Steigender Strombedarf: Nicht nur KI und Rechenzentren sind Treiber

Der globale Strombedarf steigt rasant. Doch entgegen der landläufigen Meinung ist nicht nur KI der Treiber, sondern vor allem der Boom in den Schwellenländern.

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Ein StĂĽck unbekanntes, dunkles Material in Form einer Batterie, das in Richtung Himmel gehalten wird. In der Mitte ist ein Ausschnitt in Form eines Blitzes, durch den der Himmel zu sehen ist.

(Bild: sommart sombutwanitkul/Shutterstock.com)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Casey Crownhart
Inhaltsverzeichnis

Die Energiebranche muss sich künftig mit einem Ausgleich zwischen dem großen Strombedarf aus dem KI-Sektor und dem fortschreitenden Klimawandel auseinandersetzen. Dabei zeigt sich ein kaum beachtetes Bild, welche Länder den Strombedarf antreiben werden.

Einem neuen Bericht der Internationalen Energieagentur zufolge stieg der Strombedarf im Jahr 2024 um 4,3 Prozent und wird bis 2027 weiterhin jährlich um jeweils fast 4 Prozent wachsen. Das sind Zahlen, die schnell sehr groß werden. Das liegt nicht zuletzt am Bedarf der KI-Industrie. Doch das ist nur die halbe Wahrheit, denn der Bedarf wächst nicht nur hier. Was tatsächlich hinter diesem Anstieg steckt, ist kompliziert. Ein Großteil der Steigerung kommt aus China, Indien und Südostasien. Klimaanlagen, Elektrofahrzeuge und Fabriken spielen auch eine wichtige Rolle.

Wir haben deshalb die wichtigsten Vorhersagen über den weltweiten Stromverbrauch im Jahr 2025 zusammengetragen – sowie Informationen über die nächsten Entwicklungen. Dabei zeigt sich ein kaum beachtetes Bild: Bis 2027 werden wohl rund 85 Prozent des Wachstums der Stromnachfrage aus den Entwicklungs- und Schwellenländern kommen. China ist dabei eine besonders starke Triebfeder, auf die im vergangenen Jahr mehr als die Hälfte des weltweiten Wachstums der Stromnachfrage entfiel. Aber eben nicht nur.

Der Einfluss selbst einzelner Sektoren in China ist jedoch atemberaubend. So wurden im Jahr 2024 etwa 300 Terawattstunden Strom allein für die Produktion von Solarmodulen, Batterien und Elektrofahrzeugen verbraucht. Das ist so viel Strom, wie Italien in einem Jahr verbraucht. Und dieser Sektor wächst rasant. Der Boom in der Schwerindustrie, die steigende Zahl von Klimaanlagen und der robuste Markt für Elektrofahrzeuge lassen Chinas Stromnachfrage in die Höhe schnellen. Und auch in Indien und Südostasien wird die Nachfrage aufgrund des Wirtschaftswachstums und der zunehmenden Verbreitung von Klimaanlagen überdurchschnittlich steigen.

Und es ist noch viel Wachstum zu erwarten – aus Bereichen, die kaum mitbedacht werden. 600 Millionen Menschen in Afrika haben beispielsweise immer noch keinen Zugang zu zuverlässiger Elektrizität. Aber: Nach einer im letzten Jahr veröffentlichten IEA-Prognose dürften Rechenzentren bis 2030 weniger als zehn Prozent des weltweiten Stromnachfrageanstiegs ausmachen. Das ist weniger als das erwartete Wachstum, das auf andere Faktoren wie Elektrofahrzeuge, Klimaanlagen und die Schwerindustrie zurückzuführen ist.

Rechenzentren bleiben jedoch ein wichtiges Thema für westliche Volkswirtschaften wie die USA und viele Länder in Europa. Als Gruppe haben diese Regionen in den letzten 15 Jahren eine flache oder rückläufige Stromnachfrage verzeichnet, was zum Teil auf Effizienzsteigerungen zurückzuführen ist, plus Maßnahmen im Rahmen der Energiewende. Rechenzentren kehren diesen Trend jedoch um. Nehmen wir zum Beispiel die USA. Der IEA-Bericht verweist auf Untersuchungen, die zeigen, dass die zehn Staaten mit dem größten Wachstum bei Rechenzentren zwischen 2019 und 2023 einen Anstieg der Stromnachfrage um zehn Prozent verzeichnen. In den anderen 40 Ländern ging die Nachfrage im gleichen Zeitraum um etwa drei Prozent zurück.

Ein wichtiger Punkt ist, dass niemand mit Sicherheit weiß, was mit den Rechenzentren in Zukunft geschehen wird, insbesondere mit denen, die für den Betrieb von KI benötigt werden. Die Prognosen gehen weit auseinander, und kleine Änderungen könnten den Energiebedarf für diese Technologie drastisch verändern, man denke nur an Deepseek und andere effizientere KI-Modelle. Interessant ist auch, dass Rechenzentren in China in Zukunft zu einer weiteren Quelle für den wachsenden Strombedarf werden könnten, der sich bis 2027 verdoppeln soll (aber auch hier sind die Prognosen sehr unsicher).

Die steigende Stromnachfrage kann zum Teil als positiv für unser Klima angesehen werden. Der Einsatz einer Wärmepumpe anstelle einer Erdgasheizung kann dazu beitragen, die Emissionen zu verringern, auch wenn der Stromverbrauch dadurch steigt. Aber wenn wir das Stromnetz erweitern, dürfen wir nicht vergessen, dass es vielerorts noch weitgehend auf fossiler Basis läuft.

Die gute Nachricht ist, dass die erneuerbaren und emissionsarmen Stromquellen in so hohem Maße ausgebaut werden, dass der wachsende Bedarf gedeckt werden könnte. Allein der rasche Ausbau der Solarenergie liefert genug Energie, um die Hälfte des bis 2027 erwarteten Nachfragewachstums zu decken, meinen Beobachtende. Auch bei der Kernenergie wird ein baldiger Aufschwung erwartet, da die wirtschaftliche Erholung in Frankreich, die Wiederinbetriebnahmen in Japan und neue Reaktoren in China und Indien zu einer stärkeren globalen Industrie beitragen.

Der Ausbau der erneuerbaren Energien zur Deckung des Strombedarfs fĂĽhrt jedoch nicht automatisch dazu, dass fossile Brennstoffe vom Netz genommen werden. Die bestehenden Kohle- und Erdgaskraftwerke tuckern noch ĂĽberall auf der Welt weiter. Um die Emissionen zu senken, mĂĽssen kohlenstoffarme Energiequellen nicht nur schnell genug wachsen, um die neue Nachfrage zu decken, sondern auch, um die vorhandenen schmutzigeren Quellen zu ersetzen.

Es ist nicht per se schlecht, dass Nachfrage und Stromnetz wachsen. Mehr Menschen mit Klimaanlagen auf Basis grüner Energie und mehr Fabriken, die Solarpaneele herstellen, können positiv gewertet werden. Aber es wird eine Herausforderung sein, mit dieser rasant wachsenden Nachfrage Schritt zu halten – eine Herausforderung, die erhebliche Auswirkungen auf unsere Fähigkeit haben könnte, die Klimaemissionen zu senken.

Dieser Beitrag ist zuerst bei t3n.de erschienen.

(mack)