So funktionieren geschlossene Bezahlsysteme für Kleinbeträge

Seite 6: Ausblick: Von Hybriden und Open Loops

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Vor allem durch das Smartphone entwickelt sich die Technik weiter – hin zu offenen oder hybriden Systemen. Das zeigen etwa moderne Nahverkehrs-Apps einzelner Verkehrsverbünde: Der Fahrgast hält eine Karte oder sein Smartphone beim Ein- und Ausstieg an ein Lesegerät und kann nach dem Prinzip "Pay as you go" ohne vorheriges Tarifstudium unbesorgt die Dienstleistungen und Fahrzeuge des Anbieters nutzen. Das System entscheidet erst im Nachhinein, welche Variante für den Fahrgast die kostengünstigste war. Hat der Kunde nur wenige Fahrten gemacht, stellt es ihm diese als Einzelfahrten in Rechnung, überschreitet er eine bestimmte Grenze, berechnet es ihm die günstigere Tageskarte.

Was lange in Closed Loops lief, funktioniert im Nahverkehr mittlerweile auch mit Open-Loop-Systemen. Sie sind flexibler, aber dadurch auch komplexer in der Administration. Ein Beispiel dafür ist der öffentliche Personennahverkehr in London. Dort gibt es seit vielen Jahren mit der "Oyster card" ein geschlossenes System mit proprietären Karten, das mit "Pay as you go" und Tages-Maximalwerten schon durchaus clever ist. Inzwischen hat Transport for London das System jedoch geöffnet und man kann dort alternativ auch jede in Großbritannien übliche Kredit- oder Debitkarte nach diesen Grundsätzen nutzen, egal ob physische Debit- oder Kreditkarte oder mobiles Bezahlen per NFC von Google Pay bis Apple Pay.

Im Fall der ÖPNV-Nutzung bietet London Transport sogar an, zu einer registrierten Kredit- oder Debitkarte nachträglich die Historie der Fahrten einzusehen und den Einsatz der Karte im Nachhinein zu kontrollieren. Gleichzeitig entfällt die Restguthaben-Problematik, da es sich nicht mehr um ein Prepaid-System handelt. All das setzt natürlich voraus, dass London Transport das Nutzungsverhalten mit sämtlichen Ein- und Ausstiegen lückenlos über dieselbe Karte tracken und die Daten zusammenführen kann.

Mit modernen ÖPNV-Bezahlsystemen kann man direkt im Bus oder in der Bahn ein- und auschecken. Ist der Preis einer Tageskarte erreicht, wird es nicht mehr teurer.

Auch in den Fußballstadien setzen sich Open-Loop-Systeme zunehmend durch. So hat der FC Bayern die Münchner Allianz-Arena zwar komplett auf bargeldloses Bezahlen umgestellt. Er setzt hierfür aber eine Technik ein, die mit jeder NFC-fähigen Karte oder Smartphones auf Kontaktlos-Basis funktioniert, ebenso mit Apple Pay. Ähnlich machen es etwa zwei Dutzend andere Klubs in Liga eins und zwei. Vorteil oder Nachteil, je nach Standpunkt: Fußballfans können Bier und Würstchen kaufen, solange das Kartenlimit es hergibt und müssen zwischendurch keine Ladestation mehr aufsuchen. Das kann für die Vereine auf lange Sicht lukrativer sein als Schlummergroschen.

Eintracht Frankfurt geht noch etwas weiter: Der Verein bietet in Zusammenarbeit mit der Deutschen Bank und Mastercard zusätzlich ein mobiles Bezahlsystem namens "Mainpay" an. Nutzer erhalten eine digitale Mastercard-Debitkarte, die sie mit Apple Pay und Google Pay nutzen können – auch außerhalb des Stadions, also etwa im Einzelhandel oder online. Das Geld wird dann vom Girokonto des Nutzers abgebucht.

Einige Vereine, die auf Open-Loop-Systeme und vollständig bargeldlose Zahlungen setzen, bieten aus Inklusionsgründen weiterhin Wertkarten gegen Barzahlung an, obwohl diese den Vereinen zufolge nur noch eine Minderheit der Kunden tatsächlich benötigt. Das dürfte in den nächsten Jahren auch die größte Herausforderung sein, nicht nur in Fußballstadien: Selbst wenn immer mehr Akzeptanzstellen auf praktische und schnelle bargeldlose Lösungen setzen, dürfen Menschen nicht ausgegrenzt werden, die keinen Zugang zu Konto und Debitkarte haben oder diesen nicht nutzen wollen.

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(mon)