Was der Wald zu Zeiten des Klimawandel alles können muss

Mehr Häuser mit Holz zu bauen, muss weder der Biodiversität noch dem Wald als Kohlenstoffspeicher schaden – wenn man es richtig macht.

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Das orange-rote Abendlicht verstärkt die Farben, wenn es direkt auf das Motiv trifft, wie hier im Wald am Darß.Canon EOS 5DS R  61 mm  ISO 100  f/14  1/4 s

(Bild: Radomir Jakubowski)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Hanns-J. Neubert
Inhaltsverzeichnis

Bauen in Holz ist für Hans Joachim Schellnhuber die große Lösung für eine gewaltige globale Kohlenstoffsenke. Vor mehr als zwei Jahren hatte er die internationale Initiative "Bauhaus Erde" angeschoben. Schellnhuber ist der große alte Mann der deutschen Klimaforschung, Gründer und langjähriger Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Klimaberater mehrerer Regierungen und Autor des Buches "Selbstverbrennung", in dem er so eindringlich wie kaum ein anderer vor den Folgen des Klimawandels warnte.

In einer Veröffentlichung in "Nature" wiesen er und eine ganze Reihe weiterer Klima-, Wald- und Holzforscher nach, dass man mit Holz der Atmosphäre nicht nur vergangene Kohlenstoffemissionen entziehen, sondern gleichzeitig auch immense Mengen an weiteren Emissionen vermeiden könne. Derzeit gingen nämlich acht Prozent aller CO2-Emissionen auf das Konto der Zementherstellung für Neubauten. Rechne man Wohnen und den oft viel zu frühen Abriss mit ein, emittiere die gebaute Umwelt rund 40 Prozent aller Treibhausgase weltweit. All das ließe sich durch Holzbauten weitgehend vermeiden.

Diese Erkenntnisse flossen im Dezember 2019 in die Deklaration von Caputh ein, der Gründungserklärung für das Bauhaus-Erde-Projekt. Zu den rund 20 Initiatoren gehörten auch die damalige Kulturstaatsministerin Monika Grütters, die heutige Außenministerin Annalena Baerbock, die Unternehmerin Brigitte Mohn, der Künstler Ólafur Elíasson, der Regisseur Volker Schlöndorff, der Präsident des Umweltbundesamts Dirk Messner und die Architektin Annette Hillebrandt.

Das blieb nicht ohne Einfluss auf die Politik der alten und der neuen Bundesregierung. Als eine der letzten Klimainitiativen der früheren Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner gab sie der neuen Regierung die Waldstrategie 2050 mit auf den Weg. Das Ideenpapier war eine Reaktion auf die verheerenden Waldverluste während der Hitzesommer 2018 und 2019. Darin ist erstmals aufgelistet, welche umfangreichen Dienste die Wälder für die Gesellschaft leisten könnten.

So sollen sie der Atmosphäre möglichst viel Kohlenstoffdioxid entziehen, die Biodiversität schützen, Wasser speichern, zunehmend mehr Holz für Bauten liefern, als Rohstofflager für eine künftige Bioökonomie dienen und natürlich ein Ort der Erholung sein. Dabei sollen sie aber gleichzeitig auch noch resilient werden, um den zunehmend häufigeren und intensiveren Dürren und Stürmen widerstehen zu können.

Damit die Wälder das alles bewältigen können, plant die Bundesregierung jetzt deren Umbau. Sie setzt dabei vor allem auch auf Holz als nachwachsendes Baumaterial. Auf den ersten Blick scheint das im Widerspruch zu den ökologischen Funktionen zu stehen, nämlich auch noch als Kohlenstoffsenke und Wasserspeicher zu dienen und die Biodiversität zu erhalten.

Für Christian Ammer, Professor für Waldbau und Waldökologie der gemäßigten Zonen an der Universität Göttingen, ist das allerdings nicht unbedingt ein Widerspruch: "Mit Blick auf den Klimaschutz ist die Entnahme von Bäumen dann sinnvoll, wenn bei hoher Biomasse im Wald einzelne Bäume geerntet werden und diese zu möglichst langlebigen Produkten verarbeitet und erst nach ihrer Nutzung thermisch verwertet werden. Flächige Entnahmen sollten hingegen unterbleiben."

Marcus Lindner vom Forschungsbereich Resilienz am European Forest Institute (EFI) in Bonn weist aber auf Schwierigkeiten hin: "Die unterschiedlichen Leistungen der Wälder unterliegen in der Tat gewissen Zielkonflikten. Maximale Holznutzung im Bauwesen bedeutet, dass in den Wäldern weniger Holz stehen und sich natürlich zersetzen kann. Das reduziert die Kohlenstoffsenken der Wälder und schränkt die Flächenpotenziale zum Biodiversitätsschutz ein." Aber er verweist auch auf eine EFI-Studie, die integrative Waldbewirtschaftungskonzepte vorstellt, mit denen sich die Nutz- und Schutzfunktion der Wälder gut vereinbaren lassen.

Auch für den Pflanzenökophysiologen Henrik Hartmann vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena ist die Sache nicht so einfach: "Um allen Nutzungsansprüchen gerecht zu werden, können einzelne Dienstleistungen nicht optimiert werden, sondern sie müssen als Kompromiss verschiedener Zielsetzungen gestaltet werden." Allerdings ist auch er überzeugt, dass eine verstärkte Holzproduktion die Rolle des Waldes als Kohlenstoffsenke durchaus fördere. "Die Entnahme von Biomasse und deren langfristige Verwendung als Baumaterial schafft die Voraussetzungen für weitere Kohlenstoffspeicherung im Wald."

Immerhin sind sich die Experten einig, dass die deutschen Wälder nicht großflächig verschwinden werden. "Vermutlich ist eher mit temporären als mit dauerhaften Waldverlusten zu rechnen. Es werden bestimmte Wälder verschwinden, aber das bedeutet nicht, dass es eine neue Waldgeneration nicht schaffen würde zu überleben", so Ammer. "Die Wälder werden lediglich anders zusammengesetzt sein und anders aussehen."

Er setzt auf Mischwälder, weil sie weniger empfindlich seien, als Bestände aus nur einer Art. Doch eine pauschale Lösung, wie die Artenzusammensetzung in einem Mischwald praktisch aussehen könnte, gibt es nicht. "Insbesondere bei Flächen, die großflächig abgestorben sind, wird heftig diskutiert, inwieweit durch Nichtstun klimastabile Wälder entstehen würden", meint der Waldökologe. Sicherlich entstünde dort wieder ein Wald, ob der aber mit dem künftigen Klima zurechtkomme, sei fraglich. Denn häufig kommt nur die Baumart nach, die dort vorher bereits vorhanden war. Fichten beispielsweise überstehen als junge Bäume Trockenheit recht gut und breiten sich deshalb schnell aus. Sind sie jedoch älter, sind sie ein gefundenes Fressen für Borkenkäfern. Ammer plädiert daher dafür, aktiv Baumarten zu pflanzen, von denen man annimmt, dass sie mit trockeneren Sommern besser zurechtkommen, etwa Eichen und Kiefern oder auch Zedern und Douglasien, die heute in südlicheren Gefilden heimisch sind.

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(jle)