Neue Chancen für Hongkong durch Kryptowährungen?

Auf der Suche nach neuem Wirtschaftswachstum versucht Hongkong, Web3-Unternehmen zu umgarnen. Unter strenger Beobachtung der chinesischen Regierung.

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Schmilzt der Kryptomarkt? In Hongkong meint man: eher nicht.

(Bild: Shutterstock)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Zeyi Yang

Der Gerichtssaal, in dem Sam Bankman-Fried in sieben Anklagepunkten für schuldig befunden wurde, war weit weg von der Hong Kong FinTech Week 2023. Trotzdem war der verurteilte Gründer der Kryptobörse FTX natürlich ein Thema auf der neuen, von der lokalen Politik organisierten Konferenz in der vergangenen Woche – wenn auch nicht so, wie man es erwarten konnte: Die Menschen in Hongkong sind nämlich viel optimistischer, was Web3 und Kryptowährungen angeht, als etwa in den USA oder Deutschland.

John Lee, der Regierungschef Hongkongs, erklärte vor Ort, wie sich die Stadt als Technologiezentrum neu erfinden und aus den großen Wetten, die sie im letzten Jahr auf Blockchain und Kryptowährungen abgeschlossen hat, Kapital schlagen könnte. Yat Siu, Gründer von Animoca Brands, einem einheimischen Web3-Startup, das eindeutig der Star der zweitägigen Veranstaltung war, sagte: "Mit dem Schuldspruch im Fall FTX endet ein dunkles Kapitel der Branche. Jetzt können wir wieder nach vorne blicken."

In zahlreichen Podiumsdiskussion ging es auf der Hong Kong FinTech Week 2023 um die Zukunft von tokenisierten Vermögenswerten, digitalen Zentralbankwährungen und sogar NFTs. Während sich manche Beobachterinnen und Beobachter wie in einer Zeitmaschine gefühlt haben dürften, diskutierten die Führungskräfte von internationalen Firmen wie Crypto.com, Coinbase und Bored Ape Yacht Club über die Zukunft der Branche.

Für sie ist Hongkong ein Ort, an dem sie von der Regierung willkommen geheißen werden. Nach großen Krypto-Pleiten im vergangenen Jahr, wie dem Zusammenbruch von FTX und Terra, sowie anhaltenden Berichten über den Wertverlust von NFTs, misstrauen viele Regierungen der Branche. Hongkong dagegen sieht in digitalen Währungen allerdings weiterhin eine Chance, seine Wirtschaft neu auszurichten.

Das lässt sich historisch erklären. Traditionell war Hongkong ein weltweites Finanz- und Handelszentrum. In den vergangenen Jahren aber hat Hongkongs Bedeutung in diesen Sektoren abgenommen, was auch an der Tech-Industrie an Orten wie Shenzhen liegt, die gleich hinter der Grenze auf dem chinesischen Festland exponentielles Wachstum feiern. Diesen Boom hat Hongkong verpasst, weshalb sich die Stadt nun einen Ruf als Kryptohub erarbeiten möchte.

Während der FinTech-Woche im vergangenen Jahr gab die lokale Regierung ihre eigenen NFTs und eine tokenisierte Anleihe heraus. Seitdem haben führende Vertreter globaler Web3-Projekte Hongkong besucht und erkundet, ob sie dort investieren wollen, sagt Gary Liu, Gründer von zwei in Hongkong ansässigen Web3-Startups, Terminal3 und Artifacts Lab. "Während alle anderen in einem Bärenmarkt stecken, geht es in Hongkong aufwärts", sagt er.

Was die Stadt für die Kryptobranche so interessant macht, ist, dass Hongkong einen Rahmen geschaffen hat, der es ihnen ermöglicht, ihre Dienstleistungen legal anzubieten. Im Mai führte Hongkong ein Lizenzierungssystem für Kryptobörsen für Privatkunden ein. Zwei Unternehmen haben bereits die Genehmigung erhalten. Auf der Konferenz in der vergangenen Woche wurde immer wieder die Absicht geäußert, dass Hongkong bald weitere Gesetze zu Stablecoins erlassen werde, die eine wichtige Brücke zwischen Fiat-Geld und Kryptowährungen sowie die Grundlage für viele Web3-Dienste bilden.

Im Vergleich zu anderen Ländern hat Hongkong bei der Gesetzgebung große Sprünge gemacht. Während unter anderem Europa, Japan und Singapur schon seit 2020 Verordnungen für Krypto-Vermögenswerte ausarbeiten, habe Hongkong gerade im vergangenen Jahr erhebliche Fortschritte gemacht, um aufzuholen, sagt Linda Jeng, die Leiterin der globalen Web3-Strategie bei der in Washington, D.C. ansässigen Branchengruppe Crypto Council for Innovation.

"Ich gehe davon aus, dass Hongkong mit der Einführung des gesamten rechtlichen Rahmens wahrscheinlich weit vor Europa fertig sein wird", sagt Jeng, "es kann Europa buchstäblich überholen." Das wiederum könnte mehr Web3-Unternehmen und Investoren anlocken, sich in der Stadt niederzulassen.

Eine so schnelle Entwicklung birgt allerdings Gefahren. Kryptowährungen könnten sich als weniger transformativ erweisen als ursprünglich versprochen, und es besteht stets die Gefahr von Betrugsmaschen und regulativen Schlupflöchern. Erst im September hat der Zusammenbruch von JPEX die lokale Szene erschüttert, eine Kryptobörse, die Anlegerinnen und Anleger in Hongkong um Vermögenswerte im Wert von 192 Millionen Dollar betrogen hat.

Die Regierung der Stadt scheint davon bisher unbeeindruckt zu sein. In einer Grundsatzrede sagte Christopher Hui, Sekretär für Finanzdienstleistungen: "Wir sind oft gefragt worden, ob die JPEX unsere Entschlossenheit, Web3 zu entwickeln, beeinträchtigen wird. Die Antwort ist ein klares Nein."

Spannend bleibt nicht zuletzt die Haltung Pekings gegenüber Kryptowährungen. Die chinesische Zentralregierung hat den Handel mit Kryptowährungen nämlich verboten. In Hongkong scheint sie den Experimenten aber eine stillschweigende Zustimmung gegeben zu haben. Aus gutem Grund: Hongkong könnte für China quasi ein Testfeld sein, um herauszufinden, wie das Land künftig mit dem Web3 umgehen sollte.

(jle)