US-Strafzölle gegen China: Auch Europa ist betroffen 

Seite 2: Der Ruf des Geldes

Inhaltsverzeichnis

Auch Solartechnik ist von den US-Zöllen betroffen.

(Bild: moreimages/Shutterstock.com)

Die Unternehmen – auch europäische – folgten dem Ruf des Geldes. Im Bericht der Handelsbeauftragten heißt es dazu, die US-Wirtschaft habe mit dem IRA signifikante Investitionen in Clean Energy-Technologien, -Lieferketten und -Produktionen aufgebaut. Die weiteren Zölle auf Batterien, Permanentmagneten, Elektrofahrzeuge und Solarprodukte würden diese Investitionen unterstützen und eine Diversifizierung weg von chinesischen Quellen fördern.

Das gilt nicht zuletzt für die Solarbranche: Derzeit habe China zwar einen "überwältigenden Anteil am globalen Markt der Produktion von Solarprodukten", die USA seien aber der zweitstärkste und stark ansteigend - und würden damit als zusätzlicher Hebel dienen, um China von seinen kritisierten Praktiken abzubringen.

Doch was bedeuten die US-Sanktionen vor diesem Hintergrund für EU und Deutschland konkret? Die deutschen Automobilhersteller warnen vor Überreaktionen. "Wir brauchen China, um die globalen Probleme zu lösen", sagt eine Sprecherin des Verbands der Automobilindustrie (VDA). "Zudem spielt China eine entscheidende Rolle für eine erfolgreiche Transformation hin zu Elektromobilität und Digitalisierung – ein Handelskonflikt würde also auch diese Transformation gefährden."

Ein "kritisch konstruktiver Dialog mit China", um Subventionen und unfaire Handelspraktiken "auf beiden Seiten" zu unterbinden, ist für den VDA das Gebot der Stunde. Handelskonflikte und zusätzliche Zölle würden hingegen auf beide Seiten negative Auswirkungen haben. Die US-Zölle würden den EU-Markt kaum tangieren – einmal aufgrund des geringen Handelsvolumens, zum anderen seien für den US-Markt produzierte Autos nicht automatisch auch in Europa für Kunden interessant.

Beim Verband der Elektro- und Digitalindustrie ZVEI sind die Sorgen größer: Das EU-Ziel der Verdopplung des Weltmarktanteils an Halbleitern bis 2030 sei ambitioniert, aber daran müsse nun umso mehr festgehalten werden. Es gehe um gleiche Bedingungen für alle Produzenten auf allen Märkten. "Nicht passieren darf, dass Chinas staatlich subventionierte Produkte – Chips, Batterien und weiteres – nach Europa im großen Stil umgelenkt werden", warnt Wolfgang Weber, Vorsitzender der Geschäftsführung des ZVEI. "Hiervor muss sich die EU schützen und darf selbst auch nicht vor Sanktionen zurückschrecken, wenn ungerechtfertigte Subventionen vorliegen."

Der Vorsitzende des Handelsausschusses im Europaparlament, der Sozialdemokrat Bernd Lange, möchte das nicht ausschließen - aber auf keinen Fall vorschnell agieren. Das "Zollfeuer" der USA habe ihn überrascht, sagt er im Gespräch mit heise online. Die bisherigen Warenströme hätten keine große Bedrohung für die US-Wirtschaft dargestellt. Entsprechend will er auch die möglichen Effekte auf die EU in Ruhe analysieren.

"Das Risiko ist da", räumt Lange ein, aber die EU sei bislang gut damit gefahren, jeden Einzelfall möglicher Verstöße einzeln zu analysieren und gegebenenfalls zu ahnden. Das habe etwa im Fall unzulässig subventionierter chinesischer E-Bikes in der Vergangenheit gut gewirkt. Vermieden werden müsse in Abgleiten in protektionistische Maßnahmen – Abschottung sei für die EU kein gutes Modell. Das Ziel müsse es sein, die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Anbieter, etwa bei hocheffizienten Solarzellen oder Batterien, wieder zu verbessern.

Andere EU-Politiker erwarten wesentlich stärkere Effekte. "Die US-Strafzölle werden dazu führen, dass chinesische Produkte nun den europäischen Markt fluten und so die Konkurrenz für europäische Hersteller verschärfen", warnt Anna Cavazzini, Vorsitzende des Binnenmarkt- und Verbraucherschutzausschusses des Europäischen Parlaments. Die Grüne sieht eine schwierige Gemengelage: "Zusammen mit den massiven Subventionen der USA im Rahmen des Inflation Reduction Act entsteht hier eine gefährliche Konkurrenz für europäische Unternehmen."

Aus klimapolitischer Sicht sei es gut, wenn die dafür nötigen Güter günstig am Markt verfügbar wären. "Aber aus industriepolitischer Sicht und für die gefährliche Abhängigkeit von Importen strategischer Güter, ist dieser weltweite Subventionswettlauf gefährlich", warnt Cavazzini. Sie fordert deshalb ein entschiedenes Vorgehen der EU "gegen marktverzerrende Subventionen, welche die heimische Produktion gefährden."

Damit ist die Grüne stärker auf einer Linie mit Daniel Caspary (CDU). Zwar würde kurzfristig eine Umleitung der Warenströme in Richtung EU die Preise senken, sagt Caspary. Das aber könne die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Anbieter in Frage stellen. Er fordert ein entschlossenes Handeln der EU-Kommission in der Handels- und Industriepolitik, insbesondere die Diversifizierung der Lieferketten bei Halbleitern, BEV-Komponenten und Solar.

Europa müsse aber auch die eigenen Produktionskapazitäten stärken und auf die US-Maßnahmen handelspolitisch reagieren, sagt Caspary. "Sei es durch die Einführung von Ausgleichszöllen oder Handelsabkommen mit anderen Wirtschaftsräumen." Dafür müssten aber auch die Mitgliedstaaten ihren Teil beitragen.

Ein zurückhaltendes Vorgehen infolge der US-Strafzölle fordern auch Sachverständige der Bundesregierung für die Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Lage: "Aus unserer Sicht ist das vielleicht nicht die schlaueste Strategie", sagt die Vorsitzende des Sachverständigenrates Monika Schnitzer mit Blick auf die Maßnahmen der Biden-Regierung. Es sei keineswegs eindeutig, dass es im Interesse Deutschlands und der EU sei, sich ein Beispiel an der US-Politik zu nehmen.

Ähnlich sieht das auch Ulrike Malmendier, Professorin an der University of California in Berkeley. "Die Chinesen haben viel staatlich subventionierte Überproduktion betrieben, Güter gehen jetzt zu Dumpingpreisen an den Weltmarkt", zeugt sie zwar Verständnis für die Reaktion der USA. Die Situation sei für Deutschland aber eine ganz andere als in den USA, deren Wirtschaft vergleichsweise wenig mit China verflochten sei. "Strafzölle sind für das Land, das sich schützen will, nicht immer so positiv wie gerne dargestellt wird."

(vbr)