Warum die erste private bemannte SpaceX-Mission eine große Sache ist

Inspiration4 hat vier Menschen in den Orbit gebracht – und nicht nur einen kurzen Hopser unternommen wie Virgin Galactic oder Blue Origin.

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(Bild: Inspiration 4 / Jon Kraus)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Jonathan O'Callaghan
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Als im Jahr 1968 der Film "2001: Odyssee im Weltraum" herauskam, galt es nicht als abwegig, von einem Hotelbetrieb im Weltraum zu träumen, wo man dann bei einem Martini die vorbeiziehende Erde beobachten können würde. Die Vision erhielt Anfang der 1980er Auftrieb, als das Space-Shuttle-Programm eine Zukunft mit häufigen und routinemäßigen Reisen in die Erdumlaufbahn möglich zu machen erschien. Und als dann in den Nullerjahren die ersten zahlenden Weltraumtouristen ins All flogen, fragten sich viele Menschen, wann auch sie sich eine Reise ins All leisten können würden.

Es gab zahllose Visionen von einer Zukunft, in der normale Menschen, also Nicht-Astronauten ohne Milliardenvermögen, ins All reisen können. Trotz all der optimistischen Momente aus der Vergangenheit wurden diese Träume jedoch nie verwirklicht: Die Raumfahrt ist bislang größtenteils professionellen Astronauten oder sehr wohlhabenden Menschen vorbehalten geblieben.

Doch das könnte sich jetzt ändern – vorsichtig ausgedrückt. Am Donnerstag hob eine SpaceX-Falcon 9-Rakete von Cape Canaveral in Florida ab. An Bord war eine vierköpfige Besatzung, die gleiche Anzahl wie bei den vorherigen beiden bemannten Missionen des Unternehmens von Elon Musk, die allesamt historische Meilensteine waren. Der Hauptunterschied besteht diesmal darin, dass keiner der Insassen ein ausgebildeter Astronaut ist. Es sind Privatpersonen, die mit einer privaten Rakete starten, die von einem privaten Unternehmen gebaut wurde. Die NASA ist nirgendwo zu sehen.

Inspiration4, so der Name der Mission, wird als ein Meilenstein in der bemannten Raumfahrt gepriesen. Es ist die erste rein private Mission, die in die Erdumlaufbahn gestartet wird, um dort dann über einen längeren Zeitraum zu verbleiben. Sie wurde von dem US-Technologie-Milliardär Jared Isaacman finanziert, um Spenden für das St. Jude Children's Research Hospital in Memphis zu sammeln. Die Kosten werden auf 200 Millionen Dollar geschätzt.

Mit ihm reisen drei Nicht-Milliardäre: Hayley Arceneaux, die eine Krebserkrankung überlebte und Arzthelferin ist; Chris Sembroski, ein Angestellter von Lockheed Martin, dessen Freund einen Wettbewerb um den Platz in der Kapsel gewonnen und ihm das Ticket geschenkt hat, sowie Sian Proctor, eine Professorin für Geowissenschaften, die ebenfalls ausgelost wurde. "Diese Menschen repräsentieren die Menschheit", sagt Laura Forczyk von der Raumfahrtberatungsfirma Astralytical. "Sie sind Botschafter."

Zwar sind Nicht-Astronauten schon ins All geflogen. Von 2001 bis 2009 zahlten sieben Personen über 30 Millionen Dollar pro Sitzplatz für Reisen zur Internationalen Raumstation ISS mit russischen Sojus-Raketen. Im Juli dieses Jahres unternahmen die Milliardäre Richard Branson und Jeff Bezos kurze, jeweils mehrere Minuten dauernde suborbitale Sprünge ins All mit Raumfahrzeugen, die von ihren eigenen Unternehmen gebaut wurden.

Doch noch nie zuvor sind Menschen in die echte Erdumlaufbahn geflogen, ohne besonders reich zu sein und vor allem ohne die Aufsicht einer nationalen Raumfahrtbehörde wie der NASA. "Dies ist der erste privat betriebene orbitale Raumflug, bei dem ausschließlich Privatpersonen als Passagiere mitfliegen", sagt der Raumfahrtexperte Jonathan McDowell vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics. "Verglichen mit den suborbitalen [Flügen] ist das viel ehrgeiziger."

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Anstatt wie bei den anderen bemannten Missionen von SpaceX an die Internationale Raumstation (ISS) anzudocken, wird das Raumschiff Crew Dragon drei Tage lang aus eigener Kraft in der Erdumlaufbahn bleiben. Um die Besatzung zu beschäftigen, wurde die Andockstelle des Raumschiffs, die normalerweise für die Verbindung mit der ISS genutzt wird, in eine Glaskuppel umgewandelt, die der Besatzung einen herrlichen Panoramablick auf die Erde und das Weltall bietet.

Darüber hinaus sind die Ziele der Mission eher begrenzt. Es sind zwar einige wissenschaftliche Experimente geplant, aber der bemerkenswerteste Aspekt der Mission ist das, was nicht geschehen wird: Insbesondere wird niemand aus der Besatzung das Raumschiff direkt steuern. Stattdessen wird es autonom und mit Hilfe der SpaceX-Mission-Control-Station auf der Erde kontrolliert. Das ist keine triviale Neuerung, erklärt Experte McDowell. Und sie birgt Risiken. "Wenn die automatischen Systeme plötzlich nicht funktionieren, könnte es zu echten Problemen kommen", sagt er. Das Projekt zeige, dass das Vertrauen in die Software und die automatischen Kontrollsysteme mittlerweile soweit gestiegen sei, dass Touristen auch ohne ausgebildete "Nanny" ins All fliegen könnten.

In Kombination macht all dies den Start von Inspiration4 zu einem aufregenden Moment in der bemannten Raumfahrt – wenn auch zu einem, der schon einmal versuchsweise unternommen wurde. In den 1980er-Jahren hatte die NASA gehofft, ein ähnliches Projekt zu starten, das "Space Flight Participant Program". Es war ein Versuch, verschiedenen Privatpersonen die Möglichkeit zu geben, mit dem Space Shuttle ins All zu fliegen. Der damalige Projektleiter Alan Ladwig erklärt, die NASA habe normalen Menschen – und damit der Öffentlichkeit – die Weltraumerfahrung vermitteln wollen und wählte Lehrer, Journalisten und Künstler aus.

Das Programm nahm jedoch ein tragisches Ende. Die erste Teilnehmerin, Christa McAuliffe, eine Lehrerin aus New Hampshire, kam 1986 bei der Explosion der Raumfähre Challenger ums Leben, ebenso wie die anderen sechs Mitglieder der Besatzung. Das Vorhaben wurde später gestrichen – und das Space-Shuttle-Programm insgesamt stagnierte. Experten gingen einst davon aus, dass man Hunderte von Missionen pro Jahr fliegen würde. Doch in den folgenden 25 Jahren fanden nur noch 110 weitere Starts statt, bis die Shuttle-Flotte 2011 außer Dienst gestellt wurde und den USA zunächst die Möglichkeit fehlte, überhaupt wieder bemannt ins All zu gelangen.

Trotz Inspiration4: Der Großteil der Raumfahrt wird auch in Zukunft professionellen Astronauten und (sehr) wohlhabenden Menschen vorbehalten bleiben. Wer nicht reich ist, muss sich weiterhin bei Wettbewerben anmelden oder auf ein Ticket von einem wohlhabenden Gönner hoffen – das ist vermutlich nicht die glorreiche Zukunft der Raumfahrt, die sich viele vorgestellt haben. Inspiration4 zeigt jedoch, dass es auch für "normale" Menschen Möglichkeiten gibt, in den Weltraum zu reisen, selbst wenn es einem Lottogewinn gleicht. "Es ist durchaus ein Meilenstein für den Zugang der Menschen zum Weltraum", sagt der Raumfahrthistoriker John Logsdon, emeritierter Professor am Space Policy Institute der George Washington University. "Auf eine sehr einfache Art bedeutet es, dass jeder mitfliegen kann."

Noch werden wir uns allerdings nicht wie in "2001" in einem Raumflugzeug von Pan-Am, der längst eingestellten Airline, auf den Weg zu einem riesigen rotierenden Weltraumhotel machen. Aber wer weiß, was die Zukunft bringen wird. "Das ist ja eine brandneue Branche, die noch in den Kinderschuhen steckt – und wir sehen die ersten Babyschritte", sagt Analystin Forczyk. Wer weiß also, was da noch so kommt.

(bsc)