Tesla verschwieg Fabrikunfälle

Seite 2: Widersprüchliche Berichte

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Tesla-Vertreter weisen all diese Kritik als unberechtigt zurück. Sie bestehen darauf, dass das Unternehmen Unfälle korrekt registriere und tief um die Sicherheit seiner Arbeiter besorgt sei. In einer anonymen internen Befragung hätten vor kurzem 82 Prozent der Beschäftigten der Aussage „Tesla setzt sich für meine Gesundheit und Sicherheit und mein Wohlergehen ein“ zugestimmt.

Vor der Veröffentlichung dieses Artikels schickte ein Tesla-Sprecher eine Stellungnahme, in der er Reveal vorwarf, ein Werkzeug in einer laufenden Kampagne zur Vergewerkschaftung von Tesla zu sein. Die Informationen würden ein „vollkommen falsches Bild von Tesla und den wirklichen Arbeitsbedingungen dort zeichnen“. Es gehe hier nicht um investigativen Journalismus, sondern um „eine ideologisch motivierte Attacke einer extremistischen Organisation“ und eine „kalkulierte Desinformationskampagne“ gegen Tesla. Außerdem schickte der Sprecher Fotos von gelb gestrichenen Schildern und Schienen in der Fabrik.

Reveal hat mit mehr als drei Dutzend aktuellen und früheren Mitarbeitern und Managern gesprochen und hunderte Seiten an Dokumenten analysiert. Einige der befragten Arbeiter unterstützen die Bemühungen der Gewerkschaft, bei Tesla Fuß zu fassen. Andere hatten damit nach eigenen Angaben nichts zu tun.

Tesla steht unter enormem Druck, die Produktion des Model 3 hochzufahren, seinem ersten Fahrzeug für den Massenmarkt, das in der Basisversion für 35.000 Dollar zu haben sein soll. Anfangs sagte Musk, das Unternehmen wolle bis Ende 2017 pro Monat 20.000 Stück davon produzieren; zuletzt aber wurde selbst das auf die Hälfte reduzierte Ziel verfehlt.

Im internen Tesla-System für die Registrierung von Verletzungen schrieb ein Vorgesetzter, ein Arbeiter habe an einem Tag im Februar 2017 nicht zur Arbeit kommen können, „weil sein linker Arm durch die Installation von Scheibenwischer-Motoren während seiner Schicht schmerzt“. Ein anderer Arbeiter „fiel in Ohnmacht und mit dem Kopf auf den Boden“, weil er „in einem Gruppen-Umfeld arbeitete, in dem es für ihn zu warm war“. Eine weibliche Beschäftigte verletzte ihre Schulter durch wiederholte Bewegungen aufgrund eines „ergonomisch ungünstigen Prozesses“.

Tesla ist gesetzlich verpflichtet, jeden Arbeitsunfall zu melden, der zu Abwesenheit von der Arbeit, Einschränkungen oder medizinischer Behandlung über erste Hilfe hinaus führt. Jedoch wurden die erwähnten Verletzungen als „persönliche medizinische“ Fälle registriert, was bedeutet, dass sie nichts mit der Arbeit bei Tesla zu tun hatten. In den gesetzlich vorgeschriebenen Angaben zur Zahl der Unfälle im Unternehmen sind sie deshalb nicht enthalten.

Die kalifornische Division of Occupational Safety and Health hat Tesla seit 2013 wegen mehr als 40 Verstößen vorgeladen. Die Quote von schweren Verletzungen, die Krankheitstage oder Einschränkungen bei der Arbeit erforderten, war im Jahr 2016 um 83 Prozent höher als der Branchendurchschnitt. Seitdem hat Tesla nach eigenen Angaben eine Wende geschafft und ist auf dem Weg, „die sicherste Autofabrik der Welt zu werden“.

Im vergangenen Jahr behauptete Musk in einer E-Mail an alle Mitarbeiter und bei einem Aktionärstreffen, die Verletzungsquote im Unternehmen sei deutlich besser als im Branchendurchschnitt. Den Durchschnitt zu erreichen, wäre ein „Rückschritt“, hieß es in einem Blog-Beitrag des Unternehmens.

Nachdem Arbeiter im vergangenen Jahr die Verletzungsprotokolle anforderten, hat Tesla seinen ursprünglichen Bericht für 2016 verändert und 135 Verletzungen aufgenommen, die vorher nicht erfasst waren. Nach Angaben des Unternehmens war der Grund dafür, dass Verletzungen entdeckt wurden, die Zeitarbeitsfirmen nicht an Tesla weitergemeldet hätten.

Tesla-Vertreter räumen ein, dass Verletzungen durch wiederholte Belastungen die häufigste Ursache für gesundheitliche Probleme seiner Arbeiter sind. Gleichzeitig betonen sie ergonomische Verbesserung bei der neuen Produktionslinie für das Model 3.

„Wir haben sie gezielt so umgestaltet, dass sie für unsere Mitarbeiter sicherer ist“, sagt Laurie Shelby, seit vergangenem Oktober Vice-President für Arbeitssicherheit bei Tesla. „Es ist supercool, zu sehen, wie viel einfacher es ist, ein Model 3 herzustellen.“ Jedoch lässt Tesla Journalisten diese Fertigungslinie nicht sehen.

Bei der Produktion der anderen Tesla-Autos mussten frühere Arbeiter nach eigenen Angaben ihren Körper opfern, um Zeit zu sparen. Manche hoben zum Beispiel schwere Sitze über Schulterhöhe, weil die mechanischen Hilfen dafür zu langsam arbeiteten, sagt Joel Barraza, ein früherer Produktionshelfer. „Ich habe persönlich einen Sitz getragen. Die Leute sollten weitermachen, weitermachen, damit das Band weiterläuft“, berichtet er.

Auch die frühere Sicherheitschefin White sagt, Sitze seien manchmal von Menschen getragen worden. Tesla bestreitet dies in einer Stellungnahme.

Wie Barraza sagt, wurde er zusammen mit hunderten anderen Arbeitern im vergangenen Herbst entlassen. Nach Angaben von Tesla geschah dies aus Gründen der Leistung. Manche allerdings sagen, der wahre Grund seien Kostensenkungen oder Wunsch gewesen, gewerkschaftsnahe Arbeiter zu bestrafen.

Laut Barraza haben er und andere durch wiederholte Bewegungen ihren Rücken geschädigt. Nur sehr wenige hätten sich jedoch darüber beschwert. Denn „die Vorgesetzten hätten dann nur gesagt, 'Oh, er stellt sich ein bisschen an'“.

Die Berichte von Arbeitern aus dem Jahr 2017 hören sich nicht sehr anders die von anderen, die in früheren Jahren verletzt wurden. Bei Mark Eberley wurde im Jahr 2014 ein Karpaltunnelsyndrom durch die Arbeit bei Tesla diagnostiziert. Er habe seine Hand ruiniert, indem er Tausende von Bolzen an die Radkästen von Autos schweißte, manchmal fast 12 Stunden am Tag, sagt er. Eberley musste operiert werden und war jahrelang nicht arbeitsfähig.

„Egal, was wir gemacht haben, es musste immer schnell, schnell, schnell gehen“, sagt er. „Wenn man seine Zahlen nicht erreicht hat, hat sich immer jemand beschwert.“

(sma)