Union Investment: Integrationsplattform auf Basis offener Standards

Seite 4: Fazit

Inhaltsverzeichnis

Die gesamte Architektur aus Hardware und Software lässt sich logisch in drei Ebenen untergliedern:

  • Applikationen: Die eigentliche Anwendungslogik, hauptsächlich in Form von konfigurierbarer und leicht veränderlicher Ablauflogik.
  • Basis: Die unveränderten oder angepassten Open-Source-Komponenten, die die Runtime-Umgebung für die Ablauflogik bilden.
  • Infrastruktur: Die Hardware- und Netzwerkinfrastruktur inklusive der betriebssystemnahmen Software (Linux, JRE etc.) und der Konnektivität zu den angeschlossenen Systemen (Host, Datenbank etc.).

Jede dieser Ebenen ist unterschiedlich charakterisiert: So sollen die Applikationen leicht und jederzeit veränderbar sein, während die Infrastruktur möglichst statisch sein soll und es hier eher auf möglichst lineare Skalierbarkeit der Hardware ankommt.

Aus der Architektur heraus wurde entschieden, Applikationen und Basis von Cirquent und die Infrastruktur von einem anderen Dienstleister betreuen zu lassen. Damit findet sich die logische Trennung und Entkopplung zwischen den hardwarenahen und applikationsrelevanten Elementen auch im Sourcing-Modell wieder. Die UIT etablierte ganz bewusst keine Generalunternehmerschaft, da es die hohe Bedeutung und Komplexität der zentralen Integrationsplattform erforderlich macht, auf allen Ebenen sowohl ein hohes Spezialistentum zu gewährleisten als auch den direkten steuernden Einfluss der Union Investment sicherzustellen.

Konzeption, Entwicklung und Betrieb der Elemente stammen allerdings auf jeder Ebene aus jeweils aus einer Hand. Damit reduziert sich das Qualitätsrisiko beim Übergang vom Projekt zum Routinebetrieb enorm: Da sowohl Konzeption und Entwicklung als auch der spätere Betrieb von jeweils derselben Firma erbracht werden, können Qualitätsprobleme im Betrieb nicht auf eine Dritt-Firma abgewälzt werden.

Die Verträge für den Betrieb der Infrastruktur unterscheiden sich von den Verträgen für die Basis und Applikationen. Bei der Infrastruktur müssen der Betrieb der Hardware und Netzinfrastruktur sowie Dinge wie die Konnektivität zu den Randsystemen sichergestellt sein. Dabei ist weder die Verfügbarkeit einer bestimmten Anwendung noch eines konkreten Rechners wichtig; das Service Level Agreement verlangt lediglich die Verfügbarkeit einer bestimmten Menge von Linux-Blades als Produktionsumgebung.

In dem Vertrag mit Cirquent zum Betrieb der Basis und der Anwendungen ist jede Applikation mit einem separaten Service Level belegt, statt die gesamte Plattform über einen Kamm zu scheren. Die Verfügbarkeitsanforderungen der Basis leiten sich direkt aus den Anforderungen der darauf laufenden Anwendungen ab.

Entsprechend kommen unterschiedliche Vergütungsmodelle zum Einsatz: Auf der Ebene der Infrastruktur verursacht vor allem die Hardware-Kapazität Kosten, bei der Basis und den Applikationen die Komplexität der Software. Für alle Ebenen gibt es weitere Faktoren für die vereinbarte Vergütung, etwa die Betriebszeit, Verfügbarkeit und tolerierbare Ausfallzeiten.

Die Union IT-Services GmbH (UIT) organisiert Ihre Betriebsprozesse ITIL-konform und legt großen Wert darauf, dass ihre Dienstleister dies ebenfalls tun. Der Betrieb der Integrationsplattform lässt sich daher an exemplarisch gewählten ITIL-Prozessen beschreiben.

Im Change Management werden fachlich motivierte Änderungen und solche, die der Betriebsoptimierung dienen, vom Betriebsverantwortlichen der UIT bearbeitet. Änderungen aufgrund von Betriebsstörungen (Incidents, Problems) werden hingegen von den Dienstleistern initiiert und von der UIT freigegeben. Damit ist gewährleistet, dass auch bei Nichterreichbarkeit des bei der UIT Verantwortlichen im Störungsfall die Fehlerbehebung erfolgen kann – schlimmstenfalls muss nur noch die Freigabe angewartet werden.

Da der Betriebsverantwortliche der UIT Änderungen selbst initiiert oder zumindest freigibt, ist die inhaltliche Konsistenz aller Changes sichergestellt. Je nach Änderung können bei einem, mehreren oder allen der drei involvierten Parteien Koordinationsaktiviäten notwendig sein. Die UIT hat keinen direkten Zugriff auf die Hardware- und Software-Umgebung und übernimmt somit nur steuernde und kontrollierende Aufgaben -- durchgeführt werden die Änderungen von den beiden für Hardware und Software verantwortlichen Dienstleistern.

Für das Release Management ergibt sich aus der Architektur, dass Applikationen nur einmal zentral installiert werden müssen und danach automatisch auf allen Rechnern verfügbar sind. Das erleichtert das Deployment und macht es nicht nur schneller, sondern auch weniger fehleranfällig. Im Notfall sind alle Applikationen auf allen Blades verfügbar und müssen nur manuell gestartet werden.

Für das Incident Management kommt dem Single-Point-of-Contact-Ansatz aus ITIL eine hohe Bedeutung bei. Da Anwender häufig weder die Auswirkungen eines Vorfalls einschätzen können noch beurteilen können, ob lediglich ihre Anwendung oder die Integrationsplattform betroffen ist, können nur vorher benannte Spezialisten Incidents eröffnen – und zwar nicht beim Singe Point of Contact der UIT, sondern direkt beim Infrastrukturbetreiber. Das kann viel Zeit sparen, die ansonsten zwischen der UIT und dem Infrastrukturbetreiber verloren gehen würde. Beim Eröffnen eines Incidents wird bereits die Cirquent mitinformiert und kann im Zweifel direkt nach Meldung des Incidents tätig werden.

Für das Problem Management gilt, dass alle eröffneten Problem-Tickets zumindest analysiert werden (Durchführen des Teilprozesses "Problem Control"). Ist die Ursache gefunden, so wird die Behebung entweder direkt in Form einer Änderung beauftragt, oder es ergeht ein gesonderter Auftrag, sofern der Aufwand eine bestimmte Grenze überschreitet. Damit ist gewährleistet, dass kleinere Probleme im Rahmen des Service-Vertrages behoben werden und keine Fehler ins Problem-Management abgeschoben werden können (Vorteil UIT). Für den Insourcer ist das Risiko aber begrenzt, da kostenintensive Problembehebungen eigens verrechnet werden.

Das Capacity Management für die neue Plattform kann noch nicht auf weitreichende Erfahrungen mit der neuen Infrastruktur zurückgreifen. Allerdings lässt sich der Hauptanwendungsbereich – die SOA – auf der alten Plattform sehr gut messen und analysieren. Deshalb fällt es relativ leicht, die hier gemachten Erfahrungen auf die neue Plattform zu abstrahieren.

Ein einziges Reporting – nämlich das des Infrastrukturbetreibers – bildet die Plattform insgesamt ab und enthält alle relevanten Changes, Incidents und so weiter. Hier sind alle Ausfälle ersichtlich und die Zeiten dokumentiert. Eventuell fällige Vertragsstrafen müssen dann separat mit den beiden Providern der Infrastruktur und der Software geklärt werden -- die Berechnung erschwert sich aufgrund des fehlenden Generalunternehmer-Ansatzes.

Alle ITIL-Prozesse basieren auf einem Tool, dem Service-Management-Tool des Infrastrukturbetreibers. Damit ist gewährleistet, dass Tickets gleich im richtigen Tool-Kontext stehen und Störungen, deren Unsache möglicherweise in einem Randsystem liegt, schnell und einfach weitergeleitet werden können. Sowohl Cirquent als auch UIT haben – sofern es die jeweiligen Aufgaben erforderlich machen – direkten Zugriff auf das Tool des IT-Service-Generalunternehmers der UIT.

Mittlerweile ist das Projekt abgeschlossen und alle migrierten Anwendungen laufen im Produktivbetrieb. Die Performance der SOA auf der neuen Hardware ist deutlich besser als erhofft. Die während der Migration aufgetretenen Schwierigkeiten blieben für ein Projekt dieser Komplexität stets im Rahmen. Ärgerlich war hier vor allem ein Bug im Cluster-Dateiystem, der sich nicht sofort identifizieren ließ.

Die Qualität und Stabilität der implementierten Open-Source Lösung lässt keine Wünsche offen, die Entwicklung neuer Integrationsanwendungen läuft schneller und einfacher. Dank eines Return of Investment von unter drei Jahren stellt sich die Migration auf offene Standards und Open Source auch wirtschaftlich als Erfolg dar. (odi)


Eingesetzte Open-Source Software:

Betriebssystem: Red Hat Enterprise Linux Advanced Server 4 Patch 5
Application Server: JBoss 4.0.4
ServiceMix 3.1
JBoss Rules 3.0.1
JBoss JPBM 3.2.1
Monitoring: Hobbit
OCFS2 1.2.8-2

Kontakt:

Union IT Service GmbH
Marcel Jakobi
Dr. Sven-Carsten Strüver
Wiesenhüttenstraße 10
60329 Frankfurt am Main
marcel.jakobi at union-investment.de
sven-carsten.struever at union-investment.de

Cirquent GmbH Martin Landua
Königsberger Straße 29
60487 Frankfurt am Main
martin.landua at cirquent.de (odi)