Ăśbergewicht: Wie Leber und Gehirn zusammenspielen

Zu viel Speck auf den Rippen kann Blockaden in der Hirn-Leber-Achse als Ursache haben. Wiener Forscher untersuchen die hormonelle Zusammenwirkung der Organe.

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Ăśbergewicht: Wie Leber und Gehirn zusammenspielen

(Bild: Photo by Christopher Williams on Unsplash)

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Fettleber ist eine der am weitesten verbreiteten Stoffwechselerkrankungen in der westlichen Welt. Übergewicht ist eine der Hauptursachen für die chronische Erkrankung, für die es noch keine gezielte Therapie über Pharmazeutika gibt. Eigentlich versucht der Körper selbst, ihrer Entstehung vorzubeugen: Leber, Hormone und das zentrale Nervensystem regulieren die Kalorienzufuhr gemeinsam. Doch das hilft wenig, wenn der Mensch die Warnsignale ignoriert.

Zu einer nicht alkoholbedingten Fettleber kann es zum Beispiel dann kommen, wenn durch zu viel Nahrung mehr Fett entsteht, als das Gewebe aufnehmen kann. Dieses überschüssige Fett wird dann in die Organe eingelagert, unter anderem in der Leber. Die Häufigkeit der chronischen Lebererkrankung nimmt in Europa und den USA besonders rapide zu. Experten gehen davon aus, dass die Diagnose Fettleber künftig für die meisten Lebertransplantationen verantwortlich sein wird.

Eine Wiener Wissenschaftlergruppe forscht nun in Zusammenarbeit mit Kliniken in Leipzig und Pisa daran, die Ursachen besser zu verstehen. Thomas J. Scherer, Endokrinologe an der Medizinischen Universität Wien, und sein Team haben an Nagetieren nachgewiesen, dass der Fettstoffwechsel in Abstimmung mit dem Hormon Leptin vom Gehirn aus mit dem Vagusnerv koordiniert wird. Der Vagusnerv stellt eine zentrale Schaltstelle dar, die das Hirn mit vielen wichtigen Organen wie dem Darm verbindet – aber auch der Leber.

Bei überfütterten Ratten und Mäuse konnte die Wiener Forschungsgruppe nachweisen, wie Leptin, die Rezeptoren im Gehirn und der Vagusnerv zusammenwirken. Direkt nach der Nahrungsaufnahme beginnt die koordinierte Arbeit. Für die Forschung wurde Leptin in diverse Hirnregionen der Nager gegeben, um den Leberstoffwechsel zu beobachten.

Leptin wird im Fettgewebe produziert. Das Hormon wird durch die Blut-Hirn-Schranke, die die zentrale Barriere zwischen den Flüssigkeitsräumen des Blutkreislaufs und dem zentralen Nervensystem darstellt, transportiert und gelangt so an Rezeptoren im Gehirn. Leptin kommuniziert wichtige ernährungsrevelante Informationen und sendet regulierende Signale: etwa zu Sättigungsgefühl und Fettmasse. Es schickt Nahrungsfette, sogenannte Triglyzeride, zur Entfettung ins Gewebe. Der Vagusnerv des autonomen Nervensystems kommuniziert dieses Signal normalerweise an die Leber weiter – vermutlich geht aber genau diese Botschaft bei krankhaft übergewichtigen Menschen mit Fettleber verloren.

Der Wirkungsablauf zwischen Gehirn, Vagusnerv und Leber ist dadurch trotz erhöhter Leptin-Werte gestört. Diese Verbindung untersuchen Scherer und sein Team nun systematisch. "Wir erforschen den Fettstoffwechsel ganzheitlich, nicht auf ein einzelnes Organ fixiert, und betrachten die Interorgan-Kommunikation dazu. Wenn wir die Signalwege besser kennen, lassen sich daraus vielleicht Therapieansätze ableiten." Man habe bereits wertvolle Daten aus Versuchen mit Modellorganismen gewinnen können. In einer der jüngsten Untersuchungen werden Leberaktivität und Leptinregulation von drei Gruppen mittels hochauflösender Magnetresonanztomografie (MRT) und Bluttests untersucht und verglichen: bei gesunden Menschen, Lebertransplantierten und Menschen, die krankheitsbedingt über kein Fettgewebe verfügen.

(bsc)