Warum es Facebook und Instagram nun auch im kostenpflichtigen Abo gibt

10€/Monat an Facebook und Instagram zahlen, damit Meta Ihre Daten nicht für Werbung nutzt? Das bietet der Konzern nun an, um heftige Strafen der EU abzuwenden.

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, Bernd Weißbrod/dpa

(Bild: mundissima/Shutterstock.com)

Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Holger Bleich

Nun also tatsächlich: Meta hat für seine Plattformen Facebook und Instagram ein kostenpflichtiges Abonnement eingeführt. Anfang November ging das neue Angebot an den Start – allerdings nur im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), der neben allen EU-Staaten auch Island, Liechtenstein und Norwegen umfasst, sowie in der Schweiz. Für knapp zehn Euro monatlich gibt es den Zugriff auf alle Facebook- und Instagram-Konten eines Nutzers im Web ohne eingeblendete Werbung. iOS- und Android-Nutzer zahlen drei Euro mehr, weil Meta auf den mobilen Plattformen die Abgaben an Apple und Google einpreist.

Um diesen ungewöhnlichen Schritt zu verstehen, lohnt ein kurzer Blick in die Vergangenheit. Denn freiwillig handelt der US-Konzern keineswegs. Über die letzten Jahre hinweg hat die EU ihren Druck immer weiter erhöht. Im Kern geht es darum, dass Meta innerhalb des EWR dieselben datenschutzrechtlichen Vorgaben umsetzen soll, wie sie Unternehmen auferlegt sind, die ihren Hauptsitz im EWR haben. Weil genau diese aus der DSGVO hergeleiteten Regeln aber dem Geschäftsmodell von Meta zuwiderlaufen, hat sie der Konzern bislang mehr oder weniger geschickt umschifft.

Eine große Rolle spielt, dass Facebook und Instagram möglichst viele personenbezogene Daten ihrer Nutzer erfassen, um sie anschließend zur Profilbildung auszuwerten. Je genauer Meta seine Nutzer kennt, desto besser funktioniert das Kernangebot an die Werbekunden, Nutzergruppen zu selektieren und zielgenau mit Werbung bespielen zu können. Der Deal mit den Nutzern lautet nach Metas Lesart: Wir tracken euch, im Gegenzug erhaltet ihr kostenlos Zugriff auf unsere Dienste.

Lange Jahre hatte Meta behauptet, DSGVO-konform zu handeln, indem man diesen Deal irgendwo versteckt in den Nutzungsbedingungen erwähnt hatte. Tracking und Werbung seien Teil des Dienstes und benötigten deshalb keine gesonderte Rechtsgrundlage nach DSGVO. Anfang 2023 hatte der Europäische Datenschutzausschuss (EDSA) Meta dieses Gebaren untersagt, daraufhin setzte es außerdem ein Bußgeld von 390 Millionen Euro der irischen Datenschutzbehörde DPC. Seitdem berief sich Meta auf das sogenannte "berechtigte Interesse" als Rechtsgrundlage (Art. 6 Abs. f DSGVO), weigerte sich aber, das Tracking zu unterlassen oder eine Einwilligung der Nutzer dafür einzuholen.

Dies führt zum Status quo, den der EDSA nun offensichtlich für untragbar hält: Portale von Medienhäusern etwa müssen sich mit Cookie-Bannern das Tracking von Nutzern widerrufbar erlauben lassen und sich vor Datenschutzbehörden immer wieder wegen Feinheiten verantworten. Die US-Konzerne, allen voran Meta, scheren sich nicht um diese Regeln und kamen bislang fast immer damit durch. Eine unrühmliche Rolle spielte dabei die irische Datenschutzaufsicht, die für einen großen Teil der europäischen Niederlassungen von US-Tech-Firmen verantwortlich ist. Der Vorwurf: Sie fasst die US-Konzerne bislang mit Samthandschuhen an, weil sie viel Geld ins Land bringen.

Da hatte sich einiges aufgestaut, am 27. Oktober ging der EDSA schließlich einen radikalen Schritt: Zum ersten Mal nutzte er die von der DSGVO vorgesehene Möglichkeit, mit einer sogenannten verbindlichen Eilentscheidung eine nationale Aufsichtsbehörde zum Handeln zu zwingen. Er wies die irische DPC an, "innerhalb von zwei Wochen endgültige Maßnahmen in Bezug auf Meta Ireland Limited zu ergreifen und ein Verbot der Verarbeitung personenbezogener Daten für verhaltensbezogene Werbung auf der Rechtsgrundlage von Verträgen und berechtigten Interessen im gesamten Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) zu verhängen." Bereits am 31. Oktober begann diese 14-Tage-Frist zu laufen.

Im Klartext heißt das: Innerhalb des EWR muss Meta sein Nutzertracking beenden oder sich dafür beispielsweise mit rechtlich einwandfreien Cookie-Bannern eine widerrufbare Einwilligung einholen. So oder so bedeutet das für den Konzern, etliche Vorgänge umbauen zu müssen, und zwar rasch. Denn alternativ drohen eben Strafen und Anordnungen bis hin zum Verbot der Meta-Plattformen in der EU. Zuständig fürs Strafmaß wäre allerdings zunächst wiederum die irische DPC.

Die Finnin Anu Talus, seit Mai 2023 die EDSA-Vorsitzende, versicherte, die aktuelle Entscheidung sorgfältig abgewogen zu haben. Meta habe nach Berichten der DPC bislang nicht nachweisen können, sich an die vergangenen Entscheidungen gehalten zu haben. "Es ist höchste Zeit, dass Meta seine Verarbeitung in Einklang mit den Vorschriften bringt und die unrechtmäßige Verarbeitung einstellt", erklärte Talus.

Anu Talus, die Vorsitzende des Europäischen Datenschutzausschusses: "Es ist höchste Zeit, dass Meta seine Verarbeitung in Einklang mit den Vorschriften bringt und die unrechtmäßige Verarbeitung einstellt."

(Bild: EU-Kommission)

Am 30. Oktober überraschte Meta die Öffentlichkeit und die Behörden mit der Ankündigung von einem kostenpflichtigen, werbefreien Abo für Facebook und Instagram. Augenscheinlich orientiert sich der Konzern dabei an den sogenannten Pur-Abos, die mittlerweile viele deutsche Verlagshäuser eingeführt haben (auch der Heise-Verlag). Solche Pur-Abos haben ökonomisch betrachtet einen guten Grund: Nach gängiger Meinung von Datenschutzexperten dürfen Webdienste ihre Nutzer nicht ausschließen, falls diese nicht darin einwilligen, sich etwa mit gesetzten Cookies tracken zu lassen. Die Einwilligung muss ohne Zwang, also informiert und freiwillig geschehen.

Hier kommt die Deutsche Datenschutzkonferenz (DSK), also das gemeinsame Gremium der deutschen Aufsichtsbehörden, ins Spiel. Die DSK hat sich lange mit den Pur-Abos als kostenpflichtige Alternative zur Trackingeinwilligung befasst, weil dazu etliche Beschwerden – unter anderem von der Datenschutzorganisation noyb – vorlagen. Im März hat die DSK ihren Beschluss in der Sache veröffentlicht. Darin heißt es: "Grundsätzlich kann die Nachverfolgung des Nutzendenverhaltens (Tracking) auf eine Einwilligung gestützt werden, wenn alternativ ein trackingfreies Modell angeboten wird, auch wenn dies bezahlpflichtig ist."

Nach diesem Beschluss entstand ein Pur-Abo nach dem anderen, denn nun war es quasi amtlich: Man darf Nutzer dazu zwingen, entweder ins Tracking einzuwilligen oder zu bezahlen, falls sie das Angebot in Anspruch nehmen wollen. Die Bedingung: Die Abokosten müssen laut DSK "marktüblich" sein, und der trackingfreie Pur-Zugang muss denselben Leistungsumfang haben. Dass zehn Euro marktüblich sind, kann man mit Fug und Recht bezweifeln. Angesichts der im Geschäftsbericht von Meta ausgewiesenen Margen beim Werbeumsatz pro Nutzer zumindest wären drei Euro wohl realistischer.

Nun schließt sich der Kreis: Facebook und Instagram befürchten, dass viele Nutzer Tracking verweigern, wenn sie etwa mit einem Banner vor die Wahl gestellt werden. Das Pur-Abo gibt Meta nun die Option, formal eine Alternative anzubieten. Sicherlich werden nur wenige Nutzer zehn Euro monatlich für einen Dienst bezahlen, den sie seit Jahren kostenlos nutzen. Und falls doch, kommt dafür bei Meta wenigstens etwas Geld rein.

Im Rahmen der Aboankündigung hat Meta einige Erklärungen abgegeben, die das Zähneknirschen in der Konzernzentrale erahnen lassen. So hieß es: "Wie andere Unternehmen werden wir uns weiterhin für ein werbefinanziertes Internet einsetzen, auch mit unserem neuen Abonnementangebot in der EU, dem EWR und der Schweiz. Aber wir respektieren den Sinn und Zweck dieser sich entwickelnden europäischen Vorschriften und verpflichten uns, sie einzuhalten." Man habe deshalb auch die Absicht, "in der EU, dem EWR und der Schweiz auf die DSGVO-Rechtsgrundlage 'Einwilligung' umzustellen".

Mit einem Overlay-Fenster bietet Meta in der Facebook-App nach dem Motto "friss oder stirb" das neue Pur-Abo an.

Die Datenschutzbehörden der EU-Mitgliedsstaaten dürften Metas Ankündigungen mit Argwohn verfolgen. Weil Facebook seinen deutschen Firmensitz in Hamburg hat, äußerte sich hierzulande der Hamburgische Datenschutzbeauftragte Thomas Fuchs zuerst. Die Anforderungen an Pur-Abos würden "durch die deutschen Aufsichtsbehörden bei nationalen Anbietern geltend gemacht und von diesen umgesetzt", ließ er verlauten. Es sei noch offen, ob das Meta-Angebot rechtskonform sei. Man sei dazu mit der irischen DPC "in einem laufenden Dialog" und erwarte von der Behörde bald "eine überprüfbare rechtliche Bewertung".

Wir werden noch prüfen, welche Daten Meta tatsächlich erhebt. Die Beschreibung von Meta ist recht schwammig und zeigt offene Hintertüren. Es heißt darin lediglich: "Wir verwenden deine Informationen dann nicht, um dir Werbung zu zeigen." Und in der Ankündigung versicherte Meta nur: "Solange die Nutzer ein Abonnement abgeschlossen haben, werden ihre Daten nicht für Werbung verwendet". Einen Verzicht auf die Erhebung personenbezogener Daten im Pur-Abo kann man aus diesem Statement jedenfalls nicht ableiten. Es könnte folglich sein, dass die Auseinandersetzungen lediglich in die nächste Runde gehen.

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(hob)