Vor 90 Jahren: Die erste elektronische Bildübertragung Deutschlands

Seite 2: Erste elektronische Videokamera

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Aber schon 1923 ließ sich der in die USA emigrierte Russe Vladimir Zworykin das Ikonoskop patentieren, die erste elektronische Videokamera. Das Prinzip, das so oder ähnlich bis zum Übergang auf Halbleiter-Bildwandler immer gleich blieb: In einer luftleeren Glasröhre wird das von einem Objektiv eingefangene Licht auf eine fotoelektrische Schicht gelenkt. Magnete und Spulen lenken einen Elektronenstrahl zeilenweise von oben nach unten über die Schicht, was diese veranlasst, einen Wechselstrom abzugeben, der dem – schwarzweißen – Bild entspricht.

Zworykon kam erst 1933 dazu, bei der damals mächtigen bis skrupellosen Radio Corporation of America (RCA) nach seinen Ideen einen funktionsfähigen Prototyp zu bauen. Dummerweise hatte der US-Erfinder Philo Farnsworth schon 1927 seinen nach einem ähnlichen Prinzip arbeitenden "image dissector" erprobt. 1928 war Farnsworths System so weit, dass er es – einschließlich Bildschirm – der Presse demonstrierte. Zworykin erkannte Farnsworths zum damaligen Zeitpunkt bessere Kamera. RCA wollte das System kaufen – aber Farnsworth lehnte ab, was zu jahrelangen Patentprozessen führte, aus denen Farnsworth letztlich als Gewinner hervorging.

Von Ardennes Flying-Spot-Abtaster arbeitet ähnlich wie das Ikonoskop: Ein Elektronstrahl wird zeilenweise auf die Leuchtschicht einer Bildröhre geschrieben, durchleuchtet das Dia, ein weiteres fotoelektrisches Element registriert die so gewonnenen Helligkeitswerte. Ob von Ardenne von den Ideen und Versuchen Farnsworths oder Zworykins wusste, ist nicht überliefert. Fakt ist aber, dass sein System problemlos skalierte, sich die Technik also schnell auf ein qualitativ akzeptables Niveau bringen ließ.

Mit einem entsprechenden Transportmechanismus war es zudem kein Problem, den Lichtpunktabtaster statt mit unbewegten Dias mit Filmen zu füttern – einmal mehr war das Prinzip bis zum Übergang auf Halbleiter jahrzehntelang Stand der Technik. Parallel arbeiteten Firmen wie Telefunken an der Weiterentwicklung des Ikonoskops, die "Fernsehkanone" bediente zur Olympiade 1936 unter anderem der spätere PAL-Farbfernsehentwickler Walter Bruch. Bildauflösung damals: 180 Zeilen.

Zworykin, Farnsworth und von Ardenne waren nicht die einzigen Väter des elektronischen Fernsehens – viele Forscher tüftelten seit Beginn des 20. Jahrhunderts an der Television. Farnsworth wird zugesprochen, als erster ein funktionierendes elektronisches System demonstriert zu haben, von Ardenne war Pionier in Deutschland.

Farnsworth war von dem bis 1939 laufenden Patentstreit mit RCA gesundheitlich angeschlagen, er arbeitete zunächst für Philco, dann für ITT. In den 1960ern wandte er sich der Kernforschung zu. Sein eigenes, im Bundesstaat Utah angesiedeltes Labor PTFA scheiterte und war Ende 1970 bankrott. Farnsworth starb im März des folgenden Jahres im Alter von 63 Jahren.

Manfred von Ardenne ließ sich 1937 das Raster-Elektronenmikroskop patentieren, befasste sich während der Nazi-Zeit mit Kerntechnik und arbeitete nach Kriegsende am sowjetischen Atombombenprogramm – ob aus freien Stücken oder zwangsweise, darüber wird gestritten. 1954 gründete er im Dresdner Stadtteil "Weißer Hirsch" wieder ein Forschungsinstitut, das schwerpunktmäßig Lösungen für die Industrie und andere Probleme aus der Praxis entwickelte.

Nach der Wende teilte Ardenne den physikalisch-technischen Bereich seines Instituts in das "Fraunhofer-Institut für Elektronenstrahl- und Plasmatechnik" und die "Von- Ardenne-GmbH", Sohn Alexander betreibt das "Von-Ardenne-Institut für angewandte medizinische Forschung". Von Ardenne starb 1997 im Alter von 90 Jahren.

(dahe)