Südafrika: Kryptowährung ETN für die Massen

ETN-Coins, sekunden-schnelle Übertragung, geringe Gebühren – so soll eine neue App in Südafrika für kleine Einkäufe die Bezahlung ermöglichen.

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Südafrika: Kryptowährung ETN für die Massen

Richard Ells, Geschäftsführer von Electroneum, will einen Bitcoin für jedermann schaffen.

(Bild: Electroneum)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Matthias Mett

Mit einer App möchte das englische Start-up Electroneum wenigstens einige der Probleme lösen, die Menschen in ärmeren Ländern haben. Sie besitzen beispielsweise oft kein eigenes Bankkonto und können daher weder bargeldlos bezahlen noch digitale Gelegenheitsarbeiten annehmen. Und wer einen kleinen Laden führt, lebt immer in der Angst vor Dieben, die es auf das Bargeld abgesehen haben.

TR 5/2020

Electroneum will den Geldtransfer daher digital abwickeln, mit einer Kryptowährung namens ETN. Das berichtet die neue Ausgabe 05/20 von Technology Review (jetzt im Handel). Eine App mit Wallet – einer digitalen Geldbörse – fungiert als Kontoersatz. Wenn sowohl Käufer als auch Verkäufer die App eingerichtet haben, lässt sich eine Zahlung über das Mobiltelefon abwickeln. Dazu muss der Kassierer lediglich einen Button zur Zahlungsanfor­derung drücken. Das generiert einen QR-Code, den der Käufer mit seiner App einscannen kann. Die App überträgt die Zahlung innerhalb weniger Sekunden, dank eines von der Firma selbst entwickelten Systems. Die ­Gebühren sind dabei im Gegensatz zu vielen anderen Kryptowährungen sehr gering.

Südafrika war das erste Land, in dem die Verbreitung des ETN-Coins begann. Um die Expansion zu fördern, hat sich die Firma ein Belohnungssystem einfallen lassen: Es schüttet sieben Tage lang geringe Coin-Beträge in das persönliche Wallet aus. Aktiviert man diesen Coin-Fluss nicht erneut, versiegt er. In Südafrika und einigen anderen Ländern beträgt die Auszahlung bis zu drei US-Dollar pro Monat. Zudem kostet es die Nutzer derzeit noch kein Geld, mit ETN zu bezahlen. Electroneum finanziert den Dienst aus dem Gründungskapital, will zukünftig jedoch Transfergebühren von fünf ETN berechnen.

Viele Prepaid-Telefonanbieter akzeptieren mittlerweile ETN-Coins als Bezahlung für Mobilfunkguthaben. Dazu gibt es einen eigenen Bereich in der App, in dem man das Land sowie den Anbieter auswählen und den gewünschten Mobilfunktarif direkt buchen kann. Den Anfang machte der südafrikanische Finanzdienstleister "The Unlimited", indem er seinen Kunden eine kostenlose SIM-Karte anbot. Inzwischen nehmen etwa 140 Länder und eine Vielzahl von Tarifanbietern teil. Electroneum hat außerdem ein günstiges Mobiltelefon im Angebot, das speziell auf Entwicklungsländer zugeschnitten ist und bei dem die App vorinstalliert ist.

Electroneum beschränkt sich jedoch nicht nur auf den Geldverkehr. Da ­Gelegenheitsarbeit im ärmeren Teil Südafrikas weitverbreitet ist, hat es mit AnyTask einen Arbeitsmarkt für digitale Kurzzeitjobs ins Leben gerufen. Ein Kunde kann beispielsweise eine digitale Bildbearbeitung für wenige Dollar mit einem Klick buchen. Dabei bezahlt der Auftraggeber mit seiner Kreditkarte, und der Auftragnehmer erhält den Lohn in ETN. Eine E-Learning-Plattform namens TaskSchool ist ebenfalls in Entwicklung.

Electroneum versucht seinem sozialen Gedanken auch beim Schürfen der Münzen treu zu bleiben und lässt dazu keine beliebigen Computerfarmen zu. Stattdessen erlaubt ein eigens entwickelter Mining-Algorithmus, der closed source verbleibt, dies nur ausgewählten Hilfsorganisationen wie der südafrikanischen Ubuntu Pathways. Keine dieser von den Entwicklern bestimmten Organisationen kann in dem Verfahren mehr als einen Block am Stück erzeugen, sodass jeder an die Reihe kommt.

Dafür gibt es dann als Belohnung ETN, die die NGOs für ihre sozialen Zwecke verwenden können. Auf diese Weise will sich Electroneum nicht nur vor 51-Prozent-Angriffen durch böswillige Miner schützen, sondern auch den geringsten Stromverbrauch aller Kryptowährungen erzielen. Denn da alle Miner bekannt sind und als vertrauenswürdig gelten dürfen, erspart sich Electroneum den Rechenaufwand für das Proof-of-Work-Verfahren, das unter den anonymen Minern klassischer Kryptowährungen wie Bitcoin einen Missbrauch verhindern sollen. Allerdings hat man sich damit auch von der Grundidee des Bitcoin, nämlich einer wirklich offenen, dezentralen und vertrauenslosen Kryptowährung erheblich entfernt. (jle)