US-Krankenkasse zahlt Robo-Haustier

Der Hersteller Ageless Innovation stellt automatisierte "Katzen" und "Hunde" für Senioren her. Die Gesundheitswirkung gilt als nachgewiesen.

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Die Roboterkatze von Joy for All schnurrt, um realistischer zu wirken.

(Bild: Ageless Innovation)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Veronika Szentpetery-Kessler

Speziell für Senioren angepriesene Produkte lösen bei ihnen oft Verärgerung aus – vor allem, wenn das Produkt an ein Spielzeug erinnert. So ernteten auch die sich etwas hölzern bewegenden animatronischen Schoßkatzen und -hunde von Ageless Innovation, einer US-Tochter des Spielwarenherstellers Hasbro, „vor allem von Technikjournalisten bissige Kommentare“, erzählt Andrew Jeas, Mitgründer und Leiter des operativen Geschäfts. Diese Tiere werden seit 2015 unter dem Markennamen Companion Pets vertrieben. „Aber für jeden dieser Kommentare gab es andere, wo uns Menschen sagten: Mein Vater hat Alzheimer, und ihm hilft es.“

Ähnliche Beobachtungen machten auch Betreuer in Senioren- und Pflegeheimen in den USA. Der Bundesstaat New York kaufte der New York Times zufolge 1100 Exemplare, nachdem Probanden einer Pilotstudie sich mithilfe der Robotiere weniger isoliert und einsam fühlten.

Mehr als 50 Studien haben sich schon mit den Gesundheitseffekten von Robotertieren beschäftigt. Obwohl viele positive Auswirkungen fanden, vor allem bei Demenzkranken und Einsamen – die oft auch über Depression klagen –, sind viele dieser Untersuchungen nach wie vor klein. Auch die Companion Pets wurden 2020 in einer Pilotuntersuchung der Krankenversicherung United Healthcare nur bei 216 kognitiv gesunden über 65-Jährigen unter die Lupe genommen, die zuvor über Einsamkeit geklagt hatten. Gemessen an der UCLA Loneliness Scale fühlten sich viele Probanden bei Kontrollterminen nach 30 und 60 Tagen weniger einsam.

Studieninitiator Jim Murphy, der inzwischen die Gesundheitssparte von Ageless Innovation leitet, gibt zu, dass trotz statistisch signifikanter Ergebnisse größere Studien nötig seien. Trotzdem seien die anekdotischen Beobachtungen, die er aus Seniorenwohnheimen hört, seit Jahren konsistent: „Es verbessert die negativ empfundenen Verhaltensmuster von Demenz. Es beschäftigt die Patienten und hilft gegen Aufgebrachtheit und Aggressivität“, so Murphy. Einsame Menschen seien plötzlich wieder kontaktfreudiger. Die große Mehrheit der Probanden hatte vorher ein echtes Haustier, sodass sie vielleicht auch deshalb positiv reagierten.

Inzwischen bietet die Krankenversicherung HealthPartners als erste seit diesem Jahr im Bundesstaat Minnesota an, Mitgliedern mit einer Demenz- oder Depressionsdiagnose die Kosten für Companion Pets als Zusatzleistung zu bezahlen. „162 Mitglieder mit Demenz oder schwerer Depression haben über unsere Zusatzversicherung eine Roboterkatze bekommen“, sagt David Martinson von HealthPartners.

Die Idee zu den Companion Pets kam dem Mutterunternehmen Hasbro vor knapp zehn Jahren. Schon 2001 fiel ihm nach der Markteinführung der ersten animatronischen Spielsachen auf, dass diese auch bei Erwachsenen immer populärer wurden. 2011 begann das Unternehmen dann mithilfe von Bewohnern von betreutem Wohnen, eine animatronische Katze und einen Hund für Senioren zu entwickeln, die sich so realistisch wie möglich ansehen, -fühlen und -hören.

So schnurrt etwa die Katze mithilfe von Aufnahmen nicht nur, sondern ihr Körper vibriert ähnlich wie das Naturvorbild. Auf Wunsch von Probanden, die nicht mehr gut hören konnten, erhielt sie einen Lautstärkeregler. Hinzu kam eine Prise Zufall: Zwar lösen an verschiedenen Stellen eingearbeitete kapazitive Sensoren bei Berührung oder Bewegung spezifische Reaktionen wie Kopfbewegung, Blinzeln, Miauen oder Pfotenlecken aus, tun das aber nicht jedes Mal. „Ihre Katze rollt sich auch nicht jedes Mal auf den Rücken, wenn sie sie am Kopf streicheln“, sagt Jeas.

Es ist schwer zu sagen, wie vielen Menschen die Roboter-Haustiere tatsächlich auf Dauer helfen. Kritiker wie die Psychologin Sherry Turkle vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) bemängeln, dass keine echte Interaktion entsteht und die Maschinen Kontakt zu echten Tieren oder Menschen nicht ersetzen können. „Sie sind natürlich kein Ersatz. Aber solange wir die Technik ergänzend nutzen und auf Privatsphäre achten, haben therapeutische Roboter viel Potential“, entgegnet Robotik-Expertin Kate Darling vom MIT. Es ist also vielleicht wie mit vielen Therapien: Jeder muss herausfinden, ob es ihm hilft.

(bsc)