Was ist eigentlich aus DNA-Computern geworden?​

Im Laufe der Jahre wurden viele Alternativen zu Silizium-Chips vorgeschlagen. Einige davon finden nun ihren Weg in die Computerwelt.​

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 14 Kommentare lesen

(Bild: Dragon Images/Shutterstock.com)

Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Lakshmi Chandrasekaran
Inhaltsverzeichnis

Als 1947 der erste Transistor entwickelt wurde, konnte kaum jemand ahnen, welche Auswirkungen das Bauelement einmal haben würde. Heute bilden diese Schalter das Herzstück von Logikchips. Wir verdanken ihnen – und dem in ihnen verbauten Silizium – den Siegeszug der Computertechnik. Fügt man nämlich dem Element eine winzige Prise Verunreinigungen hinzu, bildet Silizium ein nahezu ideales Material für Transistoren in Computerchips.

Mehr als fünf Jahrzehnte lang haben Ingenieure Transistoren auf Siliziumbasis immer wieder verkleinert und dabei immer schnellere und energieeffizientere Computer geschaffen. Aber die lange technologische Erfolgssträhne – und die Miniaturisierung, die sie ermöglicht hat – kann nicht ewig anhalten. "Wir brauchen eine Technologie, die das Silizium übertrifft, denn wir stoßen damit an enorme Grenzen", sagt Nicholas Malaya, Computerwissenschaftler beim Halbleiterhersteller AMD in Kalifornien.

Was aber könnte diese Nachfolgetechnologie sein? In den letzten 50 Jahren gab es eine Reihe von Vorschlägen für alternative Rechentechnologien. MIT Technology Review stellt fünf der denkwürdigeren Ansätze vor. Alle wurden schon mal mit Fanfaren gefeiert, nur um dann von Silizium besiegt zu werden. Doch möglicherweise gibt es noch Hoffnung für sie.

Computerchips basieren auf Strategien, wie man den Fluss von Elektronen steuert – genauer gesagt, ihrer Ladung. Zusätzlich haben Elektronen aber auch einen Drehimpuls, den sogenannten Spin, der mit Magnetfeldern und elektrischen Feldern manipuliert werden kann. Diese sogenannte Spintronik entstand in den 1980er Jahren mit der Idee, dass sich Spins zur Darstellung von Bits verwenden lassen: Eine Richtung steht für 1 und die andere für 0.

Theoretisch können spintronische Transistoren verkleinert werden, so dass dicht gepackte Chips möglich sind. In der Praxis war es jedoch schwierig, die richtigen Substanzen für ihre Herstellung zu finden. Die Forscher sagen, dass noch viele grundlegende materialwissenschaftliche Fragen geklärt werden müssen.

Nichtsdestotrotz wurden spintronische Technologien in einigen spezifischen Bereichen bereits kommerzialisiert, sagt Gregory Fuchs, der als angewandter Physiker an der Cornell University in Ithaca forscht. Der größte Erfolg der Spintronik war bisher der nichtflüchtige Speicher, der Datenverluste im Falle eines Stromausfalls verhindert. STT-RAM (für "Spin Transfer Torque Random Access Memory") werden seit 2012 produziert und sind in Cloud-Speichereinrichtungen zu finden.

Die klassische Elektronik basiert auf drei Komponenten: Kondensator, Widerstand und Induktor. 1971 entwickelte der Elektroingenieur Leon Chua eine vierte Komponente, die er Memristor nannte. Das steht für Speicherwiderstand. 2008 entwickelten Forscher bei Hewlett-Packard den ersten praktischen Memristor auf Titandioxid-Basis.

Das war spannend, denn Memristoren können theoretisch sowohl für Speicher- als auch für Logikbausteine verwendet werden. Die Bauelemente erinnern sich gleichsam an die zuletzt angelegte Spannung und behalten Informationen auch dann, wenn sie ausgeschaltet werden. Von gewöhnlichen Widerständen unterscheiden sie sich auch dadurch, dass ihr Widerstand sich in Abhängigkeit von der angelegten Spannung ändern kann. Mit solchen Modulationen lassen sich logische Operationen durchführen. Der Clou: Im Computerspeicher verbaut erlauben Memristoren Speicherung und Datenverarbeitung an einem Ort. Das spart ordentlich Energie, die sonst für den ständigen Datentransport zwischen Speicher und Prozessor aufgebracht werden muss.

Ihr kommerzielles Debüt hatten Memristoren als nichtflüchtige Speicher, die nach der Abkürzung ihres englischen Namens "resistive random access memory" auch als RRAM oder ReRAM bekannt sind. 2019 stellten Forscher einen Chip mit 5832 Memristoren vor, der bei der Entwicklung von künstlicher Intelligenz zum Einsatz kommen soll.

Kohlenstoff ist kein idealer Halbleiter. Unter den richtigen Bedingungen kann er allerdings zu Nanoröhren verarbeitet werden, die hervorragend dafür geeignet sind. Anfang der 2000er-Jahre wurden Kohlenstoff-Nanoröhren erstmals zu Transistoren verarbeitet, und Studien zeigten, dass sie zehnmal energieeffizienter sein könnten als Silizium.

Von den fünf hier besprochenen alternativen Transistoren sind die Kohlenstoff-Nanoröhren möglicherweise am weitesten fortgeschritten. 2013 bauten Forscher von der Stanford University den weltweit ersten funktionierenden – wenn auch einfachen – Computer, der ausschließlich mit Kohlenstoffnanoröhrchen-Transistoren betrieben wurde.

Aber Kohlenstoff-Nanoröhren neigen dazu, sich zu kleinen Kugeln zusammenzurollen und wie Spaghetti im Topf zu verklumpen. Hinzu kommt, dass bei den meisten konventionellen Synthesemethoden halbleitende und metallische Nanoröhren in einer unordentlichen Mischung entstehen. Materialwissenschaftler und Ingenieure haben nach Möglichkeiten gesucht, diese Unzulänglichkeiten zu korrigieren und zu umgehen. Mit verbesserter Technik stellten Forscher vom Massachusetts Institute of Technology 2019 einen 16-Bit-Mikroprozessor mit mehr als 14.000 Kohlenstoffnanoröhrchen-Transistoren her. Das ist zwar noch weit entfernt von einem Siliziumchip mit Millionen oder Milliarden von Transistoren, aber dennoch ein guter Fortschritt.

1994 baute Leonard Adleman, ein Computerwissenschaftler an der University of Southern California in Los Angeles, einen Computer aus einer DNA-“Suppe“. Er zeigte, dass sich die DNS in einem Reagenzglas selbst zusammensetzen kann, um alle möglichen Pfade des bekannten "Handlungsreisenden"-Problems zu erkunden. Experten sagten voraus, dass das Rechnen mit DNA die Siliziumtechnologie übertreffen würde, insbesondere bei massivem parallelem Rechnen. Später kamen die Forscher zu dem Schluss, dass die DNA-Computer nicht schnell genug sind, um dies zu erreichen.

Aber die DNA hat einige Vorteile. Forscher zeigten, wie man Gedichte, GIFs und digitale Filme und Serien in den Molekülen kodieren kann. Die potenzielle Dichte ist atemberaubend. Alle digitalen Daten der Welt könnten in einer Kaffeetasse voller DNA gespeichert werden, schätzten Bioingenieure des MIT in einer Veröffentlichung Anfang des Jahres. Der Haken sind die Kosten: Ein Mitautor sagte später, dass die DNA-Synthese um sechs Größenordnungen billiger sein müsste, um mit Magnetbändern konkurrieren zu können.

Solange die Forscher die Kosten für die DNA-Speicherung nicht senken können, wird der Stoff des Lebens in den Zellen stecken bleiben.

Es ist eine verlockende Vision: Transistoren werden immer kleiner, warum also nicht gleich aus einzelnen Molekülen herstellen? Schalter im Nanometerbereich würden einen äußerst kostengünstigen, dicht gepackten Chip ergeben. Die Chips könnten sich dank der Wechselwirkungen zwischen den Molekülen sogar selbst zusammensetzen.

In den frühen 2000er Jahren versuchten Gruppen bei Hewlett-Packard und anderswo, Chemie und Elektronik zusammenzubringen. Doch nach jahrzehntelanger Arbeit ist der Traum von der molekularen Elektronik immer noch nicht ausgeträumt. Die Forscher haben herausgefunden, dass einzelne Moleküle heikel sein können und nur unter sehr engen Bedingungen als Transistoren funktionieren. "Niemand hat gezeigt, wie Einzelmoleküle zuverlässig in eine massiv parallele Mikroelektronik integriert werden können", sagt Richard McCreery, Chemiker an der University of Alberta.

Der Traum von der molekularen Elektronik ist zwar noch nicht ganz ausgeträumt, aber heutzutage ist er weitgehend in die Chemie- und Physiklabors verbannt, wo die Forscher weiterhin darum kämpfen, dass sich die unendlich unbeständigen Moleküle benehmen.

Silizium ist nach wie vor die Nummer eins, aber die Zeit läuft für den beliebten Halbleiter ab. Die jüngste "International Roadmap for Devices and Systems" (IRDS) legt nahe, dass die Transistoren nach 2028 nicht mehr schrumpfen werden und dass integrierte Schaltkreise dreidimensional gestapelt werden müssen, um weiterhin schnellere und effizientere Chips zu ermöglichen.

Dies könnte der Zeitpunkt sein, an dem andere Rechengeräte eine Chance erhalten, allerdings nur in Verbindung mit der Siliziumtechnologie. Forscher untersuchen hybride Ansätze zur Herstellung von Chips. Im Jahr 2017 haben Wissenschaftler, die Fortschritte mit Kohlenstoffnanoröhrchen-Transistoren gemacht hatten, diese mit Schichten aus nichtflüchtigen Memristoren und Silizium-Bauelementen integriert – ein Prototyp für einen Ansatz, um die Geschwindigkeit und den Energieverbrauch bei der Datenverarbeitung zu verbessern, indem man von der herkömmlichen Architektur abwendet.

Klassische Chips auf Siliziumbasis werden noch einige Fortschritte machen, meint Malaya von AMD. Aber er fügt hinzu: "Ich denke, die Zukunft wird heterogen sein, in der alle Technologien wahrscheinlich komplementär zum traditionellen Rechnen eingesetzt werden."

(vsz)