Was der Alpha-Geek sieht

Seite 2: Was der Alpha-Geek sieht

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Dornfest: Sicher. Die Trennungslinie zwischen dem "Hier ist alles, was sie über ein Produkt wissen müssen" und dem "Hier ist alles über eine Person oder eine Community" wird ziemlich unscharf.

Technology Review: Ein anderes wichtiges Thema auf der E-Tech sind Mobilgeräte. Gibt es hier Überschneidungen mit sozialer Software?

Dornfest: Der Umstieg vom Desktop auf den Laptop oder den kabellosen Laptop hat zwar den Platz verändert, an dem man sich hinsetzt, ändert aber die Netzwerk-Nutzung nicht. Ich beantworte Mails hier und ich beantworte Mails dort. Ich benutze die selben Werkzeuge. Ich habe nur den Draht zerschnitten. Was aber viel verändern könnte, sind die Handy-Trends. Wenn man in den USA über Mobilität spricht, meint man meistens Laptops mit WLAN-Anschluss. Die restliche Welt redet vor allem über Mobilfunk.

Technology Review: Wenn man das Treffpunkt-Portal Meetup.com auf dem Handy hat, hat man immer etwas zu tun.

Dornfest: Ganz genau. Oder man hat ein Chat-Gerät in seiner Tasche. Wenn ich Internet Relay Chat auf dem Handy habe, kann ich nicht nur mit meinen Freunden reden, wenn ich mit ihnen in einem Café´ sitze. Ich gehe durch einen Laden und frage mich, was ich da kürzlich im Netz gesehen habe. Man bringt sein Online-Leben hinaus in die reale Welt. Wenn man aber mehr von seinem Online-Leben in die Offline-Welt holt, muss man aufpassen. Wem vertraut man? Wie weiß man, wen man am besten treffen sollte? Wo findet man die Leute überhaupt? Social Software wird eine große Rolle dabei spielen, hier den Vermittler zu spielen.

Technology Review: Wie gut ist sie denn heute schon?

Dornfest: Es ist noch ein weiter Weg, aber ich finde das alles sehr spannend. Aktuelle Social Software macht es möglich, dass Sie mich einem Freund vorstellen, weil Sie meinen, wir hätten eine Gemeinsamkeit. Die Interaktion läuft dabei ungefähr so: "Eine Person sagt, dass sie ihr Freund sind. Ist das wahr? Ja oder nein?" Der Druck auf Sie da. Sage ich nun ja oder nein? Das eine meint, man würde sich für sie töten lassen, dass andere, dass man von Ihnen gar nichts hält. Das fühlt sich sehr extrem an. Wenn ich gewusst hätte, dass es so einfach ist, neue Freunde zu finden, hätte ich selbst die Freunde-Suchmaschine Orkut.com geschrieben. Es ist ein primitiver Versuch, die Subtilität der Interaktionen in der realen Welt nachzubauen, aber es ist gut, dass wir diese Sachen ausprobieren.

Technology Review: Damit soziale Software und mobile Geräte Fortschritte machen, müssen immer auch Geschäftsmodelle, neue Dienste und neue Schnittstellen geschaffen werden. All diese Dinge kommen nur gemeinsam nach vorn.

Dornfest: Ja, das hält sie am Leben. Schauen Sie sich zum Beispiel die SPOT-Uhr von Microsoft an, die im Januar vorgestellt wurde. Microsoft entschied sich, dass sie Informationen nur auslesen können würde. Nachrichten können nicht verschickt werden, Antworten kann man nicht. Diese Design-Entscheidung legt fundamental fest, wie man mit dem Gerät umgeht.

Technology Review: Schränkt das nicht sehr stark ein?

Dornfest: Ich finde, dass das Gerät so sogar nützlicher ist. Man muss nichts tun. Es ist ein Nachrichtendienst. Das will ich an meinem Arm. Ich würde da keine E-Mails schreiben wollen. Das Interface muss sich also der Art des Gerätes anpassen. Und auch der Dienst.

Ein anderes Beispiel sind Handys. Schauen Sie sich WAP an, den offenen Standard zur Darstellung von Internet-Inhalten auf Mobiltelefonen. Das war der erste Versuch, auf das Web von einem Gerät mit kleinem Bildschirm aus zuzugreifen. Das hat - zum Teil - auch geklappt.

Dann bauten die Mobiltelefonhersteller ihre Geräte ein bisschen größer und bauten richtige Web-Browser ein und experimentierten mit dem Interface. Ich mag es, dass Sony Ericsson seine Telefone einfach gestaltet. Ein Nokia-Telefon fühlt sich dagegen viel mehr wie Windows 3.1 an: Es gibt viele Icons und man bewegt sich durch die Menüs, ohne dabei häufig zu wissen, was wirklich passiert. Die Handy-Hersteller experimentieren. Sie müssen es, weil die Daten, die auf die Geräte übertragen werden, sich in den letzten Jahren vollständig verändert haben.

Technology Review: Wenn man die innovativen Leute auf einer Landkarte verteilen würde, gibt es keinen einzelnen Ort, an dem das "nächste große Ding" passiert.

Dornfest: Es ist diese "Small Pieces, Loosely Joined"-Idee, die der Netzpapst Dave Weinberger geprägt hat. Ja, Microsoft kann schnell Dinge umsetzen, aber andere Leute können das auch sehr gut. Man bekommt ein Orkut.com sehr schnell hin. Aber man sollte sich ansehen, was Microsoft an Social Software interessiert und davon lernen.

Innovation gibt es überall. Das freut mich am meisten. Zu sehen, dass die Dinge, über die wir reden, überall auftauchen. Es kommt aus allen Ecken. Es kommt von "Bürgeringenieuren". Aus Forschungslabors. Es kommt aus dem logischen Fortschritt der Dinge. Und von brillianten Leuten, die ausgebrannt sind, keine Jobs mehr haben oder den Neuaufbau wagen, nachdem die New Economy-Blase geplatzt ist. Das sieht man überall.

Übersetzung: Ben Schwan (sma)