Times are changing: Der Macintosh wird 40

Seite 4: Der Gründer ist zurück

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Nach rund zwölf Jahren kehrte Steve Jobs zu Apple zurück, dem Unternehmen, das er mitbegründet hatte. Im Februar 1997 übernahm Apple die Jobs-Firma NeXT Inc. für 429 Millionen Dollar – hauptsächlich wegen des NeXTstep-Betriebssystems und aller Entwickler – und holte Jobs als Berater zurück. Sieben Monate später, am 16. September 1997, saß Steve Jobs wieder als CEO im Chefsessel des Unternehmens, nachdem Amelio vom Apple-Board entlassen worden war. "The Times They Are A-Changin’" – wieder einmal.

In dieser Zeit hat Jobs auch einen Burgfrieden mit seinem ewigen Widersacher Bill Gates geschlossen. Trotz aller Vorbehalte gegen Gates persönlich musste der Rückkehrer die Hilfe von Microsoft in Anspruch nehmen, um sein in Schwierigkeiten geratenes Unternehmen wieder profitabel zu machen.

Microsoft investierte 150 Millionen Dollar in 150.000 nicht stimmberechtigte Apple-Aktien und zahlte Gerüchten zufolge weitere 100 Millionen Dollar für Urheberrechtsverletzungen der vergangenen Jahre. Gleichzeitig verpflichtete sich Gates, den Internet Explorer und Microsoft Office für den Mac für die kommenden fünf Jahre weiterzuentwickeln. Der Deal war ein wichtiger Zwischenschritt, um Apple aus großer Not zu helfen.

Im Sommer 1997 räumte Jobs in der Firmenzentrale in Cupertino auf und entließ hunderte Mitarbeiter, denen er nicht zutraute, die Wende bei Apple mit voranzutreiben. Es kann als Glücksfall betrachtet werden, dass Jobs dabei nicht den frustrierten britischen Apple-Designchef Jony Ive mit gefeuert hat. Ive selbst hatte eigentlich auch vor, das Unternehmen zu verlassen, da er seinen vorherigen Chefs kein Gespür für Design zutraute. Doch Jobs überzeugte ihn, zu bleiben.

Der iMac, der am 6. Mai 1998 der Öffentlichkeit präsentiert wurde, war dann das erste bedeutende gemeinsame Projekt von Jobs und Ive. Die Präsentation wurde genauso sorgfältig geplant wie die des ersten Apple Macintosh 14 Jahre zuvor. Ive setzte mit dem halbdurchscheinenden Gehäuse aus Polycarbonat ein auffälliges Zeichen. Auch technisch setzte Apple neue Maßstäbe. Das Diskettenlaufwerk und die damals üblichen seriellen Anschlüsse für Drucker oder Modems suchte man beim iMac vergeblich. Stattdessen entschied sich Apple für die noch wenig verbreitete USB-Schnittstelle und stattete den iMac mit einem CD-ROM-Laufwerk aus. Außerdem gab es eine Ethernet- und eine Modem-Buchse, die nur mit dem Telefonkabel verbunden werden mussten.

Steve Jobs konnte demonstrieren, wie einfach es war, den iMac einzurichten und ins Internet zu bringen. Der Rechner kam im August 1998 zum Preis von 1299 Dollar (2024 inflationsbereinigt knapp 2450 Dollar) auf den Markt und erwies sich trotz des technisch betagten System 8.1 als Verkaufsknüller. Allein in den ersten sechs Wochen wurden 278.000 Geräte verkauft. Ende 1998 waren es insgesamt 800.000 – so schnell hatte sich noch nie ein Macintosh verkauft. Mit dem iMac verblüfften Jobs und Ive auch gestandene Pioniere der Computerbranche: "Manchmal hat das, was Apple tut, einen elektrifizierenden Effekt auf uns alle", meinte Intel-Mitbegründer Andy Grove. "Den iMac hätten wir niemals schaffen können, aber Apple ist einfach nach vorne gegangen und hat es getan."

1998: Mit dem ersten iMac läutete Steve Jobs nach seiner Rückkehr den Kurswechsel ein. Apple stand damals am Rand der Pleite.

Der Apple-CEO nutzte die Präsentation des ersten iMacs auch, um die neue Produktstrategie im Computersegment bekanntzugeben. Statt einer unübersichtlichen Auswahl verschiedener Mac-Modelle, die teilweise schwer voneinander zu unterscheiden waren, bereinigte Jobs das Produktportfolio. Außerdem musste Apple auch das Chaos in der Produktion bewältigen. Unter John Sculley kam es häufig vor, dass beliebte Modelle monatelang nicht verfügbar waren oder massenhaft unverkäufliche Macs in den Lagerhallen lagerten. Im März 1998 holte Steve Jobs Tim Cook von Compaq und ernannte ihn zum Chief Operations Officer. Cook schloss schnell die ineffizienten Fabriken von Apple und verlagerte die Mac-Produktion nach Taiwan. Innerhalb weniger Monate führte er die Grundsätze der Just-in-Time-Fertigung ein. Dadurch wurden die teuren unverkauften Lagerbestände von Apple praktisch beseitigt und innerhalb eines Jahres hatte Apple den effizientesten Lagerumschlag in der Branche.

Im Jahr 1999 griffen die nächsten beiden Mac-Produkte, der blaue Power Mac G3 und das iBook, das Design des ersten iMacs mit farbigem, durchscheinendem Kunststoff und Tragegriffen auf. Das iBook brachte mehrere Innovationen mit sich: ein verstärktes Scharnier anstelle eines mechanischen Riegels, um den Deckel geschlossen zu halten, Anschlüsse an den Seiten statt auf der Rückseite und das erste Notebook mit integriertem WLAN. Es wurde im vierten Quartal 1999 zum meistverkauften Notebook in den USA. Für die professionellen Apple-Kunden gab es dann 2001 das Titanium PowerBook G4, das damals leichteste und dünnste Notebook seiner Klasse.

1999: Mit dem Power Macintosh G3 (Blue & White) verabschiedete sich Apple auch bei den Towern vom beigefarbenen Gehäuse.

1999: Apple-Chefdesigner Jony Ive setzte mit den bunten iBooks modische Akzente. Aber auch die Technik überzeugte die Käufer.

Jobs und Ive hatten jedoch nicht nur Erfolge, sondern auch Rückschläge zu verkraften – auch weil beide ihren Designeifer wohl übertrieben. Im Juli 2000 stellte Jobs auf der Macworld in New York den Power Mac G4 Cube vor. Dieser Würfelrechner aus Acryl erschien wie eine verkleinerte Neuauflage des NeXT-Cube, den Jobs nach seinem Rauswurf bei Apple hatte konstruieren lassen. Durch eine kaminähnliche Konstruktion des Innengehäuses, durch die die erwärmte Luft nach oben abzog, konnte man auf einen aktiven Lüfter verzichten, obwohl im Inneren ein mit bis zu 450 MHz getakteter PowerPC-Prozessor G4 für ordentlich Hitze sorgte.

Jony Ive hatte es geschafft, die ästhetischen Vorstellungen seines Chefs perfekt umzusetzen, sodass der Würfel es schnell ins Museum of Modern Art schaffte. Dennoch wurde der G4 zum Flop. Mit einem Preis von 1800 Dollar (inflationsbereinigt 3200 Dollar im Januar 2024) war er vielen Apple-Kunden zu teuer. "Echte Schreibtischarbeiter wollten kein Kunstwerk, sondern ein Arbeitsgerät", lautet das Fazit von Jobs-Biograf Walter Isaacson. Bei anderen Design-Ikonen hatte Apple mehr Erfolg, beispielsweise mit dem iMac G4 (2002), der sich an die Schreibtischlampe aus den Pixar-Zeichentrickfilmen anlehnte und als "iLamp" bekannt wurde.

2000:Bei Design-Fans ist der G4 Cube inzwischen ein begehrtes Sammlerstück. Zum Marktstart war er vielen Usern zu teuer.

2001: Der Power Mac G4 wurde als "Supercomputer" beworben, weil die Maschine eine Leistung von 4 bis 20 Gigaflops erreichte.

2002: Beim Design der zweiten iMac-Generation wurde Jony Ive von Sonnenblumen im Garten von Steve Jobs inspiriert.

(Bild: Christoph Dernbach)

2003: Das iBook G4 sah Steve Jobs als Multimedia-Hub im mobilen digitalen Zeitalter für Fotos, Musik und Video.

Jobs und seine Mitstreiter mussten sich danach aber auch noch einmal um das technische Fundament der Macs kümmern. Seit 1994 hatte Apple den gemeinsam von IBM und Motorola hergestellten Prozessor PowerPC verwendet, der zu Beginn schneller als die Intel-Chips gewesen war. Doch dieser Vorsprung war über die Jahre hinweg geschmolzen. Als Jobs zu Apple zurückkehrte, war Motorola auch noch mit der Einführung neuer Versionen des Chips in Rückstand geraten, die versprochenen 3 GHz Taktrate für Notebooks wurden nie erreicht. Jobs entschied sich kurzerhand für einen Systemwechsel auf Intel-Chips. Auf der Apple-Entwicklerkonferenz WWDC 2005 wurde die Kooperation verkündet und 2006 mit dem neuen MacBook Pro umgesetzt. Bill Gates zeigte sich erstaunt. Computer-Gehäuse in verrückten Farbtönen beeindruckten ihn nicht, aber ein Geheimprogramm zur Umstellung des Zentralprozessors in einem Rechner, völlig ohne Produktionsunterbrechung und nach einem vorgegebenen Zeitplan – das war etwas, das er bewunderte. "Wenn mir jemand sagt, okay, wir stellen unseren Chip um, und zwar ohne dabei aus dem Takt zu kommen, dann klingt das einfach unmöglich", sagte Gates dem Jobs-Biografen Isaacson Jahre später. "Und genau das haben sie geschafft."

2006: Beim ersten iMac mit Intel-Chip setzte Apple weiterhin auf weißes Polycarbonat. Das Mainboard befand sich wie beim G5-iMac hinter dem Flachbildschirm.

Die Leistung der Umstellung auf Intel-Chips ist um so beachtenswerter, als Steve Jobs und große Teile der Firma sich vor allem um die Premiere des ersten iPhones kümmerten, das im Januar 2007 auf der Macworld Expo in San Francisco vorgestellt wurde. Ein Jahr später zog Steve Jobs auf der Bühne der Messe das MacBook Air aus einem braunen Briefumschlag und betonte das schlanke Design mit einem Gewicht von weniger als einem Kilogramm. Mit dem rasanten Aufstieg des iPhones konnten die Macs aber trotz aller Erfolge nicht mehr mithalten. Die Absatzzahlen zeigen dies: Apple verkaufte im Geschäftsjahr 2023 (Oktober 2022 bis September 2023) rund 224 Millionen iPhones – 2008 waren es noch knapp 12 Millionen gewesen. Der Absatz der Macs konnte dagegen im gleichen Zeitraum "nur" verdreifacht werden, von knapp zehn Millionen Geräten auf knapp 29 Millionen. Der Marktanteil unter den PC-Betriebssystemen stieg nach den Zahlen von Statcounter immerhin von rund 3 Prozent im Jahr 2008 auf mittlerweile über 21 Prozent, während der Anteil der Windows-PCs im gleichen Zeitraum von über 95 Prozent auf 69 Prozent gesunken ist.

2007: Knapp zehn Jahre nach dem ersten iMac setzte Apple Aluminium beim Gehäuse ein. Das Leichtmetall bestimmt bis heute die Optik der Macs.