Weniger Methanausstoß dank Seegras

Die Landwirtschaft produziert zu viel Klimagas. Eine Ernährungsumstellung bei Wiederkäuern könnte helfen.

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Von
  • Simone Hörrlein

Alles begann mit Joe Dorgan. Der Farmer beobachtete, dass seine Kühe mehr Milch gaben und weniger rülpsten, wenn sie Seegras gefressen hatten. 2007 versuchte der Kanadier, Seegras professionell zu vermarkten. "Doch ohne wissenschaftliche Daten war das schwierig, und hier komme ich ins Spiel", berichtet der Agrarwissenschaftler Rob Kinley vom staatlichen Forschungsinstitut CSIRO (Commonwealth Scientific and Industrial Research Organization) in Australien. Kinley untersuchte das Phänomen und stieß auf die methanreduzierenden Eigenschaften des an der Küste Queenslands in großen Mengen wachsenden Seegrases.

Methan gelangt zwar in geringeren Mengen in die Atmosphäre, ist aber ein 25-fach stärkeres Klimagas als CO2. 44 Prozent des vom Menschen verursachten Methans entstehen in der Landwirtschaft, ein Großteil davon im Pansen von Wiederkäuern. Dort schließen Mikroorganismen die Zellulose der pflanzlichen Nahrung auf. Dabei entstehen Gärprodukte wie Wasserstoff und Kohlendioxid, welche Bakterien in Methan umwandeln. So produziert eine Kuh täglich bis zu 500 Liter Methan, wovon sie 90 Prozent an die Atmosphäre abgibt. Obendrein geht Energie verloren, die zur Produktion von Fleisch oder Milch genutzt werden könnte. In Australien, wo etwa 28 Millionen Rinder leben, traf Kinley mit seinen Forschungsergebnissen auf offene Ohren.

Gemeinsam mit Rocky de Nys, Professor an der James Cook University, suchte er nach potenten Seegräsern. Sie bauten einen künstlichen Pansen, um die Reduktion der Methanbildung wissenschaftlich zu untermauern. Tatsächlich schien eine Sorte, das rote Seegras Asparagopsis taxiformis, die Methanproduktion fast vollständig zum Erliegen zu bringen. "Das hätten wir nicht erwartet", sagt Kinley.

Die Methansynthese sank um 99 Prozent, im Fütterungsversuch mit Schafen wurde immer noch 85 Prozent weniger Methanbildung gemessen. Im nächsten Jahr starten Fütterungsversuche, um die Daten in Rindern zu bestätigen. Kontrolliert werden soll außerdem, ob mit Seegras gefütterte Rinder mehr Gewicht zulegen und Kühe tatsächlich mehr Milch produzieren.

Doch was im Seegras hemmt die Methansynthese? Die im Pansen lebenden Bakterien benötigen dazu das Vitamin B12. Seegras enthält jedoch die Substanz Bromoform, die mit dem Vitamin reagiert, sodass die Methanbildung ausbleibt.

Nun braucht es nur noch genug Seegras, um 28 Millionen australische Rinder zu versorgen. Kinleys Ergebnisse zeigen, dass maximal zwei Prozent getrocknetes Seegras als Zusatz zum normalen Futter ausreichen: "Und je besser die Qualität des Seegrases, desto weniger werden wir als Futterzusatz benötigen." Rotes Seegras kommt, bis auf die arktischen Gewässer, weltweit in Uferregionen vor. Darüber hinaus arbeiten Forscher an speziellen Kultivierungstechniken.

Einen anderen Ansatz zur klimafreundlichen Kuh verfolgt man in Europa. Maik Kindermann arbeitet bei der Schweizer Niederlassung von DSM an einem Projekt namens "Clean Cow". Auf der Suche nach Hemmstoffen für die Methansynthese stieß der Chemiker mithilfe von "Molecular Modeling" auf das unscheinbare Molekül 3-Nitrooxypropanol (3-NOP): Der Stoff blockiert ein Enzym, das in Bakterien im Pansen an der Methansynthese beteiligt ist. Erste Fütterungsversuche mit amerikanischen Hochleistungsrindern zeigten neben einer bedeutsamen Methanreduktion auch eine Gewichtszunahme der Tiere – ohne bisher erkennbare Nebenwirkungen. Aktuell wird 3-NOP noch auf seine Unbedenklichkeit hin untersucht, dann könnte der Stoff als Futterzusatz zugelassen werden. (bsc)