Adventure, geschrieben und umgesetzt von ehemaligen LucasArts-Entwicklern. "Sam & Max Save The World" war ein derartiger Erfolg, dass zwei weitere Spiele folgten: "Beyond Time and Space" sowie "The Devil's Playhouse".

Dann ging Telltale unter. Eine Gruppe dort arbeitslos gewordener Entwickler erwarb die Lizenz für eine Neuauflage der drei Adventures. 2020 veröffentlichte Skunkape Games ein technisch gelungenes Remaster von "Save the World" – mit einer relativ kleinen, aber folgenschweren Änderung. Ursprünglich hatte dem paranoiden schwarzen Ladenbesitzer "Bosco" ein weißer Sprecher die Stimme geliehen. Da dies nicht mehr zeitgemäß erschien, wurden seine Dialogzeilen von einem schwarzen Sprecher neu aufgenommen. Auch entfernte Skunkape einige Witze, die schon 2006 eher grenzwertig waren. Es gab einen kleinen Sturm im Wasserglas ("Zensur!"), woraufhin die Entwickler alle Änderungen sorgfältig dokumentierten und Käufern die Originalversionen zum Download bereitstellten, einschließlich aller Unzeitgemäßheiten.

Inzwischen hat Skunkape auch "Beyond Time and Space" remastered; eine überarbeitete Version von "The Devil's Playhouse" wird wohl im Dezember dieses Jahres erscheinen.

Parallel dazu veröffentlichte HappyGiant vor zwei Jahren ein Sam-&-Max-Adventure für die VR-Brille Oculus Quest, "This Time It's Virtual!". Die erste Ankündigung klang wie ein Witz, hatten doch sowohl "Hit the Road" als auch "Save the World" ausgiebig über Virtual Reality gespottet. Doch "This Time It's Virtual" ist echt.