Streitgespräch: "Und das finden Sie jetzt gut?"

Inhaltsverzeichnis

Vahrenholt: Und warum ist in Amerika im Augenblick der Gaspreis bei 2,5 Dollarcent? Weil Schiefergas billiger ist.

Weber: Es ist billiger als Erdgas auf dem Weltmarkt, das stimmt – aber nur, weil der Gaspreis an den Ölpreis gekoppelt ist. Energetisch ist Schiefergas aber ein ziemlicher Wahnsinn.

Vahrenholt: Trotzdem wird es auch in Europa und China irgendwann genutzt werden, und es wird so preiswert sein, dass wir tatsächlich ein Dilemma haben. Einerseits brauchen wir Gaskraftwerke, um die Schwankungen der Erneuerbaren auszugleichen, gleichzeitig wird aber das Gas so billig, dass die Erneuerbaren die Wettbewerbsfähigkeit kaum noch erreichen.

TR: Bis wann werden wir zu einem hundertprozentigen Ersatz fossiler Energien kommen?

Vahrenholt: Bis 2050 sind höchstens 50 Prozent in Deutschland möglich. 2020 müssen wir so weit sein, dass sich alles am Markt bewähren muss – ohne EEG, ohne Einspeisevorrang. Beim Umbau des Energiesystems wird es eine Streckung geben. Man wird sagen: Okay, wir machen weiter, aber nur, wenn es marktwirtschaftlich vernünftig ist.

Weber: Ich erwarte, dass wir 2030 in die Nähe von 80 Prozent Erneuerbare kommen werden, und dass wir bis dahin auch die Probleme Leitungsbau und Speichertechnologie gelöst haben. Aber mein ultimatives Bild für die Welt im Jahre 2070 ist das weltumspannende Super Grid. Irgendwo auf der Erde scheint ja die Sonne zu jeder Tageszeit. Je weiter wir uns vernetzen, desto weniger Speicher brauchen wir.

TR: Und die volkswirtschaftliche Wirkung? Soll oder Haben?

Weber: Meines Erachtens am Schluss auf jeden Fall Haben. Die Kosten werden ab 2030 zunehmend kompensiert werden durch die volkswirtschaftlichen Einsparungen. 2050 haben wir Vorteile im Bereich von Hunderten von Milliarden.

Vahrenholt: Im Augenblick machen wir eine Geisterfahrt. Deshalb folgt uns auch keiner in der Welt. Keiner folgt uns! Spanien oder Italien können sich wegen ihrer Finanzprobleme diesen Weg gar nicht mehr leisten. Die Engländer fangen an, sich davon zu verabschieden. Selbst wenn es gelänge, hier in 40 Jahren die CO2-Emission auf null zu bringen, wird das nichts bewirken, weil die Chinesen in drei Monaten das rauspulvern, was wir uns an Emissionsminderung in den nächsten zwanzig Jahren vorstellen. Der ganze Ansatz ist doch naiv. Wir brauchen mehr Zeit. Eine Energiewende im hochindustrialisiertesten Land der Welt ist nicht unter einer Generation hinzukriegen.

Weber: Gut. Ich bin gespannt. Warum treffen wir uns nicht im Jahr 2020 erneut, um zu sehen, wer richtig lag?

Vahrenholt: Einverstanden. (grh)