Telefonieren mit Prepaid-Strom

Afrikas Geschäftsleben läuft inzwischen weitgehend über Handys. Einem Großteil der Bevölkerung fehlt jedoch der Zugang zum Stromnetz, um die Mobiltelefone mit Energie zu versorgen. Preiswerte Solarladestationen sollen Abhilfe schaffen.

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  • Josephine Bollinger-Kanne
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Afrikas Geschäftsleben läuft inzwischen weitgehend über Handys. Einem Großteil der Bevölkerung fehlt jedoch der Zugang zum Stromnetz, um die Mobiltelefone mit Energie zu versorgen. Preiswerte Solarladestationen sollen Abhilfe schaffen.

Eine unauffällige Kraft verändert Afrika. Es ist kein hochtechnologisches Agrarprojekt einer westlichen Hilfsorganisation, kein modernes Krankenhaus, finanziert von der Weltbank, und auch kein gigantischer Staudamm. Es ist ein kleines Gerät mit Solarmodulen und USB-Kabeln: eine Ladestation für Handys. Strom für die tragbaren Telefone ist gefragt, weil mobile Anwendungen in Afrika immer mehr Lebensbereiche erfassen und so zu einer zentralen Schnittstelle des Alltags- und Geschäftslebens werden – vom Bankverkehr über den Agrarhandel bis zur Gesundheitsversorgung.

Genau darauf bauen die Techniker und Datenspezialisten des Berliner Start-ups Mobisol mit ihrem Geschäftsmodell: dem Solar-Home-System. Mit einem Photovoltaik-Modul ausgerüstet, kann es Strom für Handys und Lampen erzeugen.

Inspiriert hat den Unternehmensgründer und Ingenieur für erneuerbare Energien, Thomas Gottschalk, eine Reise: Von 2007 bis 2008 umrundete er als technischer Unterstützer mit einem Auto, das von einem Solarmodul auf dem Anhänger betrieben wurde, die Welt. "Die 18 Monate, die ich mit dem Solartaxi um die Erde gereist bin, haben mir die Augen dafür geöffnet, dass innovative, saubere und günstige Alternativen zu fossilen Energieträgern umsetzbar sind", sagt Gottschalk. Nach einer vierzehnmonatigen Beratertätigkeit für solarthermische Anlagen in Ägypten startete der heute 30-Jährige 2010 das Mobisol-Projekt. Sein Ziel: "Qualitativ hochwertige Solar-Home-Systeme zu entwickeln, die auch für Haushalte mit geringen Einkommen in Entwicklungsländern erschwinglich sind." Seither hat Mobisol über 680 Systeme installiert, mit zahlenden Kunden in Tansania, Kenia und Ghana. Bis Ende 2013 sollen insgesamt 3000 Geräte im Einsatz sein.

Mehr als 70 Prozent der Bevölkerung in Ostafrika leben laut Weltbank auf dem Land und stehen zumeist ohne Stromversorgung da. Zugang zu einem Mobilfunknetz jedoch besitzen die meisten. In Kenia etwa sind das ganze 95 Prozent, hat der dort führende Mobilfunkanbieter Safaricom in einer Machbarkeitsstudie ermittelt. "Viele Kenianer haben ein Telefon, bevor sie einen Platz zum Aufladen haben", heißt es in der Studie. Entsprechend begehrt sind die wenigen Stromanschlüsse, die sich finden lassen. "Die Leute stürzen sich auf jede Steckdose, um ihr Handy aufzuladen", erzählt der Berliner Tropenarzt Florian Steiner. "Dafür stöpseln sie sogar Kühlschränke in Krankenhäusern aus." Für die eingelagerten Blutkonserven, Urinproben, Medikamente und Impfstoffe sei das fatal.

Mithilfe der Solargeräte für Handy-Ladestationen könnte sich das ändern. Die Sonnenstromgeneratoren verschaffen auch der Landbevölkerung Zugriff auf Mobilfunkanwendungen – und leisten so eine Art Entwicklungshilfe. Denn wo es an anderer Infrastruktur mangelt, kann das Handy viele wichtige Funktionen übernehmen: "Kenia war das erste Land weltweit, das den Geldtransfer über Mobiltelefone einführte", nennt Piet Kleffmann, Direktor der deutschen Kreditanstalt für Wiederaufbau KfW in Nairobi, als Beispiel. M-Pesa heißt das weit verbreitete System, wobei M für Mobile steht und das Swahili-Wort Pesa Bargeld bedeutet. 2007 hat es Safaricom mit seinem britischen Teilhaber Vodafone in Kenia eingeführt. Heute gehören grüne Safaricom-Läden und -Kioske, die SIM-Karten für den M-Pesa-Geldtransfer anbieten, zum typischen Straßenbild.

Die Handy-Brieftasche ist der Dreh- und Angelpunkt des kenianischen Geschäftswesens. Mit ihr lassen sich bargeldlos Einkäufe im Supermarkt bezahlen, das Essen im Restaurant, Stromrechnungen, Krankenversicherungen, Medikamente oder Taxifahrten. Immer mehr Banken klinken sich bei M-Pesa ein und bieten Unternehmerkredite und Überweisungen ins Ausland an. Von 41 Millionen Kenianern nutzt bereits nahezu die Hälfte M-Pesa, während nur jeder fünfte Erwachsene ein reguläres Bankkonto hat. Ostafrika liegt damit auf dem Kontinent an vorderster Front beim Geldtransfer per Handy, so eine Studie der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung UNCTAD aus dem Jahr 2012. Selbst Löhne werden mittlerweile nicht selten auf Handy-Depots ausgezahlt, heißt es in einem aktuellen Bericht von Vodafone.

M-Pesa gibt ärmeren Einwohnern sogar einen Zugang zur Krankenversicherung. Mit dem Dienst Linda Jamii können Kenianer über regelmäßige Kleinstbeträge einen Versicherungsschutz erwerben. Er beginnt, sobald sie 6000 kenianische Schilling (rund 69 Euro) eingezahlt haben.

Zudem stellt das flächendeckende Mobilfunknetz den Menschen lebenswichtige Informationen bereit: In Tansania läuft seit 2009 die öffentlich-private Initiative "SMS for Life". Sie soll sicherstellen, dass Medikamente zur Malariabehandlung in ländlichen Regionen stets ausreichend zur Verfügung stehen. In Kenia können Safaricom-Kunden eine Handy-Sprechstunde mit qualifizierten Ärzten zu vergünstigtem Tarif wahrnehmen.

Kleinbauern gibt das Handynetz Zugang zu nützlichen Marktinformationen, um ihre Risiken zu mindern und ihre Einkünfte zu steigern. Das kenianische Software- und Agrarwirtschaftsunternehmen M-Farm etwa hat einen mobilen Dienst eingerichtet, über den sich per SMS Verkaufspreise für landwirtschaftliche Produkte abrufen und vergleichen lassen. Dadurch erfahren Kleinbauern, welche Erlöse sie für Mais, Bananen, Mangos, Kartoffeln oder Tee erzielen können. Sie werden unabhängiger vom Gutdünken der Zwischenhändler. Der ehemalige US-Präsident Bill Clinton hält daher Mobiltelefone für "einen der wirkungsvollsten Fortschritte, um Menschen aus der Armut zu befreien", wie er vergangenen Oktober im US-Magazin "Time" schrieb.