Warum CO2-Speicherung ein wesentlicher Teil der US-Klimapläne ist​

Das Binden des Klimagases ist laut Shuchi Talati, der neuen Stabschefin im „Office of Fossil Energy“, für große Teile der US-Wirtschaft die einzige Option.​

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(Bild: Petra Nova)

Lesezeit: 14 Min.
Von
  • James Temple

Bei den frühen Klimabemühungen von US-Präsident Joe Biden standen recht typische Maßnahmen im Vordergrund: der (Wieder-)Beitritt zum Pariser Klimaabkommen, der Kauf von sauberer Energie und sauberen Fahrzeugen sowie die Abschaffung der Subventionen für fossile Brennstoffe. Aber die Strategien der Regierung, die Nation zu Netto-Null-Emissionen zu bewegen, stützen sich auch stark, wenn auch auf den ersten Blick weniger offensichtlich, auf einen heikleren Bereich: das Abscheiden und Entfernen großer Kohlendioxidmengen, die die globale Erwärmung antreiben.

Im Juli hat nun das „Office of Fossil Energy“ des US-Energieministeriums die Bezeichnung „and Carbon Management“ in seinen Namen aufgenommen und damit einen deutlichen Wandel in einer Agentur signalisiert, die sich traditionell auf die Entwicklung effizienterer Methoden zur Gewinnung fossiler Brennstoffe und deren Umwandlung in Energie konzentriert. Das zentrale Ziel des Büros mit rund 750 Bundesbediensteten und einem knapp Milliarden-Dollar-Etat ist es, bessere und kostengünstigere Wege zur Säuberung klimaschädlicher Industrien zu entwickeln.

Zu den neuen Prioritäten gehören etwa die Weiterentwicklung von Technologien, die verhindern können, dass Kohlendioxid aus Fabriken und Kraftwerken entweicht, das Gas aus der Atmosphäre entfernt, es in neue Produkte umgewandelt oder für immer einlagert. Die Behörde platzierte mehrere Forscher, die sich mit diesen Themen beschäftigten, in Führungspositionen. Zu ihnen gehört auch Shuchi Talati, die als Stabschefin neben Jennifer Wilcox, der ersten stellvertretenden Staatssekretärin, viele der Veränderungen in der Agentur leiten wird. Talati war zuvor stellvertretender Direktor für Politik bei Carbon 180, einer Initiative für die Kohlenstoffentfernung aus der Atmosphäre, und ist Mitglied der Union of Concerned Scientists, die sich für Umweltschutz und Abrüstung einsetzt.

Die Agenda von Präsident Biden spiegelt sich auch im Infrastrukturgesetz in Wert von einer Billion Dollar wieder, das der Senat bereits verabschiedet hat. Es stellt Milliarden von Dollar für die Entwicklung von Direktluftabscheidung-Anlagen bereit, die Kohlendioxid aus der Luft einfangen können, für Pipelines, um es zu transportieren, und für Standorte, an denen es in geologischen Formationen tief unter der Erde eingelagert werden kann.

Shuchi Talati.

(Bild: Courtesy Photo)

Viele Vertreter der Klimabewegung argumentieren allerdings, dass die Kohlenstoffabscheidung eine Ablenkung von der Kernaufgabe ist, fossile Brennstoffe so schnell wie möglich zu eliminieren. Tatsächlich ist das Feld auf den ersten Blick übersät mit Misserfolgen. Darunter sind eine Vielzahl von Projekten, die das US-Energieministerium unterstützt hat und die nun als Zeit- und Geldverschwendung gelten wie das fast zwei Milliarden Dollar schwere Saubere-Kohle-Projekt "FutureGen".

Allerdings haben Untersuchungen ergeben, dass es insbesondere in der Schwerindustrie weitaus schwieriger und teurer sein wird, Emissionen und eine gefährliche Erwärmung ohne Kohlenstoffabscheidung und -entfernung zu verhindern, weil es hier nur wenige Alternativen gibt. Rund um den Globus wächst die Zahl erfolgreicher kommerzieller Projekte, die Emissionen von Stahl-, Wasserstoff- und Düngemittelwerken reduzieren sollen.

Im Interview mit Technology Review erklärt Shuchi Talati, welche Rolle die CO2-Abscheidung bei unserer Reaktion auf den Klimawandel spielen sollte und wie das Office of Fossil Energy and Carbon Management arbeitet, um die Fortschritte auf diesem Gebiet zu beschleunigen.

Technology Review: Warum war es wichtig, das Mandat Ihres Amtes zu erweitern?

Shuchi Talati: Im Hinblick auf Klimaziele, insbesondere auf Netto-Null, spielt das CO2-Management eine immer wichtigere Rolle. Das bedeutet, dass wir uns nicht nur mit unseren anhaltenden Emissionen befassen, sondern auch anerkennen, dass wir für jede Art fossiler Brennstoffe, die verbrannt werden, das dabei freigesetzte Kohlendioxid verwalten müssen.

Sicherzustellen, dass diese beiden im Namen unseres Büros verbunden waren, ist wichtig für die Art und Weise wie dieses Büro arbeitet und wahrgenommen wird. Denn wir wollen nicht an fossilen Brennstoffen arbeiten, wenn das nicht auch mit der Minderung der damit verbundenen Umweltauswirkungen einhergeht.

Wie passt die CO2-Abscheidung und -speicherung in die umfassenderen Bemühungen des Energieministeriums zur Beschleunigung der Dekarbonisierung und zur Bekämpfung des Klimawandels?

Wo wir auf erneuerbare Energien umsteigen können, wollen wir diese auch Entscheidungen treffen. Aber wo dies nicht möglich ist, spielt CCS [Carbon Capture and Storage, Anmerkung der Redaktion] eine wichtige Rolle. Bei Branchen wie die Zementherstellung wissen wir, dass CCS für die Erfassung dieser Emissionen absolut unerlässlich ist.

Wir können nicht nur die Emissionen aus der tatsächlich benötigten Energie erfassen, sondern auch jene, die während des Produktionsprozesses freigesetzt werden, wo es keine anderen Mechanismen zur Verhinderung dieses CO2 gibt. CCS ist einfach eine unglaublich vielseitige Möglichkeit, Emissionen aus vielen diesen schwer zu dekarbonisierenden Sektoren zu erfassen.

Wenn es um Energiewirtschaft im Allgemeinen und um Erdgas im Besonderen geht, gibt es viele Erdgaskraftwerke, die erst nach 2035 in den Ruhestand gehen, also nach unserem Ziel von 100 Prozent sauberem Strom. Das sind mehr als 200 Gigawatt, die weiterhin mit Erdgas erzeugt werden. Um das sauber zu machen, ist CCS wirklich die einzige Option.

Ich möchte auch dazusagen, dass wir diese Technologie bei Erdgas noch nie demonstriert haben. Wenn wir also verstehen wollen, was die wahren Kosten sind und wie die Kommerzialisierung aussehen wird, müssen wir zuerst in die Demonstration investieren. Genau das kann unser Büro leisten.

Viele Klimaaktivisten betrachten die Unterstützung der CO2-Abscheidung als Lizenz für die fossile Brennstoffindustrie, wie bisher weiterzumachen. Was sagen Sie dazu?

Ich verstehe, woher viele dieser Kritiken kommen. Das war bisher nicht unbedingt eine sehr geradlinige Branche. Die Tatsache, dass sie an die fossile Brennstoffindustrie gekoppelt ist, ist wirklich eine Herausforderung. Damit müssen wir uns auseinandersetzen.

Aber bei unserer Infrastruktur, vor allem mit Blick auf den Industriesektor – wo es nicht unbedingt um die fossile Brennstoffindustrie geht, sondern um die Erzeugung von Produkten wie Beton, die wir weiterhin brauchen werden, – da müssen wir darüber nachdenken, was das für die Emissionen bedeutet, und dafür, auf die Null zu kommen. Es gibt wirklich keine anderen Möglichkeiten.

Die Rolle unseres Büros und die Rolle der Bundesregierung besteht darin, sicherzustellen, dass wir dies richtig tun und eine verantwortungsvolle Branche schaffen und die Umweltsicherheit rund um diese Technologie aufbauen, die in der Vergangenheit möglicherweise nicht existiert hat.

Sie haben erwähnt, welche Rolle die Kohlenstoffabscheidung potenziell für Erdgasanlagen spielen kann, die noch Jahrzehnte in Betrieb sein werden. Erwarten Sie, dass die CO2-Abscheidung beim Bau neuer Energie zur Stromerzeugung in Zukunft eine Rolle spielen wird?

Das hängt wirklich vom Markt ab und davon, wie private Unternehmen ihre Investitionen sehen. Wir unterstützen nur reduzierte fossile Brennstoffe. Wenn es also um den Bau von neuen Erdgas [-Anlagen] geht, hängt unsere Unterstützung stark davon ab, ob diese CCS-Infrastruktur vorhanden ist. Ein ganz wichtiger Bestandteil davon ist auch eine zuverlässige Speicherung. Im Moment wird viel CO2 für eine verbesserte Ölförderung verwendet [um verbleibendes Öl aus Bohrlöchern freizusetzen]. Wir möchten sicherstellen, dass wir beim Aufbau einer dauerhaften Speicherinfrastruktur rund um geologische Lagerstätten und bei der Umwandlung von CO2 in Produkte helfen, die ähnlich wie Baumaterialien über längere Zeit lagerfähig sind.

Auch wenn das ein wirksames Instrument für Zementwerke oder für einige Elemente bestehender Erdgasanlagen sein kann, besteht immer noch die berechtigte Befürchtung, dass hier Schummeleien stattfinden könnten. Zum Beispiel indem mehr Emissionen austreten, als die Unternehmen zugeben, sowohl aus den Anlagen selbst als auch bei der Förderung, oder weil Kohlenstoffspeicher nicht so effektiv arbeiten wie erhofft. Wie können wir sicherstellen, dass die Industrie bei diesen Punkten zuverlässig ist?

Das ist die Aufgabe unseres Büros und dieser Regierung. Da bin ich bin völlig bei Ihnen. Wir müssen sicherstellen, dass ein zuverlässiger Speicher tatsächlich funktioniert. Wir haben Erfahrung mit der Speicherung von CO2 in erschöpften Öl- und Gaslagerstätten, aber mit salzhaltigen Grundwasserleitern [mit Salzwasser gefülltes durchlässiges Gestein] haben wir nicht so viel Erfahrung.

Wir müssen also Demonstrationsprojekte durchführen. Wir brauchen [Überwachungs-, Berichterstellungs- und Verifizierungs-] Möglichkeiten, denen wir vertrauen, die robust sind und die in großem Maßstab funktionieren. Das erfordert Investitionen von der Regierung und wirklich dezidierte Kapazitäten. Ich denke auch, dass unsere Infrastruktur entlang der gesamten Lieferkette für Erdgas Lecks aufweist. Das ist also tatsächlich eine der Prioritäten in unserem kommenden Haushaltsplan: die Reduzierung von Methan. Das bedeutet, wir müssen die Arbeitsweise unseres Büros ändern. Wir möchten das Gespräch darauf verlagern, die Umweltbelastung durch die Förderung so gering wie möglich zu halten.

Der Infrastrukturgesetzentwurf sieht die Finanzierung von Direkt-Luft-Erfassungsanlagen vor. Welche Rolle sieht das Energieministerium für diese Technologie bei der Bekämpfung des Klimawandels?

Es ist unglaublich aufregend, dass dies die größte Investition in die Kohlenstoffentfernung in der Geschichte ist. Daher spielt [das Energieministerium] eine wichtige Rolle dabei, in diese frühen Technologien zu investieren, sie zu demonstrieren und Privatunternehmen dabei zu helfen, ihrer Arbeit in diesem Bereich zum Durchbruch zu verhelfen.

Bei der Direktluftabscheidung sind diese Demonstrationen allerdings unglaublich teuer. 3,5 Milliarden Dollar reichen nicht so weit, wie die meisten Leute denken. Wir sind begeistert von dieser Technologie, aber es gibt andere, die meiner Meinung nach die gleiche Aufmerksamkeit verdienen: etwa die beschleunigte Verwitterung von Mineralien [also die Entwicklung von Methoden zur Beschleunigung des natürlichen Verwitterungsprozesses, durch den bestimmte Arten von Mineralien Kohlendioxid einfangen]. Als Erstes fällt einem immer [die Direktluftabscheidung] ein, und das wollen wir ändern. Denn die beschleunigte Verwitterung hat eine unglaubliche Skalierungsfähigkeit.

Gibt es ein Spannungsfeld zwischen dem Ausbau der Kohlenstoffentfernung und den potenziellen Grenzen unserer Fähigkeit, das zu tun?

Das ist eine wichtige Frage. Die Kohlendioxid-Entfernung sollte nicht in Fällen angewendet werden, bei denen wir die Emissionen auf andere Weise reduzieren können. Für Unternehmen bedeutet das, ihre Emissionen durch Energieeffizienz oder Elektrifizierung oder auf andere Weise zu reduzieren. Im Vordergrund steht immer die Vermeidung von Emissionen. Immer. Weil es billiger und effizienter sein wird, das zu tun. Kohlenstoffabscheidung ist schwierig und teuer. Zudem existiert die Branche noch nicht in großem Maßstab.

Geht es um CO2-Kompensationen, dann ist das Etwas für die extrem schwer zu dekarbonisierenden Sektoren wie Luftfahrt, Landwirtschaft, Schifffahrt, in denen wir keine anderen Mechanismen für die Emissionsverringerung haben.

Indem wir uns weiterentwickeln und technologisch innovieren, hoffe ich, dass wir Emissionen ohne Kohlendioxid-Entfernung vermeiden können – und das sich dann auf den netto-negativen Teil konzentrieren kann [das Entfernen von ausreichend Kohlendioxid, um die Gesamtemissionen unter Null zu bringen, und so mit der Reduzierung der Gesamtkonzentration in der Atmosphäre zu beginnen].

Bei den naturbasierten Möglichkeiten [bei denen man sich auf Wälder und Böden verlässt, um mehr Kohlenstoff zu entfernen und zu speichern], bin ich zutiefst über ihre Entwicklung besorgt. Schließlich haben wir hierzulande keine Infrastruktur zur CO2-Buchführung. Das hofft unsere Behörde – in Partnerschaft mit der Umweltschutzbehörde und anderen Behörden wie dem Landwirtschaftsministerium – aufzubauen, denn sie beschäftigen sich intensiv mit natürlichen Systemen rund um die Kohlendioxidentfernung.

Ohne diese wirklich robuste und konsistente CO2-Abrechnungsinfrastruktur, die sich auf die US-Regierung stützen kann, fühle ich mich nicht wohl damit, eine Kompensationsinfrastruktur zu ermöglichen, die nicht auf der Realität basiert.

Heute haben wir dieses Flickwerk von Unternehmen, die größtenteils die Akkreditierung für Offset-Protokolle durchführen, aber mit sehr unterschiedlichen Qualitätsniveaus. Welche Rolle könnte die US-Regierung bei der Festlegung gemeinsamer verlässlicher Standards spielen?

Ja, es ist die Aufgabe der Regierung, qualitativ gute Ausgleichsmethoden zu definieren. Wir haben unterschiedliche Ergebnisse von privaten Unternehmen in diesem Bereich gesehen. Das Neueste kam von Microsoft und Carbon Direct, was eigentlich ziemlich aufregend war und auf dem wir aufbauen könnten. Aber wir sind noch nicht ganz soweit, diese Infrastruktur mit einer konzertierten Anstrengung auszubauen. Wir hoffen jedoch, das im Zuge der Kohlendioxidentfernung ebenfalls vorantreiben zu können.

Das gab es unter der vorherigen Regierung nicht, also befinden wir uns in einer frühen Versuchsphase. Noch ist offen, welche Agenturen Teil dieses Gesprächs sein müssen, wo es stattfinden würde und wie es geführt werden sollte. Aber anzuerkennen, dass die Fragen beantwortet werden müssen, ist meiner Meinung nach ein wirklich großer erster Schritt.

Bei der sich ändernden Mission in Ihrer Behörde legt diese auch viel Wert auf Umweltgerechtigkeit. Wie kann das genau passieren, nicht nur bei der Kohlenstoffabscheidung, -entfernung und -speicherung, sondern auch bei den Fragen, wo wir Pipelines verlegen, wo wir CO2 sequestrieren, oder wo wir eine fortgesetzte Exploration und Extraktion zulassen und wo nicht?

Das sind alles Fragen, auf die wir versuchen eine Antwort zu finden. Wir konzentrieren uns darauf, sicherzustellen, dass benachteiligten Gemeinschaften kein Schaden zugefügt wird und dass der Nutzen aus den von uns getätigten Investitionen gerecht auf diese Gemeinschaften verteilt wird. Uns geht es nicht nur darum, uns für diese Technologien zu begeistern, das sind wir bereits. Es geht darum, sich mit den Gemeinschaften darüber auszutauschen, ob sie es auch sind oder nicht. Ich denke, es geht darum, Unterstützung zu finden und dass Gemeinden Arbeitsplätze und Vorteile aus diesen speziellen Projekten ziehen könnten.

(vsz)