Varianten, Verbreitung, Impfung: Wie sieht die aktuelle Corona-Lage aus?

RKI und WHO verzeichnen steigende Coronafallzahlen, dahinter steckt auch die Variante EG.5 (Eris). Das Risiko für die öffentliche Gesundheit sei aber niedrig.​​

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(Bild: Corona Borealis Studio/Shutterstock.com)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Veronika Szentpetery-Kessler
Inhaltsverzeichnis

Für viele Menschen ist Corona inzwischen weit in den Hintergrund gerückt und ist nur eine von vielen Infektionskrankheiten. Gesundheitsbehörden beobachten eine neue dominante Variante, die sich deutlich schneller als bisherige Varianten ausbreitet. Was wissen wir über EG.5, die zur besseren Unterscheidung auch Eris genannt wird?

Mitte August machte der Omikron-Abkömmling EG.5 mit 54,5 Prozent mehr als die Hälfte aller Covid-19-Infektionen in Deutschland aus. Weltweit haben sich die positiven Coronafälle laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) von Mitte Juni bis Mitte Juli von 7,6 Prozent auf 17,4 Prozent mehr als verdoppelt.

Deutschland verzeichnet einen leichten Anstieg an Atemwegsinfektionen, einschließlich SARS-CoV-2. Als Grund sehen Experten die allgemeine Urlaubsrückreisewelle. Das hat aber bisher nicht zu einer "relevanten Zunahme der Arztkontakte oder Klinikaufnahmen" geführt, sagt der Infektiologe Christoph Spinner vom Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München.

Die 7-Tage-Inzidenz oszillierte im August zwischen niedrigen 2 bis 6 Fällen pro 100.000 Einwohner. Die tatsächlichen Infektionszahlen und damit die 7-Tage-Inzidenz liegen aber mit Sicherheit deutlich höher, weil das geringe Testen viele Fälle nicht erfasst. Es gibt zwei Indikatoren für das Infektionsgeschehen, sagte Christoph Watzl, wissenschaftlicher Direktor am Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der Technischen Universität Dortmund, der Tagesschau: Wer mit Verdacht auf Corona ins Krankenhaus kommt, werde natürlich getestet. Als zweites verraten Abwasseruntersuchungen in Kläranlagen, wie stark das Virus verbreitet ist. Beide Indikatoren zeigten einen Aufwärtstrend.

EG.5 und vor allem die Untervariante EG.5.1 sind durch eine sowie zwei Veränderungen am Spike-Protein deutlich ansteckender als bisherige Versionen. Angesichts der schnelleren Ausbreitung hat die WHO Eris am 9. August von "Variante unter Beobachtung" (VUM) zu "Variante von Interesse" (VOI) hochgestuft – aber eben noch nicht zu "besorgniserregende Variante" (VOC).

Die höhere Ansteckungsrate "bedeutet nicht, dass die Variante automatisch gefährlicher ist", sagt Spinner. EG.5 werde aber intensiver beobachtet, um ihre starke Verbreitung und potenzielle Gefährlichkeit besser zu verstehen. Bisher häuften sich schwere Covid-19-Verläufe mit dieser Variante nicht. Man ist genauso ein bis zwei Wochen krank wie bisher, kann sich schlecht fühlen und ein paar Tage mit Fieber im Bett liegen. Mediziner sprechen aber erst von schweren Verläufen, wenn man im Krankenhaus versorgt werden muss. Spinner empfiehlt, nach der Genesung trotz Symptomfreiheit noch ein, zwei Tage länger daheimzubleiben – auch um Risikogruppen zu schützen.

Die Infektionszahlen dürften weiter nach oben gehen. Nicht nur, weil die Menschen wegen der zunehmenden Kühle sich nun öfter drinnen treffen und so Übertragungsgelegenheiten schaffen. Zu dieser Jahreszeit erleichtern auch physikalische Ursachen dem Virus, mehr Menschen zu infizieren: Kältere und trockenere Luft begünstigt die Lebensdauer der Aerosole, jene winzige ausgeatmeten – oder auch mit Husten und Niesen herausgeschleuderten – Tröpfchen, mit denen die Viren durch die Luft reisen. Ob es zu einer starken Erkrankungswelle kommt, lässt sich Experten zufolge noch nicht verlässlich sagen.

Zu den häufigsten Symptomen gehören Husten, Fieber, Kopf- und Halsschmerzen, Erschöpfung und der Verlust von Geruchs- und Geschmackssinn. Möglich sind aber auch ungewöhnlichere Symptome wie Durchfall, Hautausschlag und gereizte Augen. Viele Experten wie Spinner betrachten Covid-19 inzwischen als typische Atemwegsinfektion, die Eris-Symptome "unterscheiden sich nicht wesentlich von anderen Erregern wie der echten Virusgrippe". Die Verläufe können von keinen über milde bis schwerere Symptome sehr unterschiedlich sein. Auch wenn viele Menschen Covid-19 dank Impfungen und durchgemachten Infektionen gut verkraften, ein gewisses Long-Covid-Risiko mit ernsten Folgen besteht nach wie vor.

Mehrere Impfstoffhersteller haben gemeldet, dass ihre aktualisierten Herbst-Booster, die auf die Vorgängervarianten der XBB-Linie zielen, auch gegen EG.5 wirksam seien. Moderna berichtet in einem Vordruck über Humanstudien, dass je ein monovalenter und bivalenter Kandidat "potente neutralisierende Antworten" bewirkt hätten. Pfizer/BioNTech berief sich auf ähnliche Ergebnisse bei Mäusen und Novavax auf Ergebnisse aus Kleintier- und Primatenstudien. Aktuell warten alle Hersteller auf die Zulassung. Die neuen Booster sollen Ende September, spätestens Oktober hierzulande verfügbar sein.

Der Ständige Impfkommission (STIKO) zufolge reicht allen Gesunden über 18 Jahren eine Basisimmunität, die gut gegen schwere Verläufe schütze. Dieser Schutz sei ab drei Antigenkontakten – Impfung oder Infektion – gegeben. Am stärksten sei dieser Schutz, wenn mindestens zwei Antigenkontakte per Impfungen erfolgten. Weitere Booster alle 12 Monate empfiehlt die STIKO nur Älteren ab 60 Jahren, allen mit Vorerkrankungen, Menschen in medizinischen und pflegerischen Berufen mit erhöhtem Infektionsrisiko sowie Angehörigen und engen Kontaktpersonen von Menschen, deren Immunsystem trotz Coronaimpfungen keinen Schutz aufbaut.

Die meisten Experten vertreten die STIKO-Empfehlungen und argumentieren, dass die Impfungen "nur" schwere Covid-Verläufe verhindern sollen, aber nicht darauf ausgelegt seien, Infektion von vornherein zu verhindern. Ein solcher Schutz existiert allenfalls kurzfristig nach einer Impfung. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass man sich beim Kontakt mit Sars-2-CoV wahrscheinlich ansteckt – mit einem gewissen Risiko, auf der Arbeit oder in der Schule ein bis zwei Wochen lang auszufallen, Long Covid zurückzubehalten und vulnerable Personen anzustecken. Wer aber seine Immunität trotzdem "besser aufbauen möchte", dem schade die Impfung nicht, sagte Watzl im Tagesschau-Interview.

(jle)