Schweres Wasser gegen Einbrennen am OLED

LG will OLED-TVs mit schwerem Wasserstoff vor Burn-In bewahren und spricht dabei von "Deuterium-basierter Stabilität". Wie wirkt Deuterium im OLED eigentlich?

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(Bild: LG Display)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Peter Palomaki
Inhaltsverzeichnis

Als Chemiker und Display-Enthusiast war ich fasziniert, als ich gebeten wurde, über Deuterium in OLEDs zu schreiben. Um ehrlich zu sein habe ich bislang nicht viel darüber nachgedacht. Aber ich bin immer für eine Herausforderung zu haben, vor allem wenn ich etwas Neues lernen kann.

Es ist bekannt, dass Wasserstoff in drei Isotopen vorkommt (ja, graben Sie tief in Ihrem Chemiewissen!). Alle drei Isotope haben ein Elektron und ein Proton (Ladung = 0), doch sie enthalten unterschiedlich viele Neutronen im Kern: Protium, Deuterium und Tritium enthalten 0, 1 beziehungsweise 2 Neutronen. Sie werden technisch gesehen aber immer noch als Wasserstoffatome betrachtet.

Die drei Wasserstoff-Isotope

(Bild: Wikimedia)

Wasserstoffatome kommen selten allein vor, eher als H2, H2O oder als wichtiger Bestandteil organischer Moleküle. Vielleicht haben Sie schon einmal von "schwerem Wasser" gehört. Schweres Wasser enthält Deuterium anstelle von Protium und hat eine höhere Dichte als normales Wasser. Es ist so dicht, dass gefrorenes D2O im Wasser sinkt. Ich erwähne das nur, um zu zeigen, dass Deuterium zu einigen interessanten physikalischen und chemischen Materialveränderungen führen kann.

Ein Wasserglas mit einfachem schwimmenden Eiswürfel H2O (links) und mit "schwerem" Eiswürfel D2O, der aufgrund seiner höheren Dichte sinkt (rechts).

(Bild: Journal of Chemical Education (Video))

Wie häufig kommt Deuterium (und Tritium) vor? Nicht sehr häufig. Die drei Isotope des Wasserstoffs liegen in der Natur wie folgt vor:

  • 99,98 % Protium
  • 0,016 % Deuterium
  • <0,01 % Tritium

Tritium ist instabil (daher seine Rolle in Wasserstoffbomben), weshalb es ziemlich selten vorkommt. Aber auch der Anteil von Deuterium ist recht gering – obwohl es stabil ist. Nur etwa eines von 6000+ Wasserstoffatomen enthält das zusätzliche Neutron, das es zu Deuterium macht. Diese Tatsache kann bei einem Quiz-Abend hilfreich sein (ok, eher unwahrscheinlich, aber es wird sich später in diesem Beitrag als nützlich erweisen).

An Deuterium als OLED-Bestandteil wird bereits seit über zehn Jahren geforscht, und zwar sowohl in Wirts- als auch in Emittermaterialien. Schon vorher wurde Deuterium jahrzehntelang zur Untersuchung des sogenannten Isotopeneffekts bei chemischen Reaktionen verwendet.

Grundsätzlich können Chemiker Deuterium-Atome anstelle von Wasserstoff verwenden, um herauszufinden, wie sich dadurch beispielsweise die Geschwindigkeit einer Reaktion (die Reaktionskinetik) verändert. Moleküle, die normalerweise ein an Kohlenstoff gebundenes Wasserstoffatom (C-H) enthalten, haben eine höhere Kinetik als das gleiche Molekül, bei dem das H durch D (C-D) ersetzt wurde. Der Grund: Da eine C-D-Bindung im Vergleich zu einer C-H-Bindung schwerer zu brechen ist, reagiert C-D langsamer (oder erfordert eine höhere Temperatur).

Wichtig ist, dass der Austausch von H gegen D nicht die elektronischen Zustände, sondern nur die Kinetik verändert. Dinge wie Emissionswellenlängen und Energieniveaus sollten bei OLED-Materialien also unverändert bleiben.

Wenn Sie wie ich ein Chemiker sind, der sich für kinetische Isotopeneffekte interessiert, können Sie hier mehr darüber lesen.

Peter Palomaki

Peter Palomaki ist Inhaber und leitender Wissenschaftler von Palomaki Consulting. Seine Firma hat sich darauf spezialisiert, Unternehmen bei der Lösung großer Probleme auf der Nanoskala zu helfen. Sein Spezialgebiet sind Quantenpunkte und Materialchemie.

Eine hervorragende (veröffentlichte) Studie für die Verwendung von Deuterium in OLED-Bauelementen aus dem Jahr 2014 zeigte eine dramatische 5-fache Verlängerung der Lebensdauer beim Einsatz von Deuterium. In diesem Beispiel wurde Deuterium im Host verwendet und absichtlich an einer Stelle des Moleküls platziert, von der bekannt war, dass dort der Degradationsmechanismus auftritt. Die Daten zeigen, dass es noch besser wäre, wenn CH3 das H ersetzen könnte (>20-fache Verlängerung der Lebensdauer). Das ist jedoch nicht immer realistisch, weil sich die Moleküle auch auf elektronischer Ebene verändern würden.

Deuterium statt Protium im Host verfünffachte im Experiment die Lebensdauer der organsichen Leuchtschicht; in Kombination mit Kohlenstoff ließ sich die Lebensdaur sogar verzwanzigfachen

(Bild: Chemical Communications)

Mit Deuterium statt Protium an einer Stelle, die normalerweise der Schwachpunkt in Sachen Stabilität ist, können Chemiker diejenigen Reaktionen verlangsamen, die zum Zerfall dieser Moleküle führen, und so die Lebensdauer verlängern.

Auf der CES behauptete LG, dass sich die Lebensdauer durch die "deuteriumbasierte Stabilität" um 30 Prozent erhöht. Allerdings haben LG, UDC und andere bereits viele Optimierungen an ihren organischen Molekülen für OLED-Displays vorgenommen. Deshalb wundert es mich nicht, dass sie nicht eine fünffache Steigerung verkünden können. Das oben erwähnte Papier stammt aus dem Jahr 2014. Seinerzeit gab es noch mehr Raum für Verbesserungen.

Man sollte aber auch bedenken, dass die OLED-Displays dank dieser Verbesserung durch Deuterium heißer beziehungsweise heller und dennoch mit einem geringeren Einbrenn-Risiko betrieben werden könnten. Dadurch wird ein wesentliches Risiko beim Nutzer reduziert und gleichzeitig eine historische Schwäche von OLED im Vergleich zu LCDs (die geringere Helligkeit) gemildert.

LG verspricht für seine OLED EX-Panels längere Lebensdauer beziehungsweise höhere Leuchtdichten.

(Bild: LG Display)

Warum tauschen die Chemiker also nicht einfach in allen OLED-Emittern, Hosts und so weiter H gegen D aus? Glauben Sie mir, wir alle wünschten, es wäre so einfach. Erinnern Sie sich? Nur 1 von 6000+ Wasserstoffatomen ist Deuterium. Hierin liegt das Problem. Die Isolierung (oder Anreicherung) von deuteriumhaltigen Molekülen ist eine aufwendige und damit teure Angelegenheit. Und sie gelingt nicht immer perfekt.

Schon die Beschaffung der Ausgangsstoffe für die Herstellung deuterierter Moleküle kann ein Problem darstellen. Und falls man sie doch bekommen hat, muss man dafür richtig bezahlen: Ein Liter 99,9 prozentiges D2O von Sigma Aldrich kostet beispielsweise mehr als 1.300 Dollar (Stand Januar 2022). Ein Liter deionisiertes Wasser aus der gleichen Quelle nur etwa 10 Dollar pro Liter (immer noch Abzocke, aber nur damit sie eine Idee bekommen).

Offensichtlich haben LG oder seine Zulieferer einen kostengünstigen Weg gefunden, Deuterium zu erzeugen. Vielleicht passiert dass schon seit Jahren, aber die Firma spricht erst jetzt darüber? Letztlich hat sich LG für die Verwendung des Schlagworts Deuterium fürs Marketing entschieden, weil sei bei OLEDs immer die Fragen nach Einbrennen, Lebensdauer und Helligkeit beantworten mussten (im Vergleich zu LCD und jetzt auch QD-OLED). Jetzt kann LG zumindest auf etwas Konkretes verweisen, das diesen Effekt mildern soll. Ob Einbrennen ein Problem bleibt oder nicht, wird aber nur die Zeit zeigen.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Display Daily.

(uk)