So könnten Transmänner Kinder bekommen​

Seite 2: Forschung am Reifeprozess der Eizellen

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Telfer und ihre Kollegen untersuchten darüber hinaus auch 4.526 Eifollikel aus Teilen der acht testosteronexponierten Eierstöcken. Etwa 94 Prozent der Follikel daraus wuchsen nicht weiter. Der entsprechende Anteil bei Eierstöcken von Frauen, die kein Testosteron eingenommen hatten, betrug 85 Prozent.

Anschließend versuchte das Forscherteam, Eizellen aus den Eierstöcken der trans Männer reifen zu lassen. Bei dieser Methode wird das Gewebe um die Follikel herum aufgeschnitten und in einer Schale gestreckt. Dadurch werden offenbar Signalwege im Gewebe ausgelöst, die es den Follikeln ermöglichen, reife Eizellen freizusetzen. Tatsächlich konnten die Forscher eine kleine Anzahl von Eiern so weit reifen lassen, dass sie für die Befruchtung durch Spermien bereit waren.

Theoretisch könnte das Team mithilfe von künstlicher Befruchtung aus den Eiern Embryonen erzeugen, die sich dann in die Gebärmutter eines Partners oder einer Leihmutter übertragen lassen. Im Vereinigten Königreich ist dafür eine Lizenz von der Human Fertilisation and Embryology Authority (HFEA) nötig. In den USA ist eine solche Lizenz nicht erforderlich. Die Technik wird einige transgender Männer ansprechen, sagt Ojeda: "Je mehr Möglichkeiten [zur Familiengründung] wir als transsexuelle Menschen haben, desto besser".

Telfer und ihre Kollegen sind allerdings noch nicht ganz so weit gegangen. Die ersten Eizellen, die das Team im Labor reifen ließ, sahen nicht ganz normal aus. Wenn Eizellen reifen, durchlaufen sie normalerweise eine spezielle Art der Zellteilung. Bei dieser Meiose wird die Anzahl der Chromosomen halbiert, damit bei der Befruchtung durch die Spermien keine doppelte Chromosomenzahl entsteht. Bei der Meiose werden nicht verwendete Chromosomen in eine kleine Satellitenzelle an der Eizelle, den so genannten Polkörper, abgetrennt. Die Polkörper der im Labor gereiften Eizellen sahen allerdings ungewöhnlich groß aus.

Große Polkörper sind wahrscheinlich harmlos. Aber das Team veränderte vorsichtshalber den Inhalt der Nährflüssigkeit, in der die Eier reifen. Neuere Versuche haben zu typischer aussehenden Eiern geführt, sagt Telfer. Das Team hat bisher etwa zehn Eier reifen lassen, aber das Projekt ist noch nicht abgeschlossen. "Ich möchte, dass unser Kultursystem robuster ist, bevor wir eine Befruchtung versuchen", sagt Telfer.

Sie möchte das Verfahren an Schafen testen, bevor sie es an Menschen ausprobiert. Diese Versuche sollen noch in diesem Jahr durchgeführt werden. Wenn sie erfolgreich sind, sagt Babayev voraus, dass sich die Technik in den Kliniken durchsetzen wird. Die meisten Fruchtbarkeitsbehandlungen durchlaufen klinische Studien, bevor sie in großem Umfang von Kliniken angeboten werden.

"Natürlich müssen die Probleme noch gelöst werden, aber wenn die Methode erfolgreich ist, glaube ich nicht, dass es lange dauern wird, bis andere Kliniken sie sehr, sehr schnell einführen", sagt Babayev. Er wartet jedoch auf weitere Beweise, um sich davon zu überzeugen, dass die Technik klinisch funktioniert. "Ich müsste erst einmal ein Baby sehen", sagt er.

Wenn die Technik transgender Männern helfen kann, gesunde Babys zu bekommen, könnte sie auch in vielen anderen Fällen nützlich sein, meint Rodriguez-Wallberg. Bei Kindern, die sich einer Krebsbehandlung unterziehen müssen, die ihre Eierstöcke schädigen kann, könnten zunächst Teile der Eierstöcke eingefroren werden, um ihnen die Möglichkeit zu geben, später eigene biologische Kinder zu bekommen.

Die Methode könnte auch anderen Menschen mit Kinderwunsch helfen, sagt Kutluk Oktay, Spezialist für reproduktive Endokrinologie und Fertilitätserhaltung an der Yale School of Medicine. Das Einfrieren von Eierstöcken könnte eine Alternative zum Einfrieren von Eizellen sein: Eine einzige Eierstock-Biopsie könnte den vielen Schritten bei der Eizellentnahme vorzuziehen sein.

Und während bei einer Eizellentnahme in der Regel etwa zehn Eizellen gewonnen werden, könnten es aus einem winzigen Stück Eierstock 100 Eizellen sein. "Eine kleine Biopsie aus den Eierstöcken könnte für eine Menge Babys ausreichen", sagt Oktay. "Wenn wir herausfinden können, wie wir das effizient machen, könnte sich das weit verbreiten."

(jle)