Streitgespräch: "Und das finden Sie jetzt gut?"

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Weber: Diese berühmte Belastung der Stromkunden – da geht mir der Hut hoch. Die Strompreise für Haushalte sind in den letzten zehn Jahren jährlich um vier Prozent gestiegen. Und bis ungefähr 2006 war da nicht viel von der EEG-Umlage drin. Das EEG hat außerdem der energieintensiven Industrie einen Vorteil von rund einem Cent pro Kilowattstunde gebracht.

Dieses ganze Geschrei, durch das EEG vertreiben wir die energieintensive Energie, ist zu hundert Prozent falsch. Es ist eine Irreführung der Bevölkerung. Ein Vorstandsvorsitzender eines großen deutschen Industriewerks hat mir privat gesagt: "Herr Weber, über diesen Effekt sprechen wir doch nicht in der Öffentlichkeit."

Vahrenholt: Die Rechnung für die Haushaltskunden steigt in 2013 von durchschnittlich 125 Euro EEG-Umlage auf 185 Euro. Sie haben recht, wenn Sie die energieintensiven Betriebe betrachten. Wir müssen aber die gesamte Industrie sehen. Die Champions, die wir haben, sind die Maschinenbauunternehmen, die Elektro- und Fahrzeugindustrie. Die haben einen Stromkostenanteil von fünf bis zehn Prozent. Die können einen Aufschlag von fünf Eurocent nicht so einfach wegstecken.

Weber: In den letzten zehn Jahren sind die doch auch mit vier Prozent Strompreissteigerung pro Jahr zurechtgekommen. Wenn jemand zehn Prozent seiner Kosten für Strom ausgibt, sehe ich nicht, dass er dadurch aus dem Markt geworfen wird.

Vahrenholt: Aber es wird schwieriger für ihn. Wollen wir das?

Weber: Was die Photovoltaik angeht, kann ich Sie beruhigen. Ab 2020 werden wir dafür keine zusätzliche EEG-Umlage mehr brauchen, wahrscheinlich schon früher. Schon heute kann sich jeder seinen Strom auf dem Dach der Gebäude billiger herstellen, als der Strom aus der Steckdose kostet.

Vahrenholt: So darf man doch nicht diskutieren. Wer soll denn dann bitte schön das Netz bezahlen, wenn wir alle nur noch den Blick auf die Energiepolitik vom Wohnzimmer haben? Solange die Photovoltaik über fünf Eurocent kostet, verteuern Sie mit jedem zusätzlichen Panel die Kosten.

Weber: Nein. Und zwar aus dem einfachen Grund: Photovoltaik wird meist mittags eingespeist, wenn der Strom am teuersten ist und die großen Stromhersteller in der Vergangenheit ihren besten Profit machten. Und dies wird ihnen massiv durch die Photovoltaik versauert.

Vahrenholt: Und das finden Sie jetzt richtig gut, was?

Weber: Ja, das finde ich richtig gut. Denn davon haben sowohl Industrie als auch Verbraucher einen Vorteil.

Vahrenholt: Nein, haben sie nicht. Ich merke, dass Sie das System noch nicht verstanden haben. Das Problem ist, dass Gaskraftwerke mittags nicht mehr ans Netz kommen. Wir bauen doch nicht die modernsten Gaskraftwerke, die wir dann nicht mehr fahren können, weil mittags die Sonne Vorrang hat. Als Nächstes geht die Wirtschaftlichkeit der Pumpspeicherkraftwerke kaputt. Und danach die der Kohlekraftwerke. Da kann man sagen: Das ist doch toll, das wollten wir doch eigentlich alle. Das Problem ist nur, dass dann die 80 Prozent fehlen, die im Augenblick das ganze System stabil halten. Dann muss man sich nicht wundern, wenn es irgendwann zusammenkracht.

TR: Was wäre denn die Lösung?

Vahrenholt: Die Lösung der Politik wird sein, Gaskraftwerke dafür zu bezuschussen, dass sie in Bereitschaft stehen und nur wenige Stunden im Jahr Strom produzieren – bezahlt von den Stromkunden. Das ist der sogenannte Kapazitätsmarkt. Da wird man vor der Wahl aber wohl nicht mehr drüber reden. Wir sind dabei, den deutschen Strommarkt zu zerstören. Sie kriegen an der Börse nur noch fünf Eurocent pro Kilowattstunde. Ein neues Kraftwerk kann man damit nicht bauen.

TR: Das heißt, Sie sind für höhere Stromkosten?

Vahrenholt: Das ist doch nicht meine Idee. Ich bin für Wettbewerb. Und da die Erneuerbaren aus dem Wettbewerb herausgenommen wurden, wird der Markt ausgehebelt.

Weber: Herr Vahrenholt argumentiert auf beiden Seiten des Zaunes. Auf der einen Seite beklagt er sich, dass durch die Erneuerbaren die Strompreise steigen, auf der anderen Seite, dass die Strompreise kaputt gemacht werden. Ich denke, da sollte man sich für eine der beiden Klagen entscheiden.

Vahrenholt: Das sind aber zwei Seiten der gleichen Medaillen. Ich beklage mich darüber, dass der Strompreis am Markt gedrückt wird, aber hintenrum, am Markt vorbei, wieder verteuert wird. Weber: Ich würde es zwar auch nicht für gut halten, aber wenn es sein muss, wäre ich dafür, Gaskraftwerke zu subventionieren.

TR: Stellen Sie sich vor, Sie dürften die Eckpunkte der künftigen Energiepolitik festlegen. Wie würden die aussehen?

Vahrenholt: Bevor Sie die Erneuerbaren weiter ausbauen, müssen Sie für Leitungen und Speicher sorgen. Und was nicht die Perspektive hat, in wenigen Jahren unter zehn Eurocent zu kommen, darf man gar nicht erst anfassen.

TR: Was wären die politischen Maßnahmen, das zu erreichen?

Vahrenholt: Die Politik ist so in der Sackgasse, dass sie das mit ein paar Maßnahmen nicht mehr geradebiegen kann. Wenn wir keine Nachbarn hätten, wären wir jetzt schon im Eimer. Am 7. Februar hatten wir haarscharf den Blackout in Deutschland. Vermieden dadurch, dass wir ein altes Ölkraftwerk in Graz noch mal eben zuschalten konnten.

Weber: Ich würde den Ausbau der dezentralen Erneuerbaren betonen, also Photovoltaik auf dem Dach und Windanlagen nahe den Verbrauchern. Dazu gehören auch Investitionen in regionale Verteilnetze und in Speicher. Ein weiterer Aspekt: Wie können wir Haushalten mit wenig Einkommen helfen? Zum Beispiel durch einen preiswerten Grundpreis für die ersten 2500 Kilowattstunden, der dann mit zunehmender Strommenge ansteigt. Ein solcher Strompreis würde überall das Sparen fördern. Das Smart Grid kann zudem jedem Verbraucher ermöglichen, die Schwankungen des Strompreises zu berücksichtigen. Wenn wir negative Strompreise vermeiden wollen, sollten wir das nicht tun, indem wir Photovoltaik- und Windkraftanlagen abschalten, sondern zum Beispiel, indem wir Warmwasser erzeugen.

Vahrenholt: Photovoltaik macht Wasser warm. Super. Mit der Edelenergie Strom zu heizen ist für mich ein Tabubruch sondergleichen. Jetzt werden wir den alten Nachtspeicherofen zurückbekommen. Wissen Sie, das mit dem Smart Grid ist ganz nett. Aber auch dahinter steckt die Sicht vom Wohnzimmer auf die Energiepolitik. Dabei gehen 75 Prozent des Stroms hierzulande in Industrie und Gewerbe.

Weber: Es gibt sogar das Konzept des saisonalen Speichers. Wo früher Ölheizungen mit großen Tanks waren, kann man einen 5000-Liter-Wasserbehälter hinsetzen und hat dann heißes Wasser bis in den Herbst hinein. Solche Schritte werden bei uns in Deutschland noch viel zu wenig getan. Die Bundesregierung kann die Energiewende absolut offensiv weitertreiben. So werden wir Selbstversorger und entwickeln Technologien, welche die Welt sowieso früher oder später brauchen wird.

TR: Bisher ging man immer davon aus, dass fossile Brennstoffe laufend teurer werden. Nun kommt aber Schiefergas dazu, mit dem in den USA schon mehr Strom erzeugt wird als mit Kohle. Wird das den Durchbruch der Erneuerbaren auf ungewisse Zeit aufschieben?

Weber: Nein, ich sehe das nicht so. Schiefergas ist eindeutig teurer als konventionelles Erdgas. Die Erzeugung von Schiefergas kostet Energie. Und das bedeutet, dass die CO2-Bilanz, die ja bei Erdgas normalerweise sehr günstig ist, verschlechtert wird.