Tracker verraten, was mit gestohlenen Fahrrädern passiert

Seite 2: Die weitere Biografie gestohlener Fahrräder

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Was haben Eure Daten noch ergeben?

Venverloo: Ein interessantes Ergebnis war, dass viele Räder schon kurz nach dem Diebstahl offenbar wieder im Alltag genutzt wurden, mit regelmäßig wiederkehrenden Routen. Also wurde ein Rad entweder schon in den ersten 20 Minuten vom Dieb weiterverkauft, oder er hat es selbst benutzt. Und bei rund 30 Prozent der Räder konnten wir klare Muster erkennen – etwa, dass viele Räder kurz nach dem Diebstahl an denselben Orten auftauchten. Das ist ein Hinweis darauf, dass jemand ein System hat, wie er Räder stiehlt, wie er sie transportiert und wie er sie wieder verkauft.

Waren diese Schwarzmärkte, an denen die Räder wieder verkauft wurden, der Polizei wirklich völlig unbekannt?

Venverloo: Ich glaube, die Amsterdamer Polizei weiß genau, wo gestohlene Räder regelmäßig verkauft werden. Aber kaum jemand meldet es der Polizei, wenn ihm ein Rad gestohlen wurde. Und solange das nicht der Fall ist, liegt für die Polizei kein Vergehen vor, und sie kann nicht viel machen.

Laut Eurem Paper landen drei bis fünf Prozent der Räder auch bei Händlern. Können nicht wenigstens die besser überprüfen, ob ein Rad gestohlen wurde?

Venverloo: Nein. Sie müssen zwar die Rahmennummer checken, aber wenn ein Rad nicht als gestohlen gemeldet wurde, taucht die Rahmennummer auch nicht in einer entsprechenden Datenbank auf. Nur, wenn die Rahmennummer ausgefräst wurde, weiß der Händler: Oh, das ist suspekt.

Was ich noch nicht ganz verstanden habe, ist die Ökonomie aus Sicht der Diebe. Nach Euren Daten werden die meisten Räder ja morgens um drei gestohlen. Wenn die Räder aber so billig sind, wie kann sich die ganze Nachtarbeit dann lohnen?

Venverloo: Das habe ich mich zuerst auch gefragt. Aber wenn ich die 30 Prozent der Räder, die offenbar von gut organisierten Kriminellen gestohlen wurden, auf die schätzungsweise 80.000 jährlich in Amsterdam gestohlenen Räder hochrechne, macht es plötzlich Sinn: Wir haben hier Skaleneffekte.

Habt Ihr versucht, einzelne Räder aufzuspüren oder die Daten der Polizei übergeben?

Venverloo: Wir haben eine wissenschaftliche Studie aufgesetzt, und wer ein Rad von uns gestohlen hat, der wurde dadurch zum Teilnehmer dieser Studie. Er durfte daraus also keine negativen Konsequenzen erfahren. Das war so mit dem Ethik-Komitee abgestimmt. Aber wir haben unseren Bericht der Stadt übergeben. Sie hat beispielsweise bereits eine neue Tiefgarage für Fahrräder gebaut, direkt am Hauptbahnhof, der bei unserer Studie der Hot Spot für Fahrraddiebstähle war. Ich hoffe, dass wir unser Verhalten dadurch kollektiv etwas verbessern können – keine gestohlenen Räder mehr kaufen und sie besser abschließen.

Lassen sich Eure Ergebnisse auch auf andere Städte übertragen?

Venverloo: In vielen Städten würden wir wohl ähnliche Ergebnisse finden. Bei teureren Rädern wie E-Bikes wird es wahrscheinlich anders aussehen. Ich würde erwarten, dass diese weiter weg transportiert werden.

(grh)