Überzogene Hoffnungen für „Carbon Farming“

Lassen sich mit den richtigen Praktiken große Mengen Kohlendioxid sicher im Boden speichern? Auf einer Fachkonferenz haben sich Experten überwiegend skeptisch über die Aussichten solcher Projekte geäußert.

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Überzogene Hoffnungen für „Carbon Farming“

(Bild: Photo by Johny Goerend on Unsplash)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • James Temple
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In Böden ist von der Natur aus eine gewisse Menge Kohlendioxid gespeichert, ein großer Teil davon stammt von vermodernden Pflanzen und Tieren. Nach einer Schätzung der National Academy of Sciences der USA könnten sich in globalem Ackerland darüber hinaus bis zu 3 Milliarden Tonnen Kohlendioxid zusätzlich speichern lassen. Dazu müssten Landwirte einige Praktiken verbessern, etwa organisches Material wie Dünger oder Kompost einbringen, bevorzugt Pflanzen anbauen, die mehr Kohlendioxid an den Boden abgeben, oder Zwischenfrüchte pflanzen, die anschließend zerfallen.

Allerdings gibt es noch große Unsicherheit in Bezug auf die Frage, welche Vorteile für das Klima solche Praktiken wirklich bringen, welche davon bei unterschiedlichen Boden- und Klima-Bedingungen am besten funktionieren und ob es nicht bessere Methoden dafür gibt, den Treibhausgas-Emissionen des Agrarsektors etwas entgegenzusetzen. Dies ging aus den Beiträgen von Teilnehmern bei einer Podiumsdiskussion über „Carbon Farming“ auf der Jahreskonferenz des Breakthrough Institute Ende Juni in Kalifornien hervor.

Noah Deich etwa ist Geschäftsführer von Carbon180, einem Think-Tank, der sich für Entfernung und Recycling von Kohlendioxid einsetzt. Seit dem Beginn von Landwirtschaft seien weltweit ungefähr 500 Milliarden Tonnen Kohlendioxid aus Böden freigesetzt worden, schätzte er – ungefähr 14-mal so viel wie von allen fossilen Energiequellen im vergangenen Jahr zusammen. Dieser riesige Pool ließe sich potenziell wieder auffüllen, wenn es gelingen würde, die Ökosysteme dazu zu bringen, deutlich mehr Kohlendioxid aufzunehmen. „Aber ab dieser Grundannahme wird es viel, viel komplizierter“, sagte Deich.

So gibt es noch viele offene Fragen dazu, wie Ökosysteme von Boden-Mikroben wirklich funktionieren und welche Praktiken am besten für Aufnahme und Speicherung von Kohlendioxid geeignet sind, erklärte Deich weiter. Am dringendsten benötigt würden derzeit viele Experimente auf dem freien Feld, um diese Faktoren näher zu erkunden.

Ein weiterer Teilnehmer der Diskussion war Tim Searchinger, der als Forscher an der Princeton University das Potenzial von Carbon Farming für einen anstehenden Bericht des World Resources Institute untersucht hat. Er zeigte sich sogar noch skeptischer. Nach seiner Darstellung gibt es Grenzen dafür, wie sehr Landwirte ihre Praktiken im Boden-Management verändern können, und Einschränkungen für die zusätzliche Menge an Kohlendioxid, die zuverlässig in weiter bebauten Böden gespeichert werden kann. Zudem, so Searchinger, hätte es einige Aktivitäten, die man dem Bereich Carbon Farming zuschreiben könnte, möglicherweise ohnehin gegeben.

„Unsere allgemeine Ansicht lautet, dass es bislang eine riesige Ablenkung gewesen ist“, sagte er zu dem Thema. „Es gibt eine riesige Zahl von Dingen, die getan werden müssen, um Probleme mit Landwirtschaft und Klima zu lösen, und Kohlendioxid im Boden gehört nicht dazu, jedenfalls nicht mit Blick auf die Abmilderung der Folgen.“ Die erste und wichtigste Priorität für die Minimierung der Klimabelastung durch Landwirtschaft liege darin, keine weiteren Flächen dafür zu roden, betonte der Forscher.

Insbesondere müsse es mehr Bemühungen darum geben, Torfgebiete zu schützen oder wiederherzustellen. Diese Art Landschaft setze enorme Mengen Kohlendioxid frei, wenn sie trockengelegt und dann für landwirtschaftliche Zwecke genutzt wird.

Größere Vorteile könnte die Erhöhung der Produktivität von Weide- und Ackerland bringen, sagte Searchinger; bessere Prozesse, Nährstoffe, Pflanzen oder Samen könnten helfen, mit weniger Flächenexpansion auszukommen, argumentierte er. Noch besser wäre nach seinen Worten, wenn Landwirte einige Flächen wieder zu Grünland oder Wäldern umwandeln würden, die in Blättern, Stämmen, Wurzeln und Boden deutlich mehr Kohlendioxid speichern.

Eine differenziertere Meinung vertrat auf der Konferenz Calla Rose Ostrander vom Marin Carbon Project, einem Projekt mit dem Ziel, die Kohlendioxid-Sequestrierung im Boden eines kalifornischen Landkreises zu verbessern. Es sei schwierig, allgemeine Schlüsse über Carbon Farming zu ziehen, sagte sie.

„Bei der Wissenschaft über Boden-Kohlendioxid muss man konkret die Landschaft betrachten, in der man sich befindet, ebenso wie das konkrete Pflanzensystem und das konkrete Klima“, erklärte sie. Das kalifornische Boden-Programm beruhe auf einem Jahrzehnt an überprüfter wissenschaftlicher Forschung zur Kohlendioxid-Aufnahme in unterschiedlichen Bodentiefen im gesamten Bundesstaat.

Das Ziel solcher Bemühungen sei nicht nur die Aufnahme und Speicherung von Kohlendioxid, fügte sie hinzu. Es gehe auch darum, Böden zu entwickeln, die landwirtschaftlich produktiv und gleichzeitig klimafreundlich sind.

(sma)