Technik und Corona: Die größten Fails des Jahres 2020

In der COVID-19-Pandemie wurden neue technische Verfahren im vergangenen Jahr so wichtig wie noch nie – doch nicht alles hat dabei geklappt.

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(Bild: Photo by Christian Lue on Unsplash)

Lesezeit: 10 Min.
Von
  • Antonio Regalado
Inhaltsverzeichnis

Seit bald einem Jahr muss Technik uns retten. Eine Pandemie fegt über die Welt, es gab schlimme Waldbrände, unruhige politische Zeiten und das luftabschnürende Miasma der Sozialen Medien wabert durch unsere Leben. 2020 hat so deutlich wie nie gezeigt, wie uns technische Innovationen helfen, aber gleichzeitig auch verletzen kann.

Als Erfolg lassen sich die COVID-19-Impfstoffe nennen. An dieser Stelle soll es aber weniger um solche Erfolge gehen – sondern vielmehr um einen Rückblick des vergangenen Jahres auf die schlimmsten Technik-Flops. Mit in der Bilanz: Milliardenschwere Pläne für Digitalgeschäfte, die eine Bruchlandung hingelegt haben, COVID-Tests, die daneben gingen und die unabsehbaren Folgen für einen Planeten, der in billige Satelliten gehüllt wird.

Die Polymerase-Kettenreaktion (PCR) ist keine neue Technik. Tatsächlich wurde das Verfahren, um das Vorkommen bestimmter Gene in einer Probe zu erkennen, schon 1980 entwickelt und sein Entwickler erhielt ein Jahrzehnt später den Nobelpreis. In einer Vielzahl diagnostischer Tests kommt es zum Einsatz, ebenso in der Laborforschung. Es lässt sich also als ein Schlamassel historischen Ausmaßes werten, dass zu Beginn der COVID-19-Pandemie jene Labore des amerikanischen Centers for Disease Control und Prevention (CDC), die auf PCR-Tests spezialisiert sind, Kits an Staaten geschickt haben, die falsche Inhaltsstoffe, sogenannte Primer, enthielten. Sie funktionierten nicht.

Und so begann es: Die CDC scheiterte daran, den Erreger in der ersten Welle zu stoppen. Dem Land, in dem die PCR-Technik erfunden wurde, gelang es über Wochen nicht, Corona-Tests adäquat durchzuführen. Dabei hätten großflächiges und häufiges Testen Ökonomen zufolge den zügigsten und günstigsten Weg geboten, um das Land wirtschaftlich am Laufen zu halten. Selbst jetzt, nicht ganz ein Jahr später, sind Warteschlangen und Verspätungen immer noch Test-Normalität in den USA, obwohl private Labore, Universitäten und Gesundheitszentren schätzungsweise zwei Millionen Tests pro Tag durchführen können.

Man stelle sich ein Überwachungsvideo von einem Überfall in einem Laden vor. Der Räuber schaut in die Kamera und zack, die Polizei identifiziert den Verdächtigen mittels Gesichtserkennung. Man stelle sich nun eine Stadt vor – wie Portland, Oregon – die entscheidet: Die Polizei darf das nicht mehr. Die Fähigkeit, Gesichter zu erkennen und zuzuordnen ist einer der herausragenden Triumphe einer neuen Generation künstlicher Intelligenz. Die Technik kommt überall zum Einsatz. Auch an Orten, bei denen es übergriffig und nicht rechtens erscheinen mag, wie in Schulen oder sozialen Wohneinrichtungen. 2020 dann die Konsequenz: Viele Städte, Staaten und Unternehmen führten eine Reihe von Verboten und Beschränkungen ein.

Ein Grund, warum diese Technik sich so beschleunigt hat, ist, dass wir überall Kameras haben – und wir alle geben unsere Selfies her. "Wir haben das Monster entfesselt, indem wir es mit Millionen von Gesichtern gefüttert haben und wir haben uns auch noch getaggt", sagt Joseph Atick, der ein frühes Gesichtserkennungssystem aufgebaut hat, indem er spezielle Kameras und eine benutzerdefinierte Bilddatenbank verwendete. Mittlerweile gibt es hunderte von Gesichtserkennungs-Apps, die Bilder online verarbeiten. Der Einsatz dieser Systeme ist, laut Atick, "kein technisches Problem mehr".

Im vergangenen Sommer haben sowohl Microsoft und Amazon der Polizei Zugang zu deren Face-Matching-Systemen verwehrt, zumindest zeitweise. Städte wie Portland haben umfassende Verbote durchgesetzt, die auch Hotels und Geschäfte daran gehindert haben, Menschen zu identifizieren. Noch fehlt in den USA ein nationaler Rahmen, der zulässige und unzulässige Nutzung voneinander unterscheidet. Anstelle eines Teufelskreises von Missbräuchen auf der einen und Verboten auf der anderen Seite braucht es gesetzliche Bestimmungen.

"Schnelle Happen. Große Geschichten." Das war das Motto von Quibi, einem Streaming-Service mit Hollywood-Power, der im April auf den Markt kam. Er sollte die Unterhaltungsbranche mit 10-Minuten-Shows für Handybildschirme revolutionieren. Doch die Geschichte endete mit Quibis rasantem Niedergang. Sechs Monate nach seinem Debüt feuerte das Unternehmen schon Angestellte und gab den Rest seines 1,4 Milliarden-Euro-Budgets zurück an Investoren.

Die Fehlzündung erinnerte an das berüchtigte Projekt wichtiger amerikanischer News-Websites im Jahr 2018, als diese massenhaft Reporter damit beauftragen, superkurze Text-Bildschirm-Videos zu produzieren, weil man vor diese Werbung schalten wollte – kurz bevor es zur nächsten Sparrunde kam. Auf ähnliche Weise arbeitete Quibi mit gutbezahlten Profis zusammen, um cleveren Content im Rahmen eines 5-Dollar-Abo-Modells zu liefern, das mit YouTube, TikTok und Horden von Kreativen mithalten sollte, die Katzenfilmchen und Dance Moves kostenfrei zur Verfügung stellen.