Technik und Corona: Die größten Fails des Jahres 2020

Seite 2: Zoom-Entblößung und blendende Satelliten

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In einem Abschiedsbrief nannten Studio-Mogul Jeffrey Katzenberg und Quibi-CEO Meg Whitman ihre Unternehmung eine "neue Kategorie der Unterhaltung", die vielleicht nicht gut geführt wurde, aber sie machten auch direkt die Pandemie dafür verantwortlich, aufgrund derer alle vorm Fernseher säßen. "Leider werden wir es nie genau wissen, aber vermuten eine Kombination von beide", schrieben die beiden. "Unser Scheitern lag nicht daran, dass wir nicht alles versucht hätten."

Seit 2016 litten einige Dutzend US-Diplomaten und CIA-Mitarbeiter in Kuba und China an einem Spektrum seltsamer neurologischer Symptome. Sie erwachten zu scharfen Tönen und erlebten Gleichgewichtsstörungen sowie Druckgefühle im Gesicht. Die plausibelste Erklärung für diese Leiden ist – laut den National Academies of Sciences – eine neuartige Mikrowellen-Waffe.

Niemand kann sicher sagen, ob direkte Strahlen von pulsierender Funktechnik in die Häuser und Hotelzimmer von Diplomaten gerichtet wurden und somit für das "Havana Syndrom" verantwortlich zu machen sind. Die USA waren sehr langsam darin, diese Muster an Symptomen zu erkennen und zu untersuchen. Noch immer kann keine Ursache mit Sicherheit benannt werden.

Klar ist nur: Jeder Geheimdienst, der eine Mikrowellen-Waffe bewusst zum Angriff nutzt, hat nicht alles sauber durchdacht. Andere Länder, darunter die USA, können ebenso mächtige, unsichtbare Strahlen generieren, um Kopfschmerzen, Klickgeräusche innerhalb des Schädels, Übelkeit und Hörverlust hervorzurufen. Der heimliche Einsatz einer solchen drahtlosen Technik gebe, laut den Academies, "Anlass zu großer Sorge über eine Welt mit enthemmten, böswilligen Akteuren und neuen Mitteln, einander Schaden zuzufügen".

Viele werden den Albtraum kennen, nur in Unterwäsche in der Schule oder auf der Arbeit zu erscheinen. Mit Zoom ist das tatsächlich möglich. Während der Pandemie ist die Videochat-App zum neuen Büroraum aufgestiegen, zum Pausenhof und sozialen Begegnungsort. Stets begleitet von dem Risiko, das zu zeigen, was eigentlich privat bleiben sollte. Da war eine Toilettenspülung zu hören als der Supreme Court mündliche Debatten austrug und es gab die mexikanische Senatorin, die ihr Top bei laufender Kamera wechselte, ohne diese zu bemerken.

Was man grob humoristisch betrachten könnte, entwickelte sich zu einer echten Tragödie im Fall des bekannten "CNN"- und "New Yorker"-Rechtsexperten Jeffrey Toobin, der angeblich seine Genitalien vor Kollegen entblößte, als er zwischen einer Arbeits-Zoom-Besprechung und einem pornografischen Intermezzo hin und her wechselte. Viele auf Twitter waren der Meinung, dass Toobin es verdiente, dafür vom "New Yorker" gefeuert zu werden, und zitierten die #metoo-Bewegung durch Verwendung des Hashtags #metoobin. Andere sympathisierten mit der allzu menschlichen Situation.

Seit vorgeschichtlichen Zeiten schaut die Menschheit in den Himmel – staunend und inspiriert malt sie sich aus, welche Kräfte die Erde erschaffen haben könnte – und welche sie wohl zu, Untergang bringen. Doch diese kosmische Sicht der Dinge wird nun künftig getrübt durch Reflexionen von Tausenden billiger, kommerzieller Satelliten, die von Firmen wie Amazon, OneWeb und SpaceX in die Umlaufbahn geschickt wurden und die Welt mit Internet versorgen sollen – egal wo wir uns aufhalten. Sechzig Satelliten können einer einzelnen Rakete entschwärmen.

Astronomen haben das Problem, dass das Sonnenlicht von Satelliten reflektiert wird, die im Morgengrauen in niedriger Höhe vorbeirasen oder ständig beleuchtet sind. Die schiere Masse ist problematisch. SpaceX plant 12.000 seiner Starlink-Satelliten hochzusenden während andere Betreiber 50.000 ankündigen.

Die größte Sorge gelten Großteleskopen auf Bergspitzen, deren Job es ist, Exoplaneten oder Objekte unweit der Erde zu erkennen, die mit dem Planeten kollidieren könnten. Mittlerweile gibt es nachträgliche Versuche, das Problem zu beheben. SpaceX färbte einen Satelliten testweise schwarz, doch der erhitzte sich dann zu schnell. Zuletzt begann das Unternehmen damit, Satelliten mit Sonnenblenden auszustatten, welche die Reflexionen verhindern sollen.

Es war keine Überraschung, dass bei einer eiligen Impfstoffentwicklung für COVID-19 etwas schief laufen würde, doch ein Fall aus Australien war dennoch eine Überraschung. Ein Team der University of Queensland und des Bio-Tech-Unternehmens CSL entwickelte eine vielversprechende proteinbasierte Impfung, die gut im Menschen zu funktionieren schien. Aber die Innovation hatte auch eine Kehrseite: Die Impfung beinhaltete zwei Teile des HI-Virus (das AIDS auslöst) als "molekulare Klammer". Im Endergebnis entdeckten Forscher bei Freiwilligen, denen eine Dosis verabreicht wurde, dass geläufige HIV-Tests positiv bei ihnen ausfielen. Diese "False Positive"-Ergebnisse haben für mächtig Verwirrung und Kontroversen gesorgt – und Verschwörungstheoretikern Stoff geliefert, Zweifel über den Impfstoff zu streuen.

Das australische Team zeigte einen heldenhaften Einsatz, das Problem zu korrigieren, doch ohne großen Nutzen. Anfang Dezember räumte die Regierung die Niederlage ein und stornierte eine 51-Millionen-Impfdosen-Bestellung im Wert von 610 Millionen Euro. Damit war das erste neuartige COVID-19-Impfstoff-Projekt ausrangiert. Im Vergleich zur Situation in manch anderen Ländern, wo mehrere Behandlungsmethoden gegen das Coronavirus entweder autorisiert oder zumindest anerkannt wurden, die nicht wirken oder für deren Wirksamkeit es nicht genug Belege gibt, schien es besser, die Fehler einzugestehen. "So funktionieren wissenschaftliche Prozesse", sagte Australiens Gesundheitsminister.

(bsc)