Technology Review 6/21: Warum wir KI gerechter und offener gestalten müssen

KI steuert Dienste und Apps, die wir jeden Tag nutzen – diskriminiert dabei aber und kann sogar Hass schüren. Forscher auf der ganzen Welt wollen das ändern.

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Inhaltsverzeichnis

Künstliche Intelligenz ist die mächtigste Technologie unserer Zeit – und damit auch die gefährlichste. Nicht, weil sie irgendwann die Weltherrschaft übernimmt und die Menschheit unterjocht. Was sie heute so gefährlich macht, ist die Tatsache, dass sie immer mehr Dienste und Apps steuert, die wir jeden Tag nutzen, und dabei mit Datensätzen trainiert wird, die von Vorurteilen, Diskriminierungen und Verzerrungen durchzogen sind. Frauen bekommen weniger Stellenanzeigen angezeigt als Männer, schwarze Menschen werden häufiger für Verbrechen beschuldigt als weiße. Diese Systeme reproduzieren gesellschaftliche Ungleichheiten und zementieren sie, ohne dass wir es bemerken.

Und KI wird mächtiger: Große Sprachmodelle wie GPT-3 erzeugen Texte, die zum Teil wirken, wie von Menschenhand geschrieben. Sie könnten schon sehr bald Konversationssysteme, Teile der Internetsuche und vieles mehr steuern. Aber böswillige Akteure sind damit auch in der Lage, halbautomatisiert Desinformations-Kampagnen zu betreiben und so mit weniger Personal mehr Hass und Hetze zu verbreiten und für mehr Destabilisierung zu sorgen als je zuvor.

Für die Titelstrecke der neuen Ausgabe 6/21 von Technology Review (ab Donnerstag am gut sortierten Kiosk oder online bestellbar) haben wir mit Forschenden auf der ganzen Welt gesprochen. Sie haben diese „blinde“ Gefahr erkannt und wollen mehr Fairness, Gerechtigkeit und Offenheit in die KI-Systeme integrieren: Künstlich erzeugte Daten, diversere Sprachmodelle, Deep-Learning-Algorithmen in Kombination mit regelbasierten Systemen – das sind Ansätze, die Hoffnung machen, die Macht von Künstlicher Intelligenz zu bändigen. Und sie zeigen, dass wir neueren technologischen Entwicklungen nicht einfach ausgeliefert sind.

In unserem zweiten Fokus widmen wir uns der digitalen Stadt. Welche Vorteile genießen Städte durch Digitalisierung heute wirklich? Die hoch vernetzte Metropole haben wir in Deutschland zwar nicht gefunden, dafür aber einige Projekte, die Potenzial haben – zum Beispiel eine Stadt-App in Karlsruhe, die Einwohner für alle möglichen Dienste nutzen könnten, wenn es der Rechtsrahmen denn erlaubt. Außerdem zeigen wir, wie vernetzte Abwassersysteme dabei helfen können, bei starken Regenfällen das Abwasser nicht einfach in nahegelegene Flüsse zu leiten. Durch die intelligente Wasserleitung ergeben sich auch Einsparmöglichkeiten, was etwa Rückhaltebecken angeht.

Mit einem eigens entwickelten Sensor und zugehöriger App das Aroma eines Kaffees aus noch nicht gerösteten, grünen Kaffeebohnen vorhersagen? Das kolumbianisch-israelische Start-up Demetria will genau das tun. Damit sind sie nicht die einzigen, die den beliebten Wachmacher „digitalisieren“ wollen. Sensoren, Daten und maschinelles Lernen sollen allerdings nicht nur für besseren Kaffee sorgen. Sie könnten auch die Produktionsbedingungen für den beliebten Wachmacher kräftig aufmischen. Wie gut funktioniert es aber, die so komplexe Aromabeschaffenheit des Kaffees mit digitalen Tools zu ermitteln und sogar besser zu steuern?

TR 6/2021

Schon 2014 schätzte eine britische Forschungsgruppe, dass jedes Jahr 700.000 Menschen auf der ganzen Welt sterben, weil die Bakterien, mit denen sie infiziert sind, gegen die Antibiotika, mit denen sie behandelt werden, resistent sind. Während Covid-19 unsere Aufmerksamkeit auf die Bedrohung durch Viren lenkte, machen sich Mikrobiologen deshalb seit langem Sorgen, dass wir Bakterien wie den Pesterreger Yersinia pestis vergessen. „Antimikrobielle Resistenz mag nicht so dringend erscheinen wie eine Pandemie, aber sie ist genauso gefährlich“, sagte Tedros Adhanom Ghebreyesus, Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation, im November und nannte sie „eine der größten Gesundheitsbedrohungen unserer Zeit.“ Was können wir als Weltgemeinschaft von einer weltweiten Pandemie lernen, um die nächste Seuche frühzeitig in den Griff zu bekommen?

Plastik hat heute einen miesen Ruf. Er verschmutzt die Umwelt und soll zunehmend aus unserem Alltag verschwinden. Für Museen stellt sich hingegen ein ganz anderes Problem: Viele Exponate bestehen aus verschiedenen Kunststoffen, die im Laufe der Jahrzehnte zerbröseln und sich zersetzen. Kuratorinnen und Restauratoren kämpfen jetzt um unsere jüngere Geschichte aus Plastik. „Das Problem ist, dass diese Künstler nicht immer darüber nachgedacht haben, womit sie arbeiten, sondern fanden Kunststoff einfach toll – den kann man gießen und formen“, bringt Christian Bonten das Problem, das die Museen heute haben, auf den Punkt. Er ist Leiter des Instituts für Kunststofftechnik an der Universität Stuttgart. Wie aber lässt sich der Zerfall aufhalten und wie gehen Museen damit um?

(bsc)