Transparenz und Dezentralität bei Bluesky: Realität oder Illusion?

Bluesky zieht Millionen an, doch wachsen Zweifel an Transparenz und Dezentralität. Kritiker hinterfragen die Eigentümerstruktur und langfristige Unabhängigkeit.

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Menschen betrachten weiße Schmetterlinge am blauen Himmel

(Bild: Erzeugt mit Dall-E durch heise online)

Lesezeit: 6 Min.
Inhaltsverzeichnis

Der Ansturm auf das Kurznachrichtennetzwerk Bluesky hält ungebrochen an. Inzwischen haben sich mehr als 20 Millionen Menschen angemeldet – der überwiegende Teil kehrte nach der US-Wahl X (ehemals Twitter) und Threads den Rücken. Doch während Bluesky mit Transparenz, Offenheit und Dezentralisierung wirbt, mehren sich kritische Stimmen. Sie hinterfragen besonders die Finanzierung und Eigentümerstruktur des Netzwerks sowie den tatsächlichen Grad der Dezentralisierung.

Als Twitter-Gründer Jack Dorsey die alternative Plattform 2019 ins Leben gerufen hatte – und von Twitter finanziert wurde –, war sein Ziel, ein unabhängiges, dezentrales soziales Netzwerk zu schaffen. Doch im Mai 2024 verließ Dorsey den Vorstand, löschte sein Konto und kritisierte öffentlich, dass Bluesky die Fehler von Twitter wiederhole und sich von seinen ursprünglichen Idealen entferne. Diese Kehrtwende löste in der Folge einige Diskussionen aus, denn spätestens seit der Twitter-Übernahme durch Elon Musk betrachten viele Menschen neue Social-Plattformen argwöhnischer als früher.

Ein wichtiger Punkt dabei ist die Eigentümerstruktur. Im Juli 2023 sammelte Bluesky in einer Crowdfunding-Runde 8 Millionen Dollar ein, im Oktober 2024 kamen in einer Finanzierungsrunde 15 Millionen US-Dollar hinzu. Die Finanzierungsrunde wurde von der Risikokapitalfirma Blockchain Capital angeführt. Daraus ergaben sich zwei Kritikpunkte: Einerseits steht deren Mitgründer Brock Pierce wegen Verbindungen zu kontroversen Persönlichkeiten wie Steve Bannon in der Kritik. Andererseits fürchten Nutzer, dass Bluesky von "Crypto Bros" übernommen werden könnte.

Bluesky-Geschäftsführerin Jay Graber wies die Vorwürfe zurück und betonte, dass Blockchain Capital nur einer von vielen Investoren sei. Weitere Geldgeber für Bluesky sind Fonds wie Alumni Ventures, True Ventures und SevenX Ventures. Dennoch bemängeln Kritiker die fehlende Transparenz: Wer genau wie viele Anteile hält und welche Investoren möglicherweise Einfluss ausüben, bleibt nämlich unklar.

Entsprechend besteht die Befürchtung, dass Bluesky ein ähnliches Schicksal ereilen könnte wie zuvor X. Allerdings zeigte Elon Musk kein Interesse an Bluesky, obwohl Jack Dorsey ihm vor der Übernahme von Twitter die Vorteile des Bluesky-Projekts nähergebracht hatte.

Ein möglicher Hintergrund könnte sein, dass Bluesky sei laut Jay Graber durch sein Design jedoch "billionaire-proof", also vor Übernahmen durch Milliardäre wie Musk geschützt. In einem Interview mit dem US-amerikanischen Nachrichtensender CNBC verwies sie dazu auf vier zentrale Mechanismen:

  1. Bluesky basiere auf Open-Source-Software, sodass der Quellcode selbst im Falle einer Übernahme öffentlich verfügbar bliebe.
  2. Die Nutzerinnen und Nutzer hätten jederzeit ihre Daten unter Kontrolle, sodass sie mit all ihren Followern auf eine eigene Server-Instanz wechseln könnten.
  3. Das ATProtocol erlaubt wie ActivityPub föderierte Instanzen und erschwere so eine zentrale Kontrolle.
  4. Bluesky firmiert als "Public Benefit Limited Liability Company" (PBLLC), sodass das Unternehmen formal einen positiven gesellschaftlichen Einfluss anstrebe.

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All dies sind wichtige Punkte, um den Einfluss einzelner Investoren oder gar eine Übernahme zu erschweren. Allerdings sind bisher nicht alle diese Versprechen umgesetzt. Tatsächlich hatte Bluesky den Quellcode seiner App und des zugrunde liegenden ATProtocol veröffentlicht, Teile der Server-Software sind jedoch weiterhin proprietär. Auch die Wahl eines eigenen Protokolls behindert die Interoperabilität mit anderen dezentralen Netzwerken wie Mastodon und schränkt die Wahlfreiheit der Nutzer ein.

Und es ist zwar grundsätzlich richtig, dass die Anwender ihre Daten kontrollieren und auf eigene Instanzen umziehen können, doch noch befindet sich diese Funktion im "Early Access" und ist stark eingeschränkt. So sind die Personal Data Server (PDS), die Nutzern mehr Kontrolle über ihre Daten geben sollen, derzeit auf nur zehn Konten begrenzt. Aufgrund der genannten Einschränkungen arbeitet Bluesky zum gegenwärtigen Zeitpunkt mit einer weitgehend zentralen Struktur.

Als Public Benefit LLC unterliegt Bluesky gewissen Auflagen. Anders als eine reguläre GmbH (LLC) muss eine PBLLC zusätzliche gesetzliche Anforderungen erfüllen, um transparent und rechenschaftspflichtig zu sein. Dazu gehört die Nutzung unabhängiger Standards zur Leistungsbewertung, die Offenlegung von Interessenkonflikten und die Information der Mitglieder darüber, ob ihre gesellschaftlichen Ziele erreicht wurden. Dies bietet in der Tat einen gewissen Schutz vor Übernahmen, jedoch nur solchen, die ausschließlich auf Gewinnmaximierung abzielen. Wie ein Unternehmen diesen positiven gesellschaftlichen Einfluss genau erfüllt, liegt im eigenen Ermessen. Bluesky hat für sich selbst als Ziel gesetzt, "Technologien für offene und dezentrale öffentliche Gespräche zu entwickeln und deren breite Anwendung voranzutreiben."

Das Geschäftsmodell von Bluesky ist bisher noch recht vage. Einnahmen sollen über kostenpflichtige Premium-Funktionen erwirtschaftet werden, während die Basisversion kostenlos bleiben soll. Bluesky verspricht, dass zahlende Nutzer keine bevorzugte Behandlung in den algorithmischen Timelines erhalten – ein Seitenhieb gegen Konkurrent X. Doch Kritiker bezweifeln vor dem Hintergrund des Ansturms vor allem, dass ein werbefreies Modell langfristig tragfähig ist. Auch ein geplantes Bezahlsystem für Creator wirft Fragen zur finanziellen Nachhaltigkeit auf. Kritiker warnen, dass finanzielle Engpässe die Plattform in die Abhängigkeit von externen Investoren treiben könnten, was die Unabhängigkeit gefährden würde.

Bluesky löst derzeit einige seiner Versprechen von Offenheit und Transparenz nicht ein. Während das Netzwerk nach außen mit Dezentralität und Nutzerautonomie wirbt, zeugt ein Blick hinter die Kulissen zumindest bisher einige Diskrepanzen: Die Eigentümerstruktur bleibt undurchsichtig, das Geschäftsmodell wirft Fragen nach der langfristigen Unabhängigkeit auf und zentrale technische Funktionen für eine echte Dezentralisierung stecken noch in den Kinderschuhen. Die als Übernahmeschutz angepriesenen Mechanismen erweisen sich bei näherer Betrachtung bislang als unvollständig. Es bleibt zu hoffen, dass Bluesky tatsächlich die offene und transparente Alternative zu den etablierten sozialen Netzwerken wird, bevor es unter der Last der neu gewonnenen Nutzerinnen und Nutzer zusammenbricht.

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(vza)